Mit mehr als drei Millionen Beschäftigten zählt der Einzelhandel zu den größten Arbeitgebern im Land. Angesichts hoher Inflationsraten und einem Mangel an Arbeitskräften werden einzelne Handelsketten jetzt kreativ, um ihre Mitarbeiter zu entlasten und an sich zu binden. So wie Aldi.
„Die deutlich steigenden Kosten in vielen Bereichen des täglichen Lebens stellen derzeit auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter privat teils vor große Herausforderungen“, heißt es etwa bei Aldi Nord. Das Unternehmen habe sich deshalb dazu entschlossen, den Stundenlohn ab Juli auf 14 Euro zu erhöhen. Alle Mitarbeiter, die inklusive Zulagen bislang darunter lagen, bekommen seitdem mehr Geld. Auch die Ausbildungsvergütungen sind gestiegen.
Schon im Juni hatte das Schwesterunternehmen Aldi Süd den internen Mindestlohn von 12,50 Euro auf 14 Euro angehoben. Auch Lidl zahlt seit Juni mindestens 14 Euro pro Stunde. Bei Aldi gibt es zudem einen zusätzlichen Inflationsausgleich: Alle Mitarbeiter erhalten einen monatlichen Einkaufsgutschein in Höhe von je 50 Euro. „Dies gilt für die Monate Juni bis einschließlich Oktober 2022“, teilt Aldi Nord mit. „Wir hoffen, damit die Auswirkungen der derzeit außergewöhnlich hohen Inflationsraten für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein wenig abfedern zu können.“
Auf eine ähnliche Form der Unterstützung setzt die Kölner Rewe-Gruppe, zu der neben den Rewe-Supermärkten auch der Discounter Penny gehört. Das Unternehmen kündigte an, den Mitarbeiterrabatt von fünf auf zehn Prozent zu erhöhen. Die Rabatterhöhung soll für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2022 für Einkäufe bei Rewe und Penny bis maximal 1000 Euro pro Monat gelten. Sollten durch den erhöhten Rabatt Steuerfreibeträge oder Freigrenzen überschritten werden, übernimmt das Unternehmen diese Kosten. „Es ist eine Unterstützung in schwierigen Zeiten, die helfen soll, den Lebensunterhalt gut zu bestreiten“, wird Rewe-Chef Lionel Souque im Rewe-Mitarbeiterportal zitiert.
„Steuergünstige Möglichkeit, Menschen zu entlasten“
Bei der Drogeriekette dm erhalten Mitarbeiter schon seit längerem auf ihre Einkäufe bei dm einen Personalrabatt von 10 Prozent sowie zum Ende des Geschäftsjahres eine Jahresabschlusszahlung, deren Höhe von unserem Geschäftsergebnis abhängt. Angesichts der Situation wird nun über eine Erhöhung nachgedacht. „Wir beraten das Thema intensiv und werden konkrete Maßnahmen unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Gespräche zwischen den Tarifpartnern und der Politik umsetzen“, sagt dm-Personalgeschäftsführer Christian Harms auf Anfrage.
Auch dm-Wettbewerber Rossmann zeigt sich offen für das Thema. Ohnehin gibt der Drogist seinen Mitarbeitern nach eigenen Angaben „Personalrabatt sowie regelmäßig Einkaufsgutscheine im Wert von fast 500 Euro im Jahr“.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Angesichts der wachsenden Belastung für Arbeitnehmer aller Branchen hat sich Rossmann-Chef Raoul Roßmann bereits Anfang Juni für einen Inflationsbonus ausgesprochen: Eine Sonderzuwendung, die – ähnlich wie der Corona-Bonus – eins zu eins bei den Mitarbeitern ankommt. „Dieser Bonus kann von Unternehmen, die sich dazu in der Lage sehen, genutzt werden, um Mitarbeiter teilhaben zu lassen und zugleich eine steuergünstige Möglichkeit, Menschen zu entlasten“, sagte Roßmann damals.
Auch bei Kaufland gibt es nach Unternehmensangaben zahlreiche Angebote und Vergünstigungen für Mitarbeiter, ebenso wie bei den Elektronikhändlern Media Markt und Saturn. Ob diese angesichts der steigenden Inflation angehoben werden, ließen die beiden Unternehmen allerdings offen. Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka sowie die Edeka-Discounttochter Netto ließ eine Anfrage unbeantwortet, auch der angeschlagene Warenhausbetreiber Galeria hüllt sich in Schweigen.
Im Modehandel scheint die Bereitschaft Mitarbeiter über Inflationszuschläge zu unterstützen, indes wenig ausgeprägt zu sein. H&M teilt mit, Kollegen und Kolleginnen grundsätzlich eine Vielzahl an Unterstützungs- und Weiterbildungsangeboten zu bieten, die über die gesetzlichen Forderungen hinausgehen. So bekämen Mitarbeiter tarifliche Leistungen wie Altersvorsorge oder Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie einen Mitarbeiterrabat von 25 Prozent innerhalb der H&M Group. Die Tariflöhne sind zudem im vergangenen Jahr gestiegen und werden entsprechend des Tarifvertrages auch in diesem Jahr erhöht. „Zum aktuellen Zeitpunkt sind keine weiteren Maßnahmen geplant“, heißt es bei dem Unternehmen. Auch der Onlinemodehändler Zalando plant „keine inflationsbedingte Anpassung unserer Mitarbeiterrabatte“.
Beim Onlinemarktführer Amazon hat Deutschlandchef Rocco Bräuniger jüngst das Ziel bekräftigt die Einstiegslöhne in der Logistik zu erhöhen. Diese lägen schon seit vergangenem Jahr bei „12 Euro pro Stunde plus vielen Extras wie Aktien oder Altersvorsorge“, sagte Bräuniger im Interview mit der WirtschaftsWoche. In den kommenden Monaten sollen erneut steigen, auf dann 12,50 Euro pro Stunde. Amazon muss schließlich etwas bieten. Der Konzern will im laufenden Jahr „mehr als 6.000 zusätzliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einstellen“, so Bräuniger, „darunter Einkäufer, Projekt- und Produktmanager, Techniker in der Logistik und und und.“
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