Jäger und Erbsenzähler Bei diesen Pleiteunternehmen drohen Prozesse

Bei welchen Pleiteunternehmen Ex-Vorstände dank emsiger Insolvenzverwalter mit Schadensersatz- und Strafprozessen rechnen müssen.

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Insolvenzverwalter Jauch raucht Pfeife. Er klagt gegen Middelhoff. Quelle: Dominik Pietsch für WirtschaftsWoche

Ohne die Insolvenz des früheren Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor hätte es den Untreue-Prozess gegen Thomas Middelhoff wohl nicht gegeben. Letztlich sei nur durch „Erbsenzählerei des Insolvenzverwalters“ das Strafverfahren ins Rollen gekommen, sagte der Essener Richter Jörg Schmitt bei der Urteilsverkündung.

Der Arcandor-Verwalter als Erbsenzähler? Wer den Juristen Hans-Gerd Jauch je in seinem Büro am Kölner Rheinufer besucht hat, dürfte über das Etikett verwundert den Kopf schütteln. Großformatige Ölgemälde mit christlichen Motiven zieren die „Jauch-Etage“ der Insolvenzkanzlei Görg, die mehr an ein Museum denn an eine Wirtschaftssozietät erinnert. Stundenlang kann der Verwalter über den Papst und den Weltenlauf referieren ebenso wie über sein Hobby, das längst Teil seines Berufs geworden ist: die Jagd.

Nach der Pleite von Arcandor 2009 hat Jauch die Geschäfte der früheren Konzerngranden akribisch unter die Lupe genommen und alle Möglichkeiten ausgelotet, um Schadensersatz für die Gläubiger einzutreiben. Dabei war er auch auf Middelhoffs umstrittene Flüge gestoßen sowie horrende Bonus- und Abfindungszahlungen an Karstadt-Kräfte – Material, das nicht nur zu Millionenklagen vor Zivilgerichten führte, sondern auch die Staatsanwälte auf den Plan rief.

Die nächsten Fälle

Die Rasterfahndung nach dubiosen Geldabflüssen gehört nicht nur bei den Anwälten der Kanzlei Görg zum Standardrepertoire, sondern wird von fast allen größeren Insolvenzkanzleien mit Verve und immer besserer Technik praktiziert. Längst bieten IT-Dienstleister Spezialsoftware für Verwalter an, um Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung fallierter Firmen aufzuspüren.

So dürfte Middelhoff nicht der einzige prominente Manager bleiben, der es nach einer Pleite mit Strafermittlern zu tun bekommt. Die nächsten Fälle zeichnen sich schon ab.

So hat Christopher Seagon, Insolvenzverwalter bei Praktiker, ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu klären, wann die Baumarktkette mit Sitz im saarländischen Kirkel insolvenzreif war und ob zuvor gezahlte Millionenhonorare für Berater angemessen waren.

Für das Papier interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Die Behörde ermittelt bereits wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung gegen fünf frühere Praktiker-Vorstände.

Auch bei dem Fahrradhersteller Mifa aus Sangerhausen in Sachsen-Anhalt hat der Insolvenzverwalter Lucas Flöther jüngst angekündigt, die Geschäfte des früheren Managements unter die Lupe zu nehmen und Schadensersatzforderungen zu prüfen. Die Staatsanwaltschaft Halle hat derweil Ermittlungen gegen den früheren Vorstandschef der Radschmiede eingeleitet.

Bei Pleiten mit kriminellem Hintergrund wie der des leckgeschlagenen Online-Händlers Getgoods, der Insolvenz des Finanzdienstleisters Infinus oder den Zusammenbrüchen im Reich des Düsseldorfer Kunstberaters Helge Achenbach arbeiten die Verwalter ohnehin eng mit den Ermittlern zusammen.

Hinter dem Tatendrang im Pleitewesen steckt indes mehr als detektivische Neugier: Auch die Verwalter stehen unter Druck. Übersehen sie eine Möglichkeit, Regress zu fordern, können die Gläubiger sie später dafür in Haftung nehmen.

Im Zweifel klagen

Auch andere Motive fördern die Neigung, genauer hinzusehen. So führen Insolvenzverwalter aus breit aufgestellten Wirtschaftssozietäten Schadensersatzprozesse gerne mit Anwälten aus dem eigenen Haus.

Beliebtes Argument: Das verhindere Reibungsverluste. Nebenher steigt aber auch der Kanzleiumsatz, zumal ein Insolvenzverwalter die Anwaltsrechnung seines Kollegen wohl ohne Murren akzeptieren dürfte. „Im Zweifel lieber erst mal Klage einreichen“, lautet daher die Faustregel eines süddeutschen Insolvenzrechtlers.

Das harte Urteil gegen Thomas Middelhoff könnte den Verwaltern in Zukunft die Arbeit erleichtern, erwartet der Frankfurter Strafrechtler und Compliance-Experte Gero von Pelchrzim: „Sie könnten künftig die Drohkulisse eines Middelhoff-Szenarios konstruieren, um Manager und Unternehmensverantwortliche zur Mitarbeit bei der Aufklärung von Geldflüssen zu bewegen.“

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