




Insolvenzverwalter Michael Frege gilt in der Zunft als Faktenmensch, den wenig aus der Ruhe bringt. Doch angesichts der Gemengelage bei der Pleite des Frankfurter Versandhauses Neckermann geriet selbst der zurückhaltende Jurist in Rage: Ein störrischer Finanzinvestor, ein gigantischer Investitionsstau und ein sanierungsfeindliche Arbeitsrecht torpedierten demnach die Rettung. „Bei Neckermann haben wir keine Substanz vorgefunden“, sagt Frege, „ob Kundendaten, Markenrechte oder Internetadressen - die meisten Werte waren an den Eigentümer verpfändet“, den amerikanischen FinanzInvestor Sun Capital. Er habe sogar die Konten sperren lassen und damit „die Ausgangslage erheblich erschwert“, sagt der 53-jährige.
Der anschließende Verkaufsprozess offenbarte die verheerende Verfassung des Händlers. Rund zehn ernsthafte potenzielle Investoren hätten den Konzern Detail für Detail durchleuchtet – und „ein schonungsloses Urteil“ gefällt, so der Insolvenzverwalter. Die Online-Plattform und das Warenwirtschaftssystem galten als überaltert, Logistik und Verwaltung als überdimensioniert. Die Folge: Im ersten Halbjahr verbuchte Neckermann jeden Monat rund 20 Millionen Euro Verlust. Hinzu kam das Risiko von Kündigungsschutzklagen. Wie schon bei der Schlecker-Insolvenz schreckten Geldgeber davor zurück, dass gekündigte Mitarbeiter vor Gericht ziehen und dann weiter beschäftigt werden müssen.
Ähnlich wie bei dem schwäbischen Drogerieunternehmen fehlte auch Neckermann das Geld für eine Transfergesellschaft, um dieses Risiko zu minimieren. Sieben bis zwölf Millionen Euro wären dafür nötig gewesen. Aber die Kassen waren leer, die Einnahmen durch Warenverkäufe stünden überwiegend Lieferanten zu. „Die Betriebskosten haben jeden Gewinn aufgesogen“, sagt Frege, „wir hätten nicht einmal mehr den nächsten Monatslohn für die Mitarbeiter überweisen können“. Der Anwalt wird beim Insolvenzgericht die drohende Masseunzulänglichkeit erklären. Damit dürften die Gläubiger leer ausgehen, die über keine separaten Sicherheiten verfügen.
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Dennoch könnte die Marke Neckermann überleben. Im Oktober will Frege ein isoliertes Bieterverfahren für die Markenrechte und Kundendaten des Konzerns starten. Mehrere Investoren sollen Interesse gezeigt haben. „Die Chancen stehen nicht schlecht, dass der Name überlebt“, sagt Frege.
Für die rund 2000 Beschäftigten sind die Perspektiven durchwachsen. Frege geht davon aus, dass „zwischen 200 und 300 Mitarbeiter sofort bei einem neuen Arbeitgeber starten werden“.