Intersport-Vorstand im Gespräch „Die 20- bis 30-Jährigen betreiben Outdoor mit einer etwas anderen Attitüde“

Intersport-Filiale in Berlin-Tegel Quelle: PR

Intersport ist Deutschlands größte Sporthandelskette und erlebte während Corona ein Auf und Ab. Warum zieht es die Deutschen wieder in die Berge? Und was bringt die Fußball-WM? Ein Gespräch mit Vorstandsmitglied Frank Geisler.

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Die Sportfachhandel-Verbundgruppe Intersport Deutschland wurde 1956 in Heilbronn gegründet; Unternehmenssitz der internationalen Dachorganisation ist die Schweizer Hauptstadt Bern. Deutschland stellt die größte aller nationalen Verbandsgruppen bei Intersport dar: Rund 800 Händler betreiben hierzulande mehr als 1.500 Intersport-Geschäfte. Seit November 2018 ist Frank Geisler im Vorstand von Intersport-Deutschland, zuständig für den Bereich Kooperationspartner. Zuvor arbeitete Geisler unter anderem bei Karstadt, Puma und Kaufhof und führte rund sieben Jahre lang die Geschäfte des Schweizer Schuh- und Sporthändlers Dosenbach-Ochsner.

Herr Geisler, im Geschäftsjahr 2020/2021 (bis 30. September) erzielten die Intersport-Geschäfte in Deutschland einen Umsatz von 2,65 Milliarden Euro – ein Minus von einem Prozent. Aber vergleicht man das Kalenderjahr 2021 mit 2020, steht ein Umsatzplus von 14 Prozent. Wie kommt es zu dieser Differenz?
Durch die Pandemie hatten wir extreme Verwerfungen zwischen den einzelnen Monaten. Es hing nun mal stark davon ab, wann wo wie geöffnet wurde. Erinnern Sie sich nur mal an das Weihnachtsgeschäft 2021 mit den starken Unterschieden teilweise zwischen den Bundesländern.

Intersport-Vorstandsmitglied Frank Geisler Quelle: PR

Mit Blick auf die beiden Zahlen: Sind Sie denn nun eher zufrieden oder unzufrieden?
Wir sind zufrieden. Durch die Pandemie gehören wir als Sportartikelhändler sicher zu den Glücklicheren, weil die Themen Sport und Gesundheit grundsätzlich mehr in den Fokus und ins Bewusstsein der Verbraucher gerückt sind. Viele Menschen haben während der Pandemie wieder angefangen, Sport zu treiben. Und noch mehr kamen in unsere Geschäfte, die vorher gar keinen Sport gemacht haben.

Woher wissen Sie das?
Wir haben mittels Umfragen untersuchen lassen, woher unser Zuwachs kam. Das kann man sich so vorstellen wie die Umfragen bei Wahlen: Wo kommen die Wählerströme her? Da sehen wir viele Erstkunden.

Laut dem deutschen Modeverband haben deutsche Bekleidungshersteller das Jahr 2021 mit einem leichten Plus von drei Prozent abgeschlossen, man ist noch weit entfernt vom Vor-Corona-Niveau. Wieso läuft es bei der Sportbekleidung besser?
Das hängt mit mehreren Details zusammen. Wir unterscheiden zwischen sogenannten strategischen Warengruppen, also etwa Fitness, Urban Sports oder Outdoor, dazu gehören Wintersport und Bike. Wir haben derzeit etwa einen stark gewachsenen Wintersportanteil. Im ersten Pandemiejahr ist dieser Sportbereich nahezu ausgefallen, 2021 hat der Anteil extrem aufgeholt. Ein anderer Grund: Anfang des Jahres hatten reine Online-Händler große Probleme, denn der Kunde hatte offenbar wieder das Bedürfnis, mit echten Menschen in Kontakt zu treten. Unsere Entwicklung war Anfang des Jahres jedenfalls deutlich besser als bei Online-Händlern – das war jahrelang andersherum. Wir machen heute ein Drittel unseres Umsatzes online.

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von Stephan Knieps

Aber sind Mode und Sportartikel überhaupt zu trennen – oder verschmelzen die Grenzen nicht zunehmend?
Verschmelzen ist für mich der falsche Ausdruck. Es gibt Sportprodukte und es gibt Sport-inspirierte Produkte. Leute wollen in der Freizeit zeigen, welches Hobby sie machen. Damit fühlen sie sich einer Community zugehörig. All die Sneaker, die wir heute auf der Straße sehen, waren früher ja Sportprodukte. Der bekannteste ist sicherlich der Converse, der war in den 50er Jahren der Basketballschuh der NBA schlechthin. Heute sieht man Nike Air – das sind früher Laufschuhe gewesen. Man sieht dann an der sport-inspirierten Kleidung gleich, auch in der Freizeit oder auch zum Teil im Büro: Wo kommt jemand her? Für Skifahrer ist es Bogner, für Urban-Sportler ist eher Adidas oder Nike.

Es heißt, Artikel für den Draußensport, unter „Outdoor“ zusammengefasst, seien besonders populär. Wie erklären Sie sich das Phänomen?
Outdoor ist kein neues Phänomen. Das Segment hatte ab Mitte der 90er schon mal einen extremen Boom, der dauerte etwa bis Ende der 2000er Jahre; danach gab es einen kleinen Einbruch. Das hing auch damit zusammen, dass es in dem Segment irgendwann keine großen Innovationen mehr gab. Denn bis dahin lieferte die Outdoor-Branche Innovationen am laufenden Band, sei es Light-Daunen oder Fleece oder laminierte Nähte. Aber mit der Pandemie ist Outdoor wieder in den Fokus gerückt – aber diesmal auch bei den 20- bis 30-Jährigen. Die betreiben Outdoor-Aktivitäten vielleicht mit einer etwas anderen Attitüde.

Wie denn?
Etwas moderner. Wandern ist hier der falsche Ausdruck. Es geht um den Bergsport allgemein, dazu zähle ich auch Mountainbiken. Junge Leute sind aus den Fitnessstudios raus und in die Berge rein. Die interpretieren das ein bisschen anders als die Älteren. Ich sehe das bei meinem Sohn: Mit High-end-Geräten messen sie dann Bergprofile, Höhenmeter und Kalorien, nutzen diese Geräte auch als Navi. Ich habe immer noch eine Wanderkarte, wenn ich wandern gehe. Und ich kann die auch lesen.

Spiegelt sich das Outdoor-Phänomen auch wieder in der Rangliste der meistverkauften Artikel bei Intersport im vergangenen Jahr?
Die Klassiker sind unsere Beststeller. Im Outdoor-Segment sehen wir, dass auch junge Leute sich einen sehr guten, etablierten Wanderschuh kaufen. Etwa den „Renegade“ von Lowa: Das sind klassische, aber auch modische Wanderschuhe. Oder Wanderstiefel von Meindl – gibt es auch schon sehr lange. Diese Produkte sind extrem in den Fokus geraten. Beim Fußball übrigens ist der aktuelle Bestseller ebenfalls ein Klassiker: der Fußballschuh „Copa Mundial“ von Adidas. Da wissen alle: Der ist seit Jahrzehnten zuverlässig.

A propos Adidas: Ist der nun angekündigte Abgang des Vorstandschefs Kasper Rorsted im kommenden Jahr eigentlich relevant für Sie?
Für unsere Händler im täglichen Geschäft gar nicht, denn für die Verbraucher spielt so ein Wechsel überhaupt keine Rolle. Für mich ist es natürlich schon interessant, ob mit dem neuen CEO auch ein strategischer Wechsel bei Adidas einhergeht. Wir arbeiten ja schon lange mit Adidas zusammen. Im Mai erst haben wir mit Adidas ein sogenanntes „Single Account Modell“ gestartet: Das ist eine langfristige Kooperation, nach der Adidas unsere mehr als 800 Händler der Intersport-Genossenschaft wie einen einzigen Händler behandelt. Das vereinfacht und beschleunigt unsere gesamten Logistik-Prozesse. Auch mit Nike setzen wir dieses Modell erfolgreich um.

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