Insolvenz-Studie Die zehn Branchen mit dem höchsten Pleiterisiko

Die Zahl der Unternehmenspleiten erreicht neue Tiefststände. In manchen Branchen haben die Insolvenzverwalter trotzdem gut zu tun.

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Die spektakulärsten Pleiten 2014
Stadtwerke GeraWas bislang in Deutschland als undenkbar galt, ist im Sommer 2014 erstmals eingetreten: In Gera, der mit 95.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Thüringens, haben die Stadtwerke Insolvenz angemeldet. Insolvenzverwalter Michael Jaffé aus München, der schon das Insolvenzverfahren von Kirch-Media betreut hat, setzt seither auf eine Sanierung der Stadtwerke, in deren Sogwelle auch der Verkehrsbetrieb und die Flugbetriebsgesellschaft Insolvenz anmelden mussten. Busse und Bahnen fuhren zwar unverändert weiter, aber Jaffé arbeitete Sparkonzepte aus, um den Zuschussbedarf für den Betrieb zu senken. Außerdem lotet er den Einstieg privatwirtschaftlicher Investoren aus und plant den Verkauf von Anteilen an einer Wohnungsbaugesellschaft. Die Folgen der Pleite reichen indes weit über die Grenzen von Gera hinaus. Auch in andere Kommunen ist die Schuldenlast drückend, gelten Insolvenzen städtischer Tochtergesellschaften nach Gera-Exempel nicht mehr als ausgeschlossen. Damit könnten zugleich aber auch Fragen nach der Absicherung und Eigenkapitalunterlegung von Bankkrediten an öffentliche Unternehmen auf die Agenda rücken. Quelle: dpa
Burger King GmbHNach monatelangen Querelen reichte im Dezember der größte Betreiber von Burger King Restaurants in Deutschland einen Insolvenzantrag ein. 89 Schnellrestaurants mit 3000 Mitarbeitern sind betroffen. Sie hatten schon im November schließen müssen,  nachdem die Burger-King-Zentrale dem Franchisenehmer Yi-Ko nach Schlagzeilen um Hygienemängel und schlechte Arbeitsbedingungen fristlos gekündigt hatte. Der vorläufige Insolvenzverwalter Marc Odebrecht erreichte eine schnelle Einigung mit Burger King und die Wiedereröffnung der Restaurants. Die insolvente Gesellschaft soll nun verkauft werden.   Quelle: dpa
ProkonDie Insolvenz des Windkraftunternehmens Prokon war nicht nur ein Schock für die Beschäftigten. Betroffen waren auch rund 74.000 Anleger, die insgesamt 1,4 Milliarden Euro in das Unternehmen investiert hatten. Sie werden nach Angaben von Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin wohl rund die Hälfte ihres eingesetzten Kapitals verlieren. Penzlin will Prokon über ein Insolvenzplanverfahren sanieren und sondiert derzeit die Möglichkeit, den Konzern als Genossenschaft weiter zu führen. Quelle: dpa
WeltbildEine Debatte um erotische und esoterische Literatur stürzte das Verlagshaus Weltbild ab 2011 in eine tiefe Krise. Weltbild geriet ins Abseits, dann drehte die Kirche den Geldhahn zu. Anfang 2014 musste der defizitäre Verlag Insolvenz anmelden. Für die Beschäftigten begann ein Jahr der Ungewissheit: Ein interessierter Käufer sprang kurz vor einem Vertragsabschluss wieder ab. Doch Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz konnte einen neuen Kaufkandidaten aus dem Hut zaubern: Im Sommer übernahm die Düsseldorfer Droege Group den Verlag und kündigte weiteren Jobabbau an. Knapp ein Drittel der einst mehr als 3500 Stellen war zu diesem Zeitpunkt bereits weggefallen. Quelle: dpa
MS DeutschlandDie finanzielle Havarie der als ZDF-„Traumschiff“ bekannten MS Deutschland wurde im Oktober offenkundig. Die Geschäftsführung der MS-Deutschland-Beteiligungsgesellschaft stellte beim Amtsgericht Eutin Insolvenzantrag. Auf dem Schiff lasten Schulden von rund 56 Millionen Euro, davon sind 50 Millionen Anleiheschulden und drei Millionen Euro Zinsen. Wie viel die Anleger davon wiedersehen werden, hängt vom Verkaufserlös des Schiffes ab, den der Insolvenzverwalter Reinhold Schmid-Sperber erzielen kann. Quelle: dpa
MifaMifa, der größte deutsche Fahrradhersteller meldete Ende September Insolvenz an. Zuvor war eine Vereinbarung mit der indischen Hero Cycles gescheitert. Hero sollte eigentlich mit mindestens 15 Millionen Euro bei dem Unternehmen einsteigen. Zuletzt machte Mifa 13,2 Millionen Euro Verlust. Zudem kamen Fehler in der Bilanzierung ans Licht. So wurde Investoren 2012 und 2013 ein profitables Geschäft vorgegaukelt, das es so nie gegeben hat. Die Insolvenz trifft auch Mifa-Großaktionär Carsten Maschmeyer. Statt ihm steuert nun Insolvenzverwalter Lucas Flöther das Unternehmen. Quelle: dpa
StrenesseDer Nördlinger Modehersteller Strenesse stellte im April einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung. Grund für den Schritt waren drückende Altlasten, die die Sanierung des Unternehmens behinderten wie der Strenesse-Vorstand erklärte. Seither mühen sich Sanierungsexperte Michael Pluta und der Sachwalter Jörg Nerlich um die Rettung des Modeunternehmens. Von der Insolvenz sind mehr als 350 Beschäftigte betroffen. Quelle: dpa

Der Blick auf die alljährliche Insolvenzstatistik der Wirtschaftsauskunftei Creditreform verheißt dieser Tage goldene Zeiten: Nur rund 23.800 Unternehmensinsolvenzen erwarten die Experten für 2014, 8,9 Prozent weniger als im Vorjahr. Damit erreicht die Zahl der Firmenpleiten den niedrigsten Stand seit fünfzehn Jahren.

Pleiteflaute überall? Nicht ganz. Trotz des generellen Rückgangs listen die Experten zehn „risikobehaftete Branchen“ auf, in denen es regelmäßig kracht. Das riskanteste Geschäftsfeld der deutschen Wirtschaft ist demnach der Betrieb eines Abbruchunternehmens. In keiner anderen Branche war die Pleitequote 2014 höher. Von 10.000 Unternehmen reichten 617 Insolvenzanträge ein.

Videos und Kneipen mit Problemen

Kaum weniger gefährdet sind Videotheken, Discos und private Wach- und Sicherheitsdienste. Auf jeweils 10.000 Unternehmen der Branche kamen mehr als 500 Pleiten. Ebenfalls im Creditreform-Pleite-Ranking weit oben: „Schankwirtschaften“ sowie die „getränkegeprägte Gastronomie“, Einzelhändler und Umzugstransporteure. Auch Imbissstuben und Bauunternehmen aus dem Bereich Dämmung und Isolierung finden sind auf der Liste.

Abgesehen von Einsätzen in den Krisenbranchen herrschte für Insolvenzverwalter in diesem Jahr eher Kurzarbeit. Zwar legten mit dem Windkraftfinanzierer Prokon, dem Fahrradhersteller Mifa, dem Weltbild-Verlag und der Kleinkaufhauskette Strauss Innovation auch dieses Jahr eine Reihe bekannter Marken spektakuläre Pleiten hin. Doch die großen Konzerninsolvenzen vom Schlecker-, Praktiker- oder Arcandor-Format blieben bisher aus. Vielmehr war das Insolvenzgeschehen 2014 geprägt von „Kleinstinsolvenzen, also Unternehmen, in denen höchstens fünf Mitarbeiter tätig waren“, heißt es in der Creditreform-Untersuchung.

„Günstige Finanzierungsbedingungen“ und die „stabile Konjunktur“ seien dafür verantwortlich. Auch die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen sei so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Trotzdem bleiben die Schäden durch Insolvenzen hoch. Laut Creditreform verloren Gläubiger durch 2014 durch Pleiten insgesamt rund 26,1 Milliarden Euro. Auf private Gläubiger entfielen demnach Verluste von schätzungsweise rund 18,8 Milliarden Euro, die öffentlichen Kassen büßten 7,3 Milliarden Euro ein.

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