Ma wächst während der Kulturrevolution (1966–1976) auf und gehört zu den berüchtigten "Roten Garden", jugendliche Banden, die auf Maos Geheiß das Land terrorisierten. Er wird in dem Glauben erzogen, das Ausland sei böse. Doch in den Achtzigerjahren lernt der Pragmatiker Englisch, spricht in seiner Heimatstadt Hangzhou Ausländer auf der Straße an, arbeitet später als Übersetzer. Kenner beschreiben ihn gar als "xenophil", das Fremde liebend. Seine beiden Kinder studieren heute in den USA.
Beruflich aber agiert der Tai-Chi-Fan, wie es einst Mao in seiner kleinen roten Gebrauchsanweisung für Revolutionäre riet. Er kopiert seine Gegner, wo das opportun ist, aber er passt ihre Ideen den chinesischen Bedingungen an. Drei Beispiele: Weil Chinesen es bunt mögen, wirken die Alibaba-Seiten im Netz für westliche Augen überfrachtet. Und da in China "Guanxi" – persönliche Beziehungen – entscheidend sind für den Erfolg jeden Handelns, können Käufern und Verkäufern auf Alibaba auch chatten.
Zudem müssen Alibaba-Kunden im Gegensatz zu Ebay, wo Vorkasse obligatorisch ist, erst nach Erhalt der Ware bezahlen. "Das war extrem wichtig in einem Umfeld, in dem weniger Vertrauen zwischen Käufern und Verkäufern herrscht als in entwickelten Märkten", sagt Porter Erisman. Der Amerikaner arbeitete von 1999 bis 2008 bei Alibaba. Anders als Ebay versuche Alibaba, den Interessenkonflikt zwischen Käufer und Verkäufer durch Harmonie aufzulösen.
Kooperation mit Yahoo
Die Taktik bewährt sich, Alibaba holt mit Taobao auf. Endgültig hängt Ma Ebay 2005 ab – mit einem Paukenschlag, der auch aus Maos Buch für den revolutionären Kampf hätte stammen können. Ma verbündet sich mit Yahoo, das US-Internet-Unternehmen investiert eine Milliarde Dollar in Alibaba. Einen Großteil des Geldes steckt Ma in Werbung für chinesische Konsumenten. Das wirkt, Ende 2006 gibt Ebay auf und schließt die chinesische Web-Site. "Die Ebay-Plattform war nicht den lokalen Bedingungen angepasst", kritisiert Erisman.
Der Aufstieg von Alibaba
Chinas größter Online-Händler Alibaba will bei seinem Börsengang in New York alle Rekorde knacken. Ein Überblick.
Quellen: rtr / Unternehmen
Der frühere Englischlehrer Jack Ma gründet Alibaba mit 17 Mitstreitern in seiner Wohnung. Alibaba.com ist die erste Internet-Handelsplattform in China.
Die Firma arbeitet bereits profitabel.
Alibaba startet das Internet-Auktionshaus Taobao sowie das Online-Zahlungssystem Alipay.
Yahoo steigt bei Alibaba ein und zahlt eine Milliarde Dollar für einen 40-Prozent-Anteil. Alibaba übernimmt Yahoo China. Quasi über Nacht ist Alibaba nun in fast allen lukrativen Internetbereichen stark.
Alibaba.com geht am 6. November an die Hongkonger Börse. Die Plattform nimmt dabei 1,5 Milliarden Dollar ein.
Alibaba gründet Ali Finance, einen Ableger, der klassische Dienstleistungen einer Bank anbietet.
Alibaba.com gibt sein Listing an der Börse in Hongkong wieder auf, um den Weg für einen Mega-Börsengang des gesamten Konglomerats in den USA frei zu machen. Yahoo beginnt zudem damit, seinen Anteil an Alibaba zu verringern und hält seit September 2012 nur noch 24 Prozent.
Alibaba ernennt Firmen-Urgestein Jonathan Lu zum Nachfolger von Konzernchef und -Gründer Ma. Ma begleitet sein Unternehmen nur noch als Verwaltungsratschef. Alibaba steigt zudem bei der chinesischen Twitter -Version Weibo ein und verschafft sich damit ein Standbein im rasant wachsenden Markt mit Internet-Netzwerken.
Das chinesische Amazon -Pendant strebt an die New Yorker Börse. Aus einem 18-Mann-Betrieb hat Ma einen Konzern mit rund 25.000 Mitarbeitern und 300 Millionen Kunden geformt.
Nun beherrscht Ma den boomenden Markt. Und kassiert eine Niederlage: 2007 wagt er mit der kommerziellen Handelsplattform Alibaba.com den Schritt an die Börse in Hongkong, 2008 muss Alibaba die eigenen Aktien zurückkaufen, weil mit der Lehman-Pleite eine weltweite Wirtschaftskrise beginnt. 2012 nimmt Ma Alibaba.com schließlich von der Börse.
Jetzt sucht er unter besseren Bedingungen sein Glück an der Börse. Das Unternehmen ist noch bekannter als beim ersten Versuch. "Außerdem hatte Alibaba damals noch mehr Mitbewerber, und der Markt war nicht so ausgereift wie heute", sagt Bill Bishop, Technologie-Experte aus Peking.
Um 120 Prozent jährlich wächst der E-Commerce-Markt seit 2003. Mehr als 60 Prozent der 250 Millionen chinesischen Online-Shopper sind jünger als 30 Jahre, einige haben sich mit Taobao eine Zweitexistenz aufgebaut: Neben ihrem normalen Job handeln sie in kleinen Web-Shops mit Gartenutensilien oder Turnschuhen, manche bieten Übersetzungsdienste an.
Selbst falsche Freunde sind bei Taobao im Angebot. Wenn junge Chinesen aus den Städten zum Frühlingsfest ihre Eltern auf dem Land besuchen, aber auch mit Mitte 20 noch keinen heiratsfähigen Partner vorweisen können, gibt es meist Stress. Um den zu vermeiden, kann man über Taobao einen Partner auf Zeit mieten.