




Die Pläne für den Abbau von rund 2000 Stellen bei der angeschlagenen Warenhauskette Karstadt werden einem Zeitungsbericht zufolge konkreter. Bis 2016 soll die Zahl der Vollzeitbeschäftigten in den Filialen um 1271 auf 8170 reduziert werden, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf ein geheimes 32-seitiges Zukunftskonzept. Dadurch sollten die Personalkosten um 64 Millionen auf 308 Millionen Euro gesenkt werden.
Zudem sollten die Mitarbeiter in drei Gruppen aufgeteilt werden: Verkäufer, Kassierer und neu geschaffene Warenservice-Teams, die vor allem die Ware auspacken und in die Regale räumen sollen. Die Beschäftigten der Warenservice-Teams könnten dann nach den deutlich niedrigeren Tarifen für die Logistikbranche bezahlt werden, sagten Insider dem Blatt. Im Klartext: "Wer künftig Waren auspackt, könnte bald 300 Euro weniger im Monat verdienen", schrieb die SZ. Der bevollmächtigte Anwalt von Karstadt hat die Aussagen als "falsch" bezeichnet: "Es besteht nicht die Absicht und es wurde bis jetzt auch zu keinem Zeitpunkt gefordert, dass Mitarbeiter von Karstadt nach Tarifen der Logistikbranche bezahlt werden. Dies ist rechtlich innerhalb der bestehenden Struktur von Karstadt auch gar nicht möglich", heißt es in einer Erklärung.
Karstadts Krisen-Chronik
Mit seinem früheren Mutterkonzern Arcandor war Karstadt 2009 in die Insolvenz gerutscht. Im Juni 2010 stieg Investor Nicolas Berggruen ein. Von seinem Einspringen wurde die Wende erhofft. Die Chronik der Krise.
Für die wichtigsten Arcandor-Gesellschaften - darunter die Karstadt Warenhaus GmbH - wird am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 1. Dezember wird bekannt, dass zehn Karstadt-Standorte mit teils mehreren Häusern nach Angaben der Insolvenzverwaltung geschlossen werden sollen. Etwa 1200 Mitarbeiter sind betroffen.
Beim Essener Amtsgericht wird am 15. März ein Insolvenzplan vorgelegt. Am 12. April stimmen die Gläubiger dem Plan zu. Am 1. Juni haben von bundesweit 94 Kommunen bis auf drei bereits alle einem Verzicht auf die Gewerbesteuer zugestimmt. Die im Insolvenzplan geforderte Zustimmungsquote von 98 Prozent gilt damit als sicher. Nur sechs Tage später erhält die Berggruen Holding vom Gläubigerausschuss den Zuschlag zur Übernahme. Einen Tag später unterschreibt Berggruen den Kaufvertrag unter Vorbehalt. Berggruen fordert vom Karstadt-Standortvermieter Highstreet deutliche Mietsenkungen. Am 14. Juni endet eine erste Verhandlungsrunde zu den künftigen Mieten ohne Ergebnis. Am 20. Juni lehnt Berggruen ein Angebot von Highstreet über Mietsenkungen von mehr als 400 Millionen Euro ab.
Am 26. August hat sich Berggruen mit der Essener Valovis-Bank geeinigt: Die Bank hatte Highstreet ein Darlehen über 850 Millionen Euro gewährt und dafür im Gegenzug 53 Waren-, Sport- und Parkhäuser als Sicherheit erhalten. Man habe sich unter anderem darauf verständigt, dass Berggruen dieses Darlehen bis 2014 ablösen könne, heißt es. Am 2. September stimmen die Highstreet-Gläubiger den geforderten Mietsenkungen zu.
Am 30. September hebt das Essener Amtsgericht das Insolvenzverfahren auf. Damit erhält Berggruen zum 1. Oktober die Schlüsselgewalt für die Karstadt Warenhaus GmbH. 40.000 Gläubiger verzichten auf zwei Milliarden Euro. Die Belegschaft verzichtet auf 150 Millionen Euro.
23. November: Der frühere Woolworth-Manager Andrew Jennings wird zum neuen Karstadt-Chef bestellt. Er beginnt Anfang Januar 2011.
Jennings legt am 6. Juli das Konzept „Karstadt 2015“ vor: Modernisierung der Warenhäuser, stärkeres Online-Geschäft und Expansion der Sporthäuser sind der Kern.
Am 16. Juli kündigt Karstadt die Streichung von 2000 Stellen an.
Karstadt kündigt am 13. April 2013 eine „Tarifpause“ für die Beschäftigten an. Am 9. Juni bestätigt das Unternehmen, dass der Vertrag von Karstadt-Chef Jennings zum Jahresende ausläuft.
Im Februar kommt Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt nach Essen und übernimmt den Geschäftsführerposten. Am 7. Juli legt Sjösted nach nur fünf Monaten alle Ämter nieder. Als Grund dafür nennt sie, dass die „Voraussetzungen“ für den von ihr angestrebten Weg nicht mehr gegeben seien.
Der Österreicher René Benko kauft Karstadt im August für nur einen Euro. Der bisherige Eigentümer Nicolas Berggruen zieht sich komplett zurück. Die Sanierungsaufgaben bleiben gewaltig.
Modell Amazon
Vor solchen Plänen hatte die Gewerkschaft Verdi bereits gewarnt. Es sei kontraproduktiv, wenn Kundenberater künftig Regale auffüllten. Service und Beratung seien die Stärken eines Kaufhauses.
Einen ähnlichen Tarifkonflikt gibt es auch bei dem Versandhändler Amazon, der sich an den Regelungen der Logistikbranche orientiert. Verdi fordert jedoch den Einzel- und Versandhandel als Maßstab, der mehr bezahlt. Die Mitarbeiter haben deshalb bereits mehrfach gestreikt.
Karstadt gehört seit einem halben Jahr zum Imperium des Immobilienunternehmers René Benko. Nach Jahren des Niedergangs obliegt ihm die Aufgabe, die Wende herbeizuführen und den Konzern aus den roten Zahlen zu bringen. Erste Maßnahmen wie die Schließung unprofitabler Warenhäuser hat Benko bereits angestoßen.
Doch der Druck wächst weiter. Im wichtigen Weihnachtsgeschäft hat Karstadt weitere Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Der Gesamtumsatz der Kette habe in den Monaten November und Dezember um sechs Prozent unter dem Vorjahresniveau gelegen, gab der Konzern bekannt.
„Es besteht kein Zweifel daran, dass einschneidende personelle Veränderungen auf der Fläche in den Filialen und insbesondere auch im Service Center in Essen unausweichlich sind“, hatte Finanzvorstand Miguel Müllenbach deshalb Anfang Januar betont.