Image-Analyse "Die Marke Schlecker ist verbrannt"

Kann ein schlechtes Image ein Unternehmen ruinieren? Ja, es kann. Schlecker zeigte wie.

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Schlecker: For You, vorbei
Neuer Schlecker-Claim For You. Vor Ort. Quelle: dpa
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Bis 2008 war Schlecker der Branchenprimus unter den Drogeriemärkten. Die Umsätze stiegen auf mehr als 7,4 Milliarden Euro, die Zahl der Filialen schwoll auf 14.000 Stück. Schlecker war die größte Drogeriemarktkette Europas. Dann ging es abwärts. 2010 sank der Umsatz zuletzt auf 6,55 Milliarden Euro während die Wettbewerber dm und Rossmann zulegen konnten.

Ein schleichender Abstieg

Was war passiert? Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov hat für WirtschaftsWoche online die Imagewerte von Schlecker seit 2008 analysiert. Vor drei Jahren befand sich der Wert von im positiven Bereich der Skala. Seitdem zeigt sich ein schleichender aber weitgehend kontinuierlicher Abstieg. "Der Trend wurde zeitweise nachhaltig durch die zahlreichen Negativ-Schlagzeilen verschärft", erinnert sich Holger Geißler von YouGov. Schlecker hatte vermehrt Leiharbeitskräfte beschäftigt und Dumping-Stundenlöhne von 6,50 Euro gezahlt. Das kam bei den Kunden überhaupt nicht gut an, die öffentliche Diskussion setzte Schlecker unter Druck.

Keine öffentliche Entschuldigung

Als sich Schlecker schließlich entschied, die Zusammenarbeit mit der Zeitarbeitsfirma Meniar zu beenden, wollte das Unternehmen aber nicht als Schuldeingeständnis gelten lassen. Schlecker ließ die Presse wissen, es habe die Diskussion um die Beschäftigung von Leiharbeitern der Firma Meniar bisher zwar nicht nachvollziehen können, verlängere die Verträge mit Meniar aber nicht, um die Diskussion zu beenden. Eine Haltung, die bei den Kunden auf wenig Verständnis stieß und sich fatal auf das Image auswirkte. Warum eigentlich? Bei H&M etwa scheint es den Konsumenten weitgehend egal, unter welchen Bedingungen die Produkte entstanden sind oder vertrieben werden. Wieso nicht bei Schlecker?

Konsumpsychologe Stephan Grünewald erläutert: "Das kann man nicht vergleichen. Bei H&M findet man die neueste Mode und auch trendaffine Kunden. Bei Schlecker hatte man mitunter das Gefühl, in eine Schicksalsgemeinschaft von Menschen einzutauchen, die unbedingt auf den Preis achten müssen." Als Schlecker seine Mitarbeiter schlecht behandelte, solidarisierten sich die Schlecker-Kunden also stärker mit ihnen als H&M-Kunden mit minderjährigen Näherinnen in Bangladesh.

Auch Holger Geißler sieht große Versäumnisse in der Kommunikation während dieser Skandal-Phase: "Schlecker hat sich anders als Discounter Lidl niemals klar für seinen Umgang mit den Mitarbeitern entschuldigt. Als sich Lidl für die Mitarbeiter-Bespitzelung öffentlich entschuldigte, hat sich das sofort in den Imagewerten bemerkbar gemacht." Eine Chance, die Schlecker verspielte.

Die Unnahbaren

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von Henryk Hielscher

Anders als etwa bei Konkurrent dm hielt sich die Schlecker-Führung - Anton, Lars und Meike Schlecker - immer sehr im Hintergrund. In der Öffentlichkeit wirkte Schlecker geradezu unnahbar; das schlechte Image ihres Unternehmens schien die Familie Schlecker nicht zu berühren.

Die bunte neue Schlecker-Welt
Lars und Meike Schlecker Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche
Farbleitsystem in einer Schlecker-Filiale Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche
Kundin am Ende eines Ganges in einer Schlecker-Filiale Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche
Kundin in einer Schlecker-Filiale Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche
Kundin in einer Schlecker-Filiale Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

Marken-Experte Geißler spricht von einem antiquierten Kundenbild. Ein Kundendialog sei quasi nicht vorhanden gewesen. "Im Grunde sollten die Kunden eben nur die Produkte kaufen, aber ansonsten wollte das Unternehmen nicht viel mit ihnen zu tun haben. Ganz im Gegenteil zur Drogeriekette dm, die einen sehr intensiven Kundendialog führt, mit einem Payback-System punktet und auch in den sozialen Medien sehr präsent sind."

Im Grunde macht dm all das richtig, was Schlecker falsch machte: Die Läden sind hell und freundlich gestaltet, das Unternehmen hat sich klar positioniert, wird mit Werten wie Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit verbunden. Dazu kommen attraktive Eigenmarken, die in den Bewertungen durch Verbrauchertests regelmäßig gut abschneiden. Holger Geißler: "Bei dm stimmt einfach das Gesamtpaket aus Kundendialog, Ladenkonzept und Produktpräsentation."

Die Moral kauft mit

Die Produktpräsentation bei Schlecker haben die Konsumenten als besonders negativ wahrgenommen. Im Grunde verwunderlich, denn auch andere Discounter wie Aldi oder Lidl präsentieren ihre Waren in erster Linie zweckmäßig. Doch eine Drogeriekette ist eben kein Supermarkt, wie Konsumpsychologe Stephan Grünewald erklärt: "Nehmen wir das Beispiel Aldi: Das Unternehmen hat es geschafft, das Karge und Spartanische zu einer Tugend zu erklären und sich somit übergreifend an alle gesellschaftlichen Schichten zu wenden. Denn Aldi reduzierte für alle Einkäufer die Komplexität. Die seelische Kostenersparnis, seinen Einkauf in 20 Minuten erledigt zu haben, war ebenso wichtig wie die ökonomische Kostenersparnis. Die reduzierte Einrichtung war und ist bei Aldi Programm."

Dazu komme, so Grünewald, die besonders geschickte Positionierung von Rossmann und dm, die den Wunsch vieler Menschen nach moralischen Werten in Krisenzeiten bedienten. "Von dem Werbespruch „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“ kann man halten, was man will – aber Tatsache ist, dass die Kunden das glauben. Zumal es von der dm-Unternehmensspitze um Götz Werner ja auch vorgelebt wird."

"Nichts mehr zu retten"

Schleckers Aufstieg und Fall

Nach den Umsatzeinbrüchen 2009 und 2010 begann Schlecker im Frühjahr 2011 seine Filialen umzubauen - und meldete kurz darauf erste Erfolge. „In den umgebauten Filialen stiegen die Umsätze um rund 30 Prozent“, sagte damals ein Unternehmenssprecher der WirtschaftsWoche. Von Juni an forcierte der Drogeriediscounter den Filialumbau, bis Jahresende sollten „mehrerer hundert Läden“ umgestellt sein, hieß es bei Schlecker.

Der Filialumbau war Kern des rund 230 Millionen Euro teuren Restrukturierungsprogramms. Für Holger Geißler war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr viel zu retten. "Die Modernisierungsversuche bei Schlecker kamen zu spät und sie waren auch nicht nachhaltig. Die TV-Kampagne „For you. Vor Ort“ hat man ihnen nicht abgenommen, wenn gleichzeitig Meldungen über neue Filialschließungen publik wurden."

Schlecker wollte sich mit der groß angelegten Fernsehkampagne wieder stärker als Nahversorger positionieren. Auf dem Land hatte die Drogeriekette für einige Zeit noch Chancen, in den Städten lief die Zeit bereits ab. "Das Dramatische am Fall Schlecker ist, dass die Konkurrenz im Grunde überall direkt um die Ecke war. In den Städten fragte sich der Kunde doch: „Warum soll ich zu Schlecker gehen, wenn ich bei dm oder Rossmann Spaß beim Einkaufen haben kann? Wenn ich nebenan, in einem hellen dm-Drogeriemarkt mit freundlichen Mitarbeitern und attraktivem Payback-System einkaufen kann.“

dm, Rossmann und Müller schweben in anderen Sphären

Die aktuellen Imagewerte von Schlecker, die YouGov ermittelt hat, darf man zurecht als unterirdisch bezeichnen. Erreichbar sind Werte zwischen -100 und +100 BrandIndex-Punkte. Für den BrandIndex werden täglich 2.000 Verbraucher befragt. Mit einem BrandIndex von -39,5 Punkten liegt Schlecker dramatisch unter den äußerst beliebten Marken Rossmann und dm mit aktuell 79,4 bzw. 88,3 Punkten. Müller erreicht zwar nicht die Spitzenwerte von dm und Rossmann, positioniert sich aber mit rund 60 Punkten ebenfalls stark.

Die neue Strategie von Schlecker hat, so YouGov, nicht zu einer Trendwende geführt - die Lage ist aus Markensicht bereits seit längerer Zeit ernst. Etwas besser steht es um die Schlecker-Tochter "Ihr Platz": Die Image-Werte liegen mit rund 10 Punkten im positiven Bereich, jedoch mit großem Abstand zum Wettbewerb.

Unabhängig davon, was aus dem Unternehmen und den Geschäften der Schlecker-Kette wird, sieht Holger Geißler für die Marke Schlecker wenig Überlebenschancen. Geißler: "Die Marke Schlecker als solche ist auf absehbare Zeit verbrannt. Schlecker steht für Skandale, schlecht behandelte Mitarbeiter und schäbige Läden. Bei der Marke Schlecker sehe ich wenig Erhaltenswertes."

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