Während die Quadratmeterzahlen im deutschen Einzelhandel rasant wachsen, stagniert das Umsatzvolumen. Zugleich steigen flächenbezogene Kosten etwa für Miete, Energie, Ladenbau und Warenpräsentation. Die Produktivität von Verkaufsflächen in Deutschland sank laut dem Handelsverband Deutschland in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent. Das Resultat: ein Preiskampf und Verdrängungswettbewerb, dem insbesondere kleine und junge Unternehmen ausgeliefert sind. Sie müssen innovative Distributionskonzepte entwickeln, um sich den Marktauftritt überhaupt erst zu ermöglichen, um sich von ihren Wettbewerbern abzuheben und um die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppe zu erlangen. Um die sinkende Flächenproduktivität zu kompensieren, nutzen Unternehmen deshalb zunehmend Pop-up-Stores als innovative Distributionsform.
Das Modelabel Comme des Garçons eröffnete 2004 den ersten Pop-up-Store in Deutschland. Fernab etablierter Läden in einer ehemaligen Berliner Bücherei verlieh das Label seiner Mode somit ein einzigartiges Image. Ganz bewusst behielten die Initiatoren den Zustand des Gebäudes so bei, wie sie ihn vorfanden. Möbel vom Flohmarkt und Wasserleitungen in den Räumen nutzten sie als Kleiderständer, um eine „Secondhand-Atmosphäre“ zu kreieren und das Produkt und nicht die Verpackung in den Mittelpunkt zu rücken. Informationen über die Existenz des Stores waren ausschließlich über Mund-zu-Mund-Propaganda zu erlangen, die von 600 in der Stadt verteilten Plakaten stimuliert war. Unabhängig von seiner Wirtschaftlichkeit schloss Comme des Garçons den Store nach einem Jahr wieder und eröffnete zwischen 2004 und 2009 weltweit insgesamt 37 Pop-up-Stores unter anderem in Basel, Beirut und Warschau.
Pop-up-Stores (auch Guerilla-Stores genannt) sind temporäre Ladeneinheiten, sogenannte Kurzzeitläden, die oft unangekündigt an ungewöhnlichen Orten „aufpoppen“ und nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Die Stores machen sich insbesondere das Prinzip der künstlichen Verknappung zunutze, um für ihre Kunden attraktiv zu sein. Sie bieten demjenigen, der sie zufällig entdeckt, ebenso wie demjenigen, der sie gezielt aufsucht, spektakulär inszenierte Produkte und ein unvergessliches Einkaufserlebnis. Die Stores appellieren gezielt an die Neugier ihrer Zielgruppe, wecken ihren „Jagdinstinkt“ und sorgen dafür, dass die Kunden ihre Erlebnisse weitererzählen.
Checkliste Pop-up-Stores
Image. Trendiger Hotspot versus „Underdog-Image“
Lage, Erreichbarkeit, Infrastruktur. Zentrale Lage versus abgelegene Randlage
Kosten. Kostenintensive Einkaufsstraßen versus zweckentfremdete Gebäude
Kunden. Laufkundschaft versus zielorientiertes Publikum
Gestaltung: improvisierter Rohbau versus exklusives Interieur
Zusatznutzen: integrierte Konzepte wie Bar, Club, Restaurant
Pop-up-Erfahrung: mit Pop-up-Stores vertraute Mitarbeiter
Produkterfahrung: produkterfahrene Mitarbeiter
Social Media: Ansprache der Meinungsführer, Erzeugen eines Viral-Effekts
Zusatz: klassische Medien (zum Beispiel Plakat) zur Stimulation von Mund-zu-Mund-Werbung
Im Vergleich zu dauerhaften Ladenbaukonzepten resultiert die zeitlich begrenzte Öffnung des Stores außerdem in überschaubaren Kosten, da langfristige Mietverträge wegfallen und häufig auf eine aufwendige Store-Ausstattung verzichtet wird. Die Idee des Pop-up-Stores entwickelte Vacant-Geschäftsführer Russel Miller 1999 in Tokio, als er realisierte, dass ein Klamottenladen förmlich von Kunden überrannt wurde, als er ankündigte, kurzfristig schließen zu müssen, um den Bestand aufzufüllen. Russel beschloss kurzerhand, seinen bis dahin festen Laden zu schließen und bewusst an wechselnden Standorten immer wieder neu zu eröffnen. So eröffnete Vacant im Jahr 2000 in New York den bis dahin ersten Pop-up-Store. Der Store erzielte die gewünschte Wirkung, sodass andere Unternehmen die Idee übernahmen.
Der Sportartikelhersteller K-Swiss mietete sich 2008 mangels leer stehender Ladeneinheiten in Santa Monica, Kalifornien (USA), für einen Monat sogar in ein Geschäft ein, dessen Besitzer für diesen Zeitraum seinen Laden gewissermaßen untervermietete. Pop-up-Stores dienen sowohl der Distribution von Produkten und somit der Umsatzgenerierung als auch der Produktinszenierung, das heißt kommunikationspolitischen Zielen. Da Pop-up-Stores unkonventionelle Vertriebswege nutzen, werden sie als Guerilla-Distribution bezeichnet.
Adrian Joffe, Geschäftsführer von Comme des GarÇons, sagte in einem Interview in der Welt Online (2008) über Pop-up-Stores: „Nichts steht still – nur das Konzept und die Strategie bleiben dieselbe. Genau wie Guerilleros, die immer um Freiheit kämpfen, aber ihre Taktik währenddessen verändern.“ Die Stores überraschen den Kunden, da sie nicht in das erwartete Umfeld des Einzelhandels oder klassischer Vertriebsformen passen.
Wie beim Guerilla-Marketing sind die Platzierung (location), die Ausführung (execution) und der Zeitfaktor (temporal) für Pop-up-Stores von großer Bedeutung. Beispielsweise eröffnete Adidas 2011 einen Pop-up-Store in einem Kölner Hotel für lediglich zwei Tage. In einem Hotelzimmer lagen wild verstreut Adidas-Produkte, die gekauft werden konnten.