„Im Aufholmodus“ Nestlé will Preise noch weiter erhöhen

Das Nestlé-Hauptquartier in Vevey in der Schweiz. Nestlé ist der weltgrößte Lebensmittelhersteller. Quelle: imago images/IP3press

Nestlé hat die Preise im vergangenen Jahr um 8,2 Prozent erhöht – und will noch mehr. Kaum ein Konzern ist so umstritten, trotzdem bleiben viele Kunden trotz Preissteigerungen bisher treu. Kann das anhalten?

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Noch reichen die Preiserhöhungen nicht aus, sagte Nestlé-Chef Mark Schneider bei der Vorstellung der Jahreszahlen. Um 8,2 Prozent hat Nestlé, Hersteller von Marken wie Maggi, Thomy, Smarties oder Nespresso, die Preise 2022 weltweit gesteigert. In den Entwicklungsländern waren sogar zehn Prozent Preissteigerungen drin. Und dennoch: „Es sind weitere Preiserhöhungen erforderlich“, sagt Schneider. Der Konzern müsse „weiter aufholen“ und die „Marge reparieren.“

Das Jahr 2022 war herausfordernd für Nestlé – so wie für die ganze Markenindustrie. Zwar hat der Schweizer Konzern seinen Umsatz beinahe ausschließlich dank der Preissteigerungen um 8,4 Prozent auf knapp 95 Milliarden Franken (umgerechnet 95 Milliarden Euro) steigern können. Aber der Konzern hat auch Gewinn verloren. Die operative Marge sank weltweit um 0,4 Prozent auf 17,1 Prozent. In Europa lag der Rückgang sogar bei 1,9 Prozent.

Nun will Nestlé diesen Rückgang aufholen. Für dieses Jahr will der Konzern seinen Umsatz zwischen sechs und acht Prozent steigern, die operative Ergebnismarge wieder auf 17,0 bis 17,5 Prozent bringen. Die Erwartungen der Investoren dürfte Nestlé damit bedienen – aber auch die der Kunden?

Nestlé ist umstritten wie kaum ein anderer Konzern. Als der deutsche Gewürzhersteller Ankerkraut im vergangenen Jahr verkündete, dass Nestlé das Unternehmen kaufen wolle, folgte der Proteststurm beinahe unverzüglich. Boykottaufrufe gegen Nestlé gibt es regelmäßig. Andererseits hat der Konzern auch besonders starke Marken, auf die viele Konsumenten nicht verzichten wollen. Und oft genug wissen die Konsumenten auch gar nicht, welche Produkte zum Portfolio von Nestlé gehören.

Aber in Europa wollen die Verbraucher in Inflationszeiten sparen, gerade beim Supermarkteinkauf. Statt zu den teuren Markenprodukten greifen sie lieber zu No-Name-Alternativen, statt im Bio-Fachhandel einzukaufen, wechseln sie zu den Discountern. Für viele Markenkonzerne wird dieses Downtrading langsam zum Risiko: PepsiCo etwa verzeichnete im vierten Quartal weltweit Einbrüche bei seinen Snacks um vier Prozent, bei Getränken sogar um acht Prozent – und das, obwohl im Jahr zuvor schon allein wegen der Coronaeinschränkungen der Umsatz im Segment nicht besonders gut war.
Nestlé hat vor allem in Nordamerika Kunden verloren. Selbst Nespresso verkaufte dort weniger Kaffeekapseln. In Entwicklungsländern in Asien oder Afrika merke man das Downtrading bei Milchprodukten, sagte Schneider. Und in Deutschland hätten die Kunden etwa weniger Bioprodukte gekauft, sagt Deutschlandchef Marc-Aurel Boersch. Insgesamt aber halten sich die Rückgänge in Grenzen, Konkurrenten hat das Downtrading stärker getroffen. „Nestlé gewinnt in Europa immer noch bescheiden Marktanteile hinzu“, sagt etwa Analyst Eamonn Ferry von Credit Suisse. „Aufgrund der starken Positionen in Kategorien wie Kaffee und Tiernahrung war Nestlé bisher recht widerstandsfähig gegenüber den Auswirkungen des Downtradings.“ Doch wie lange kann das so bleiben?

von Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher, Anton Riedl, Karin Finkenzeller

Portfolio aufgeräumt

Konzernchef Mark Schneider scheint sich bislang noch keine Sorgen zu machen. Schon in der Lieferkrise während der Corona-Pandemie hat der Konzern sein Portfolio aufgeräumt, sich beispielsweise vom Geschäft mit Tiefkühlprodukten in Kanada getrennt. Stattdessen will Nestlé die Produkte fördern, bei denen der Konzern mehr Wachstum und Gewinn sieht. Dazu zählen etwa pflanzliche Produkte wie die Veggie-Alternativen der Marke Garden Gourmet, aber auch Tiernahrung.

Mit Marken wie Purina und Felix ist Nestlé einer der größten Hersteller von Tiernahrung auf der Welt. Und für ihre Vierbeiner wollen Tierliebhaber das Beste, auch wenn sich die Preise erhöhen. Im vergangenen Jahr wuchs das Segment organisch beim Umsatz um 14,5 Prozent. „Tiernahrung sticht sichtlich hervor“, sagte Schneider.

Auch bei Kaffee hat Nestlé ein starkes Portfolio. So vertreibt der Konzern etwa Supermarktprodukte für Starbucks – und machte allein damit im vergangenen Jahr einen Umsatz von 3,6 Milliarden Franken, fast 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Der Konzern hat während der Coronapandemie an seinen Marketingausgaben gespart, sagte Schneider. Nun werde Nestlé seine Ausgaben wieder steigern – auch um im Wettbewerb etwa mit den Handelsmarken weiter zu bestehen.

Dabei bereiten die steigenden Kosten Nestlé immer noch Sorgen. In Deutschland etwa habe Nestlé im vergangenen Jahr zwischen 180 und 200 Millionen Euro höhere Kosten verzeichnet – und davon nur 60 Prozent durch Preiserhöhungen weitergegeben, sagt Deutschlandchef Boersch. Und Verpackungsmaterial wie Plastikrezyklat und Papier steigen weiter im Preis, ebenso manche Agrarrohstoffe. „Jetzt haben wir schon wieder 100 Millionen Euro Kostensteigerungen“, sagt Boersch. „Wir haben die Gespräche begonnen mit unseren Handelskunden, wie wir mit diesen 100 Millionen Euro umgehen.“

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Auch künftig könnten Rohstoffpreise stärker schwanken, erwartet der Deutschlandchef, vielleicht auch durch geopolitische Konflikte. Aber nach einem bergauf müsse auch wieder ein bergab kommen. Selbst bei den Preisen für Nestlés Markenprodukte. „Wir werden auch viele Artikel irgendwann im Preis deutlich wieder senken“, sagt Marc-Aurel Boersch. „Das wird kommen.“

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