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Jobabbau und neue Tarifstruktur Niedriglöhne sollen Krisen-Konzern Karstadt retten

Die Warenhauskette Karstadt muss sparen. Wie aus internen Unterlagen hervorgeht, sollen deshalb Stellen abgebaut und ein Teil der Mitarbeiter in den schlechter bezahlten Tarif der Logistikbranche umgruppiert werden.

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Die größten Baustellen von Karstadt
Der neue Karstadt-Eigentümer René Benko übernimmt ein Unternehmen in der Krise. Die Karstadt-Warenhäuser schreiben rote Zahlen und kämpfen mit sinkenden Umsätzen. Ein Teil der Probleme ist auf den Strukturwandel im deutschen Einzelhandel zurückzuführen. Andere Schwierigkeiten sind hausgemacht. Welche Herausforderungen erwarten den Immobilieninvestor. Quelle: dpa
Übermächtige KonkurrenzDie Warenhäuser in Deutschland haben in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt massiv an Marktanteilen verloren. Denn Konkurrenten wie H&M, Zara und zuletzt Primark haben sich mit preiswerten, schnell wechselnden Kollektionen einen immer größeren Teil des Einkaufsbudgets der Verbraucher gesichert. Außerdem geht der Siegeszug der Einkaufszentren zulasten der Warenhäuser. „Alles unter einem Dach“ gibt es dort in der Regel in weitaus größerer Auswahl als in den Warenhäusern. Quelle: dpa
Schwaches Online-GeschäftDer Online-Handel ist zurzeit der mit Abstand größte Wachstumsträger im Einzelhandel. Doch auch hier kann Karstadt bislang mit der Konkurrenz nicht mithalten. Im Gegenteil: Während die meisten Online-Anbieter im vergangenen Weihnachtsgeschäft zweistellige Zuwachsraten verzeichneten, schrumpften die Verkäufe des Essener Unternehmens über das Internet. Quelle: dpa
Unklare MarkenpositionierungDer bis Ende 2013 amtierende Karstadt-Chef Andrew Jennings versuchte Karstadt mit der Brechstange ein jugendlicheres Image zu verpassen. Er wollte den Konzern stärker auf Mode ausrichten, setzte auf neue trendige Marken und gab ganze Sortimentsbereiche wie etwa Elektronik auf. Das verschreckte die ältere Stammkundschaft. Doch neue Zielgruppen wurden dennoch nicht im erhofften Umfang erreicht. Quelle: dpa
Verunsicherte MitarbeiterDie Unsicherheit der vergangenen Jahre und der schleichende Personalabbau in den Filialen ist an den Karstadt-Mitarbeitern nicht spurlos vorübergegangen. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert vor allem den bisherigen Eigentümer Nicolas Berggruen: „Die Beschäftigten sind von diesem angeblich sozialen Investor Berggruen bitter getäuscht worden“, sagt Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Wenn Benko die Karstadt-Mitarbeiter auf einem harten Sanierungskurs mitnehmen will, muss er das Vertrauen der Beschäftigten zurückgewinnen. Quelle: dpa
Großer InvestitionsstauDie meisten Handelsexperten sind sich einig, dass bei Karstadt in den letzten Jahren viel zu wenig investiert wurde. Heinemann schätzt den Investitionsstau sogar auf mindestens 1,5 Milliarden Euro. Soviel Geld wäre nach seiner Auffassung nötig, um das Unternehmen zukunftsfähig auszurichten - im stationären, wie im Internethandel. Quelle: ZB

Die Pläne für den Abbau von rund 2000 Stellen bei der angeschlagenen Warenhauskette Karstadt werden einem Zeitungsbericht zufolge konkreter. Bis 2016 soll die Zahl der Vollzeitbeschäftigten in den Filialen um 1271 auf 8170 reduziert werden, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf ein geheimes 32-seitiges Zukunftskonzept. Dadurch sollten die Personalkosten um 64 Millionen auf 308 Millionen Euro gesenkt werden.

Zudem sollten die Mitarbeiter in drei Gruppen aufgeteilt werden: Verkäufer, Kassierer und neu geschaffene Warenservice-Teams, die vor allem die Ware auspacken und in die Regale räumen sollen. Die Beschäftigten der Warenservice-Teams könnten dann nach den deutlich niedrigeren Tarifen für die Logistikbranche bezahlt werden, sagten Insider dem Blatt. Im Klartext: "Wer künftig Waren auspackt, könnte bald 300 Euro weniger im Monat verdienen", schrieb die SZ. Der bevollmächtigte Anwalt von Karstadt hat die Aussagen als "falsch" bezeichnet: "Es besteht nicht die Absicht und es wurde bis jetzt auch zu keinem Zeitpunkt gefordert, dass Mitarbeiter von Karstadt nach Tarifen der Logistikbranche bezahlt werden. Dies ist rechtlich innerhalb der bestehenden Struktur von Karstadt auch gar nicht möglich", heißt es in einer Erklärung.

Karstadts Krisen-Chronik

Modell Amazon

Vor solchen Plänen hatte die Gewerkschaft Verdi bereits gewarnt. Es sei kontraproduktiv, wenn Kundenberater künftig Regale auffüllten. Service und Beratung seien die Stärken eines Kaufhauses.

Einen ähnlichen Tarifkonflikt gibt es auch bei dem Versandhändler Amazon, der sich an den Regelungen der Logistikbranche orientiert. Verdi fordert jedoch den Einzel- und Versandhandel als Maßstab, der mehr bezahlt. Die Mitarbeiter haben deshalb bereits mehrfach gestreikt.

Karstadt gehört seit einem halben Jahr zum Imperium des Immobilienunternehmers René Benko. Nach Jahren des Niedergangs obliegt ihm die Aufgabe, die Wende herbeizuführen und den Konzern aus den roten Zahlen zu bringen. Erste Maßnahmen wie die Schließung unprofitabler Warenhäuser hat Benko bereits angestoßen.

Doch der Druck wächst weiter. Im wichtigen Weihnachtsgeschäft hat Karstadt weitere Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Der Gesamtumsatz der Kette habe in den Monaten November und Dezember um sechs Prozent unter dem Vorjahresniveau gelegen, gab der Konzern bekannt.

„Es besteht kein Zweifel daran, dass einschneidende personelle Veränderungen auf der Fläche in den Filialen und insbesondere auch im Service Center in Essen unausweichlich sind“, hatte Finanzvorstand Miguel Müllenbach deshalb Anfang Januar betont.

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