
WirtschaftsWoche: Herr Mittelsten Scheid, „das Verkaufen ist deutlich schwerer geworden“, klagte Vorwerk schon vor zehn Jahren. Kommt die jetzige Reform Ihres Staubsauger-Direktvertriebes zu spät?
Jörg Mittelsten Scheid: Sie kommt spät, ja, aber nicht zu spät. Es musste etwas geschehen, 80 Jahre nachdem mein Vater den Direktvertrieb an der Haustür – den er bei Hoover in den USA kennengelernt hatte – mit nach Deutschland brachte.
Acht Jahre in Folge büßte das deutsche Staubsaugergeschäft Umsätze ein und schrieb drei Jahre rote Zahlen. Ihr Fehler?
Die Vorwerk-Gruppe hat sich in dieser Zeit insgesamt stark positiv entwickelt. Der Hintergrund zum deutschen Kobold-Geschäft ist: Eigentlich wollte ich mit 65 Jahren aufhören. Aber als meine beiden Partner starben, bat mich die Familie weiterzumachen. Rausfahren in die Niederlassungen wollte ich jedoch nicht mehr. Es hat deshalb zu lange gedauert, bis ich reagiert habe, als der damalige Vertriebschef nur mit Zahlen und Härte den Direktvertrieb führen wollte. Das war ein Fehler und bewirkte diesen Rückgang – aber nur hierzulande! Vorwerk ist ja viel mehr als Staubsauger in Deutschland. Und wir haben unsere Potenziale längst nicht ausgeschöpft.
Welche Potenziale meinen Sie?
Wir haben noch viel vor und wollen noch internationaler werden. Da könnten wir weiter sein. Insbesondere bei den Thermomix-Küchenmaschinen und der Kosmetiksparte Jafra gibt es enorme Reserven. Es liegt nur an uns, in neuen Ländern zu starten. Wir haben immer noch viel Markt vor uns.
Was behindert die Expansion?
Der Direktvertrieb ist unser Alleinstellungsmerkmal. Im Management brauchen wir Leute, die nicht nur aus dem Direktvertrieb kommen, aber bereit sind, ihn zu lernen. Wir haben mehrfach versucht, Uni-Absolventen zu holen, und haben gesagt: Du musst ein halbes Jahr selbst verkaufen, dann kannst du bei uns Karriere machen. Aber das klappte nicht. Heute nehmen wir einen neuen Anlauf mit geänderten Konzepten.
Wie lange bestimmen Sie noch den Kurs? Sie sind 76 und für Unternehmensleitung wie Gesellschafter oberste Instanz.
Ich gebe den Beiratsvorsitz zum 1. Januar 2013 ab, und zwar an Rainer Baule, der jetzt mit 63 Jahren als Chef des Arzneimittelherstellers Fresenius Kabi ausscheidet. Ich bleibe aber dem Beirat, der bei uns die Befugnisse eines Aufsichtsrats hat, weiter erhalten und wurde zu dessen Ehrenvorsitzenden gewählt.