Interview Peloton-Deutschland-Chef „Peloton wurde nicht für Covid gebaut“

Peloton Quelle: PR

Das Fitness-Startup Peloton gilt mit seinen Spinningrädern für zu Hause als Homeoffice-Profiteur. Ein Gespräch mit Deutschland-Chef Martin Richter über digitales Strampeln und die Lieblingstrainingszeiten der Deutschen.

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Die Firma Peloton wurde 2012 in New York gegründet. Der Begriff bezeichnet im Radsport das Hauptfeld. Firmengründer ist der Harvard-Absolvent John Foley, der zuvor u.a. den Online-Handel des größten US-Buchhändlers Barnes&Noble verantwortet hatte. Peloton verkauft Trainingsgeräte für zu Hause, angefangen mit einem Spinning-Fahrrad, später kam ein Laufband hinzu. Die Geräte sind mit einem Bildschirm ausgestattet, über den die Nutzer an einem virtuellen oder live gestreamten Training unter Anleitung eines Trainers teilnehmen, oder etwa durch virtuelle Landschaften radeln und joggen können. Alle Nutzer sind über ein Netzwerk miteinander verbunden und können sich über Zeiten und Resultate austauschen.

Im Herbst 2019 ging Peloton an die US-Börse Nasdaq und sammelte mehr als eine Milliarde US-Dollar ein. Seitdem hat die Aktie um mehr als 250 Prozent an Wert gewonnen. Im Geschäftsjahr 2019/2020 setzte die Firma rund 1,3 Milliarden Euro um. Seit November 2019 gibt es Peloton auch in Deutschland. Das Geschäft führt der frühere Spotify-Manager Martin Richter. Der 43-Jährige hat BWL sowie Sozialwissenschaften studiert und zuvor bei Coca-Cola, Henkel und Zalando gearbeitet. Mittlerweile arbeiten 80 Mitarbeiter für Peloton in Deutschland.

Peloton-Deutschland-Chef Martin Richter Quelle: PR

WirtschaftsWoche: Herr Richter, außer auf dem Heimatmarkt USA sowie in Kanada und Großbritannien ist Peloton bisher nur in Deutschland vertreten. Wie kommt’s?
Martin Richter: Dabei spielten zwei Faktoren eine große Rolle: Viele Deutsche sind recht technik- und digitalaffin. Zudem ist Deutschland laut dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte der größte Fitnessmarkt Europas mit rund fünf Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Mehr als zehn Millionen Deutsche sind Mitglied in einem Fitnessstudio. Wir sind jetzt fast ein Jahr im Markt und sind sehr zufrieden mit der Gesamtentwicklung.

Aber die Zahl der Fitnessklub-Mitgliedschaften ist rückläufig: Im zweiten Quartal 2020 sank sie im europäischen Durchschnitt um fast 16 Prozent. Zeitweise mussten die Fitnessstudios schließen. Ist Peloton ein Profiteur der Coronakrise?
Peloton wurde nicht für Covid gebaut, die Firma gibt es seit acht Jahren. Aber natürlich hat Covid einen sehr großen Einfluss auf unser Geschäftsmodell: Fitness zu Hause und „Connected Fitness“. Aber auch Convenience ist ein Trend, der uns bei unserem Wachstum zugutekommt: Ich muss nicht mehr ins Auto steigen und eine halbe Stunde ins Fitnessstudio fahren, sondern absolviere die Trainingseinheit zuhause; und hinterher kann ich meine eigene Dusche benutzen. Auch alle anderen Familienmitglieder können die Geräte nutzen.

Wie muss man sich den typischen deutschen Peloton-Nutzer vorstellen?
Aus Marketingsicht haben wir natürlich eine klar definierte Zielgruppe: Menschen, die in der Mitte des Lebens stehen, ab 30 oder 35 Jahre aufwärts…



…die in geräumigen Lofts in einer Großstadt radeln, wie es die Peloton-Werbung suggeriert.
Wir haben keine pure Fokussierung auf den klassischen Großstädter. Wir sind deutschlandweit verteilt, Kleinstadt und Großstadt. Unsere Firma will inklusiv sein, deshalb bieten wir ja auch eine 30-Tage-Probemitgliedschaft an sowie eine Finanzierung in Monatsraten.

Offenbar besteht dafür eine Notwendigkeit, Ihre Produkte sind nicht gerade günstig: Das neue Peloton „Bike+“ kostet 2.690 Euro, hinzu kommt eine monatliche Abo-Gebühr von 39 Euro für die Kurse.
Wir sind ein Premiumprodukt. Der Deutsche ist bekannt dafür, Premiumqualität einzufordern. Wir liefern sie und sind sehr zufrieden mit der Nachfrage. Im Übrigen bieten wir auch eine reine Digital-Mitgliedschaft an für 12,99 Euro im Monat. Damit können Nutzer die Peloton-Kurse ohne Geräte mitmachen. Die App ist der Einstieg in die Peloton-Welt.

Wie sinnvoll sind denn die Kurse, wenn man weder das Spinningrad noch das Laufband hat?
Das Kernprodukt sind unsere Räder. Aber durch die App hat man Zugriff auf unseren Content, den wir täglich produzieren: Wir bieten bis zu 48 Live-Kurse pro Tag, gestreamt aus den Studios in New York und London, in verschiedenen Disziplinen wie Kraft, Yoga, Stretching, Cardio, Meditation – und natürlich Cycling. Für viele dieser Kurse braucht man kein Rad – wobei es natürlich eine andere Produkterfahrung ist, wenn man auf dem Bike sitzt.

Wie viele neue Nutzer verzeichnen Sie, seit das Virus Ende Februar, Anfang März Europa erreicht hat?
Weltweit hatten wir im März rund zwei Millionen Nutzer, aktuell sind es 3,6 Millionen. Wir unterscheiden dabei zwischen reinen Digital-Abonnenten, die also keines unserer Bikes oder Treads haben, sondern ausschließlich unsere digitalen Apps nutzen. Die Zahl ist im jetzt abgelaufenen Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 382 Prozent auf 510.000 gestiegen. Und wir registrieren 1,33 Millionen Abonnenten, die mit Bike bzw. Tread trainieren – also insgesamt 1,84 Millionen zahlende Nutzer. Die Differenz zu den 3,6 Millionen Nutzern ergibt sich daraus, dass die Abos, die an ein Bike beziehungsweise Tread gebunden sind, von mehreren genutzt werden können. In einem Haushalt, in dem ein Bike steht, können also mehrere Familienmitglieder ihr Profil anlegen und auf dem Bike die Kurse absolvieren.

Bislang gibt es lediglich zwei deutschsprachige Peloton-Trainer (Irène Scholz und Erik Jäger). Wann bekommen sie Verstärkung?
Bis Ende des Jahres kommen noch zwei weitere hinzu und für das kommende Jahr ist weiterer Zuwachs geplant. Wir wollen einem wachsenden deutschsprachigen Markt Rechnung tragen und guten Content in deutscher Sprache anbieten. Die Produktion erfolgt aber weiterhin in London und New York.

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