WirtschaftsWoche: Herr Reinert, am Montag haben Sie den Bußgeldbescheid der Bonner Kartellbehörde im sogenannten Wurstkartell bekommen. Jetzt ist es amtlich: Sie sind ein Kartellbruder.
Hans-Ewald Reinert: Das lasse ich natürlich so nicht stehen. Ich hatte noch die Euphorie des Weltmeistertitels vom Vorabend intus und wurde dann brutal auf den Boden der Tatsachen geholt. Die Strafe, die uns aufgebrummt wurde, wird uns erheblich bei geplanten Investitionen lähmen. Sie wird es uns schwerer machen, im ohnehin schwierigen Wettbewerbsumfeld zu bestehen.
Wie hoch ist das Bußgeld in Ihrem Fall?
Reinert: Die genaue Summe möchte ich nicht nennen. Nur so viel: Sie ist für mich überraschend hoch.
In der Branche heißt es, es sei ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag, zahlbar in 14 Tagen.
Reinert: Das kann ich bestätigen.
Zu den Personen
Mundt, 53, ist seit 2009 Präsident des Bundeskartellamts – der sechste in der Geschichte der Behörde. Die residiert in einem strahlend weißen Gebäudekomplex in Bonn. Mundt, selbst gebürtiger Bonner, hat in seiner Heimatstadt und in Lausanne studiert. Nach Stationen im Bundeswirtschaftsministerium und in der FDP-Bundestagsfraktion – als Referent für Arbeits- und Sozialrecht – kam der Jurist 2000 zu den Wettbewerbshütern. Bei der Begegnung mit Unternehmer Reinert, den er nur aus den Ermittlungsakten kennt, bricht der Kartellverfolger mit einem Lob der Reinert’schen Sommer-Wurst das Eis: Die Salami möge er sehr, sagt der Vater dreier Kinder. Da allerdings endet der Konsens zwischen den Gesprächspartnern.
Reinert, 51, gehört die Privatfleischerei H. & E. Reinert in Versmold bei Gütersloh, die mit 1400 Mitarbeitern in sechs Fabriken rund 350 Millionen Euro erlöst. Der dreifache Vater ist der Erfinder der Bärchen-Wurst im Teddy-Format. Trotz Kartellvorwurf wirkt der begeisterte Tennisspieler, als käme er gerade von seiner Finca auf Mallorca: entspannt, gebräunt, dunkelblauer Anzug, Siegelring an der linken Hand. Einen Metzger stellt man sich anders vor. Doch das ist sein Beruf, den er nach dem Abitur lernt. Anschließend studiert Reinert BWL an der European Business School in Oestrich-Winkel, jobbt dann bei einer Bank in den USA, beim Hemdenhersteller Seidensticker in Hongkong und bei Oetker in Bielefeld. Mit 26 steigt er ins Unternehmen ein, mit 38 übernimmt er dessen Führung.
Herr Mundt, was genau werfen Sie Herrn Reinert und den anderen 20 beteiligten Wurstherstellern vor?
Andreas Mundt: Dass sie Preiserhöhungen bei Wurstsorten gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel, insbesondere Aldi, in zwei wesentlichen Punkten über Jahre abgesprochen haben.
Warum gerade Aldi?
Mundt: Weil Aldi in der Branche bei der Festsetzung der Verkaufspreise eine Leuchtturmfunktion hat. Zieht Aldi einen Preis nach oben oder unten, zieht der Rest der Branche relativ schnell nach. Es gab also Absprachen bezüglich des Zeitpunktes, damit möglichst viele Unternehmen gleichzeitig ihre Forderungen stellen. Zweitens gab es für bestimmte Wurstsorten Absprachen, um welche Spanne diese Produkte verteuert werden sollten. Das alles passierte über einen langen Zeitraum hinweg zum Teil in regelmäßig tagenden Gesprächskreisen, größtenteils aber telefonisch, sei es durch wechselseitige Anrufe oder organisierte Rundrufe.
Und Herr Reinert war daran nachweislich beteiligt?
Mundt: Wir haben klare Aussagen von Kartellbeteiligten. Herr Reinert, ich glaube, das kann ich hier sagen: Sie waren an Absprachen beteiligt, bevor es zu Preiserhöhungen kam.
Reinert: Das sehe ich anders. Ich fühle mich nicht schuldig. Es gab natürlich Gespräche mit Wettbewerbern, aber ich war an Absprachen im Sinne des Kartellrechts nicht beteiligt. Ich habe auch nie dem Kreis von Wurstherstellern angehört, die sich ursprünglich im Hamburger Atlantic-Hotel getroffen haben. Deswegen war ich davon ausgegangen, dass ich beim Bußgeldbescheid wenig zu befürchten habe.
Mundt: Ich zitiere exemplarisch die Aussage eines Kartellbeteiligten. Ich möchte dahingestellt lassen, ob Herr Reinert Gegenstand dieser Aussage ist: „Wir haben uns darüber ausgetauscht, mit welcher Preiserhöhung wir in die Verhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel gehen. Für die Entscheidung, ob wir eine Preiserhöhung durchführen oder nicht, war es wichtig, zu wissen, wie sich die Wettbewerber verhalten.“ Es ging in den Gesprächen darum, eine Trendmeldung zu erhalten, ob und in welcher Höhe eine Preiserhöhung beabsichtigt war. Und so geht das weiter auf den je 300 Seiten der Bußgeldbescheide. Elf Unternehmen haben mit uns kooperiert, von denen solche Aussagen kamen.
Reinert: Aber, Herr Mundt, Sie wissen doch, dass in unserer Branche diese Art von Preisinformationen täglich und wöchentlich über unseren Branchenverband kommen oder von der Zentralen Markt- und Preisinformationsstelle ZMP, die die Rohstoffpreise permanent beobachtet.
Mundt: Das ist etwas ganz anderes. Jede Branche hat ihr Monitoring. Das weiß ich. Aber das sind meistens rückwirkende und anonymisierte Analysen.
"Natürlich reden wir über Marktgeschehnisse"
Herr Reinert, waren Sie zu unvorsichtig im Umgang mit Konkurrenten, der Ihnen jetzt zum Verhängnis wurde?
Reinert: Im Nachhinein kommt einem so ein Gedanke. Aber wenn ich mich frage: Hast du irgendetwas getan, was preismanipulierend war? Dann sage ich: Nein. Grundsätzlich stellt sich die Frage, was darf ich als Unternehmer eigentlich? Mit wem darf ich sprechen? Mit wem Taxi fahren? Oder Tennis spielen? Ist Verbandsarbeit überhaupt noch möglich? Wir können doch dort nicht nur übers Wetter oder über Fußballergebnisse sprechen. Natürlich reden wir über Marktgeschehnisse. Glauben Sie, die Bosse der Autohersteller, die jüngst mit Kanzlerin Merkel nach China geflogen sind, hätten nur über Menschenrechte oder über den Smog in Peking gesprochen? Ist das schon verbotene sogenannte „Tuchfühlung“ unter Wettbewerbern? Das kann ja nicht sein! Absprachen bedeuten, dass etwas gemeinschaftlich vereinbart wird, mit dem Wunsch, etwas durchzusetzen. Sonst ist es doch nur eine Idee.
Mundt: Herr Reinert, in Ihrem Fall wurde aus der Idee eine klassische Kartellabsprache.
Reinert: Ob wir zu Aldi gehen und eine Preiserhöhung fordern, interessiert die doch überhaupt nicht! Wir sind ein B- oder C-Lieferant. Sie selbst haben das in den Bußgeldbescheiden so vermerkt. Es gibt nur ein paar Lieferanten, die ein sehr gutes Verhältnis zu Aldi hatten in dieser Periode, um die es geht, und wir waren nicht dabei. Deshalb akzeptiere ich die Strafe nicht. Ich bin kein Kartellbruder. Wir werden gegen den Bescheid klagen.
Wäre ein Ende mit Schrecken nicht vernünftiger als ein juristischer Marathon?
Reinert: Man muss da sicher gute Nerven und Durchhaltevermögen haben. Ich gehe davon aus, dass unsere Argumentation stichhaltig ist, und möchte wissen, was ein unparteiisches Gericht dazu sagt. Ich ziehe das jetzt durch. Die Zeugen müssen vor Gericht in meiner Anwesenheit sagen, wie sie die Situationen damals erlebt haben. Warum soll ich den Kopf in den Sand stecken? Ich habe vor, dieses 83 Jahre alte Unternehmen an die vierte Generation weiterzugeben – und zwar sauber und ohne Schmach. Mein Sohn steht schon in den Startlöchern.
Herr Mundt, immer mehr Unternehmen widersprechen Ihren Bußgeldbescheiden, in diesem neuen Fall allein könnten es zehn sein. Irritiert Sie das?
Mundt: Es wird mehr geklagt, aber wir haben eine gute Erfolgsquote vor Gericht. Unsere Bescheide sind gerichtsfest. Wenn Unternehmen Einspruch einlegen, müssen wir damit vor das Oberlandesgericht (OLG) nach Düsseldorf. Jeder Zeuge wird dort noch mal gehört, jedes Dokument noch mal verlesen. Wir ermitteln gründlich und wollen keine Bauchlandung erleben.
Herr Reinert, welche Chancen rechnen Sie sich vor Gericht aus? Die Beweislage scheint doch erdrückend.
Reinert: Aber sie berücksichtigt zu wenig die Machtverhältnisse im Markt. Wir haben in unserer mittelständisch geprägten Branche rund 300 Wettbewerber, die jeweils mehr als fünf Millionen Umsatz machen. Dem gegenüber stehen die vier Handelskonzerne Edeka, Rewe, Aldi und Lidl/Kaufland, die 85 Prozent Nachfragemacht auf sich vereinen. Da kann sich jeder vorstellen, dass wir keinen Handlungsspielraum für die Festsetzung von Preisen haben. Zudem stellt der Handel in Deutschland fast ein Drittel der Fleischmengen in eigenen Werken her. Die Händler haben also eine vortreffliche Preistransparenz. Die wissen selbst ganz genau, ob es eine Verteuerung bei den Rohstoffen gibt. Zudem, und das hat das Kartellamt sogar explizit festgestellt, hat der Verbraucher zu keinem Zeitpunkt einen Schaden, sprich einen durch das Kartell höheren Verkaufspreis bezahlen müssen. Da bewegt sich die Behörde auf ziemlich dünnem Eis.
Mundt: Diese schwierige Position als mittelständisches Unternehmen haben wir bei der Bemessung der Bußgelder berücksichtigt. Von der gesamten Bußgeldsumme in Höhe von 338 Millionen entfallen allein 84 Prozent auf sechs Wurstproduzenten hinter denen große, milliardenschwere Konzerne stehen.
Also ist die oft geäußerte Mittelstandsfeindlichkeit des Kartellamtes nichts als eine böse Unterstellung?
Mundt: Der Mittelstand kann seine Probleme im Wettbewerb nicht durch Selbstjustiz bekämpfen. Wir können nicht sehenden Auges Preiskartelle zulassen. Wir sind aber nicht mittelstandsfeindlich. Die Nachfragemacht des Handels ist derzeit Gegenstand einer umfassenden Sektoruntersuchung. Wir haben Edeka vor wenigen Wochen klargemacht, dass die sogenannten Hochzeitsrabatte, die zur Übernahme des Discounters Plus 2009 von Lieferanten gefordert wurden, missbräuchlich waren. Damit haben wir den Mittelstand gestärkt.
Kartellabsprache gegen den Handel
Aber die Edeka wurde zu keiner Strafe verdonnert. Warum eigentlich nicht?
Mundt: Weil kartellrechtlich definiert werden muss, wo die beinharte Verhandlung endet und verbotenes Verhalten beginnt.
Stimmt es denn, wie Herr Reinert sagt, dass der Verbraucher beim Wurstkartell tatsächlich keinen Schaden gehabt hat?
Mundt: Wir beschreiben im Bußgeldbescheid nur, auf welche Art und Weise die Preissetzung gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel beeinflusst wurde. Wir sagen nichts zum Schaden für den Verbraucher, weil dieser nicht Gegenstand des Kartellvorwurfs ist. Wir wissen nicht auf den Cent genau, welche Preiserhöhungen schließlich auch an die Endkunden weitergegeben wurden.
Reinert: Bei mir steht auf Seite 297 des Bescheids: „Verbraucherpreise konnten aufgrund der Marktmacht des Lebensmittelhandels nicht abgesprochen werden.“
Mundt: Selbstverständlich. Sie verkaufen ihre Produkte ja auch nicht direkt an den Verbraucher. Die Beeinflussung der Endverbraucherpreise ist bei sehr vielen Kartellen mittelbar, da diese Preise der Handel setzt. Wir haben nicht untersucht, inwieweit die Preissteigerungen durchgereicht wurden. Die Kartellabsprache richtete sich gegen den Handel.
Reinert: Die Endkundenpreise für Wurst sind in dem Zeitraum, in dem uns das Kartell vorgeworfen wird, nicht so stark gestiegen wie die Preise für unverarbeitetes Fleisch. Daran sieht man, dass rohstoffbedingte Preissteigerungen überhaupt nicht möglich waren. Der Verbraucher hat also auf keinen Fall einen Schaden erlitten.
Herr Mundt, wie gehen Sie damit um, wenn Beschuldigte wie Herr Reinert jede Schuld von sich weisen?
Mundt: Wenn wir ein Kartell aufdecken, sind wir mit den unterschiedlichsten Argumentationen konfrontiert. Das reicht von „wir waren nicht dabei“ über „das Kartell hat keine Effekte“ bis zu „die Bußgelder sind unverhältnismäßig“. Wir haben fünf Jahre ermittelt, sehr akribisch, nicht anders als eine Staatsanwaltschaft. Es hat Durchsuchungen gegeben, Zeugen mit eindeutigen, belastbaren, detaillierten, glaubhaften Einlassungen. Es hat Notizen, E-Mails gegeben. Elf Unternehmen haben mit uns kooperiert und letzten Endes die Tat eingeräumt. Das alles fügt sich ineinander und erzeugt für uns ein klares Bild.
Reinert: Die Handhabung der Kronzeugenregelung kommt mir in hohem Maße unseriös vor. Da taucht auf einmal ein Kronzeuge auf, ein paar Wochen vor Abschluss der Ermittlungen, der sich plötzlich an eine Taxifahrt erinnert und daraus von einem Anwalt ein 20-Seiten-Pamphlet verfassen lässt, um ein anderes Unternehmen noch zu belasten und für sich selber einen Bußgeldnachlass zu ergattern. Das sind Verwerfungen im Kartellrecht.
Mundt: Auch einem kooperierenden Unternehmen fühlen wir wie eine Staatsanwaltschaft auf den Zahn. Und Herr Reinert, Sie dürfen nicht vergessen: Auch ein solches Unternehmen setzt sich selbst in hohem Maße der Gefahr aus, dass es mit hohen zivilrechtlichen Geldforderungen belangt wird. Denn es belastet sich mit seinen Aussagen selbst, und Geschädigte können mit diesen Aussagen Schadensersatzforderungen begründen.
Reinert: Kronzeuge Nummer eins war ein Unternehmen in Versmold, wo auch wir unsern Sitz haben. Eine Woche nach Beginn der Kartellermittlungen stand in der Zeitung, Nölke wolle eine große Rohwurstproduktion aufbauen – und das, obwohl es in diesem kleinen Ort mit Stockmeyer und uns schon zwei Spezialisten auf diesem Gebiet gibt. Das war für uns ein Schlag ins Gesicht. Hier fährt jemand eine klare Strategie, um uns mittels des Kartellrechts aus dem Wettbewerb zu drängen und eine Branche neu zu sortieren. Nölke selber geht ja ganz oder weitgehend straffrei aus.
Mundt: Sie werden verstehen, dass ich an dieser Stelle keine Details aus unseren Ermittlungen verbreiten kann. Aber nochmals, elf Unternehmen haben mit uns kooperiert und sich selbst und andere eindeutig belastet.
Angst vor der Insolvenz
Es gibt eine Debatte, die Kartellbußen dürften angesichts ihrer Höhe nicht durch eine Behörde, sondern nur durch Gerichte verhängt werden. Die Entscheidungen seien deshalb verfassungswidrig.
Mundt: Die Diskussion, ob wir in unzulässiger Art und Weise Strafverfolgung betreiben, halte ich für erledigt, weil die gerichtliche Überprüfung so intensiv ist und weil sowohl der Bundesgerichtshof als auch 2011 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eindeutig das Gegenteil befunden haben. Es war Wille des Gesetzgebers, dass die Bußgelder erheblich in die Höhe gehen. Der Höchstsatz für Kartellbußgelder liegt seit 2005 wie bei den meisten anderen Kartellrechtsordnungen in Europa bei zehn Prozent des Jahresumsatzes. Ein Bußgeld in dieser Höhe verhängen wir nur äußerst selten. Beim Wurstkartell bewegen sich die Summen zwischen 0,01 und 5,4 Prozent des Jahresumsatzes. Die Strafen gegen die Mittelständler liegen im Durchschnitt bei zwei Prozent ihres Gesamtumsatzes. Die kleinen und mittleren Unternehmen sind bis auf einen alle mit einer einstelligen Millionenbuße belegt worden.
Und der eine ist Reinert.
Reinert: Drei Prozent sind bei einer durchschnittlichen Umsatzrendite in unserer Branche vor Steuern von 1,8 bis 2,0 Prozent in den vergangenen Jahren nicht verhältnismäßig. Das bedeutet, dass ein Unternehmen möglicherweise vier, fünf Jahre lang seine Gewinne an Sie überweisen muss beziehungsweise an die Bundeskasse.
Mundt: Wir schauen uns bei jedem Unternehmen an, in welcher Verfassung es ist. Entsprechend differenziert ist die Strafzumessung. Es gibt auch in Ihrer Branche Unternehmen, denen es sehr gut geht. Wir sind gesetzlich verpflichtet, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu beachten. Kein Unternehmen darf aufgrund einer Kartellstrafe in die Insolvenz gehen. Das ist auch noch nie vorgekommen. Dann muss uns das Unternehmen aber auch belastbare Unterlagen zur möglicherweise begrenzten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorlegen, damit wir das prüfen können. Und das haben nicht alle getan. Aber es gibt diese Möglichkeit noch im sogenannten Zwischenverfahren, das nun startet.
Reinert: Ich habe sämtliche Bilanzen der vergangenen Jahre, ja sogar meine Einkommensteuererklärungen vorgelegt. Mehr ausziehen kann ich mich nicht.
Herr Mundt, Sie verhängen gegen die Wurstbranche das höchste deutsche Bußgeld aller Zeiten. Allein die Konzerne Bell und Tönnies sollen in dreistelliger Millionenhöhe zahlen. Warum so viel?
Mundt: Das hohe Gesamtbußgeld erklärt sich durch die hohe Zahl der Beteiligten, die lange Dauer des Kartells, die Milliardenumsätze, die die Branche Jahr für Jahr erzielt und die großen, konzernzugehörigen Unternehmen, die auch am Kartell mitgewirkt haben.
Bei Clemens Tönnies haben Sie als Bemessungsgrundlage für das Bußgeld alle seine Unternehmen berücksichtigt, obwohl die rechtlich nicht miteinander verbunden sind. Tönnies will deshalb dagegen klagen.
Mundt: Zunächst einmal spielt der konkret kartellbefangene Umsatz eine entscheidende Rolle, und der ist bei der Zur-Mühlen-Gruppe als Marktführer bereits beträchtlich. Darüber hinaus spielt auch der Umsatz der sogenannten wirtschaftlichen Einheit, also des Konzernverbundes eine wichtige Rolle. Hätte der Gesetzgeber dies nicht vorgesehen, würden Kartellanwälte den Unternehmern raten, erst einmal alles auszugliedern, damit der relevante Umsatz minimalisiert wird. Deswegen hat der Gesetzgeber bewusst gesagt – obwohl das misslich ist im deutschen Recht: Adressat unseres Beschlusses ist die Tochter. Das Bußgeld aber und die Bemessung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit soll den Mutterkonzern mit einschließen.
Damit das nicht wieder passiert: Was machen Sie denn jetzt anders, Herr Reinert?
Reinert: Wir haben angefangen, Compliance-Schulungen für alle Mitarbeiter zu machen, um bis zur gerichtlichen Klärung unseren Mitarbeitern Sicherheit zu geben – insbesondere im Außendienst und bei allen Mitarbeitern, die Kundenkontakt haben. Bei Verbandstreffen haben wir inzwischen Anwälte dabei, die aufpassen, dass nicht am Rande der Legalität gesprochen oder gehandelt wird.