Jobs bei Aldi, Lidl & Co 50.000 Stellen im Handel sind unbesetzt

Lidl möchte in seinen Auszubildenden zukünftig eine Mindestvergütung von 1000 Euro im Monat zahlen. Die großen Handelsketten suchen dringend Personal. Quelle: REUTERS

Deutschlands große Handelsketten suchen händeringend nach Personal. Im Kampf um Nachwuchs will der Discounter Lidl seinen Auszubildenden künftig sogar eine Mindestvergütung von 1000 Euro pro Monat zahlen.

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Stellenstreichungen bei Banken, Jobverluste bei Autozulieferern, mehr Kurzarbeit in der Industrie – in den vergangenen Monaten häuften sich die schlechten Nachrichten vom deutschen Arbeitsmarkt. Doch zumindest der Einzelhandel – mit 3,1 Millionen Arbeitnehmern eine der beschäftigungsintensivsten Branchen des Landes – sucht weiter händeringend nach Personal.

Darauf deutet eine Studie EHI Retail Institute hin, laut der aktuell knapp 50.000 offene Stellen von den 50 größten Handelsunternehmen in Deutschland ausgeschrieben werden. „Der Handel sucht Personal, und zwar viel“, konstatiert EHI-Personalexpertin Ulrike Witt. „Vor allem in den Filialen werden Fachkräfte händeringend gesucht“. Mit einer Onlinebefragung und Experteninterviews bei Personalverantwortlichen der Branche hat das EHI die Personalsituation im Handel unter die Lupe genommen. Das Resultat: Die Personalverantwortlichen geben an, dass es schwierig (46 Prozent) oder sogar sehr schwierig (42 Prozent) sei, geeignetes Fachpersonal für die Filialen zu finden. Dazu zählen neben Einzelhandelskaufleuten und Kassenpersonal zum Beispiel auch Metzgerei-, Bäckereifachverkäufer und -verkäuferinnen. Auch die Suche nach Auszubildenden auf der Fläche gestaltet sich schwierig (42 Prozent) oder sehr schwierig (33 Prozent).

Das bekommt offenbar auch der Discounter Lidl zu spüren. Das Unternehmen will seinen Auszubildenden ab 2020 eine Mindestvergütung von 1000 Euro monatlich zahlen, kündigte der für Deutschland zuständige Lidl-Personalchef Jens Urich in der „Welt am Sonntag“ an. Zuvor hatte Urich bereits gegenüber der WirtschaftsWoche auf den wachsenden Mitarbeiterbedarf hingewiesen. „Flächen und Umsätze steigen“, daher „brauchen wir starke Teams in den Filialen, wo unser Bedarf am größten ist, aber auch in den Logistikzentren und hinter den Kulissen in den Verwaltungen, beispielsweise in den Immobilienabteilungen, im Einkauf, in der IT, im Personalbereich“, so Urich. Ganz ähnlich sieht es beim wichtigsten Lidl-Wettbewerber Aldi aus. Bei Aldi Nord sei man „stets auf der Suche“ nach qualifizierten Mitarbeitern, teilt das Unternehmen mit. „Wir suchen sowohl Managementnachwuchsführungskräfte als auch gute Filialleiter, aber auch Mitarbeiter für die unterschiedlichen Fachbereiche.“ Bei Aldi Süd starteten jedes Jahr rund 2000 Azubis ins Berufsleben. Ein großer Teil von ihnen absolviert eine Ausbildung als Verkäufer und Kaufmann im Einzelhandel. „Führungspositionen in den Filialen versuchen wir vorzugsweise mit eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu besetzen, aber natürlich ist auch hier immer Bedarf an neuen Kollegen“, sagt ein Unternehmenssprecher. Gleichzeitig „sind wir immer auf der Suche nach Fachkräften“, etwa für den Standort in Mülheim an der Ruhr.

Laut der EHI-Studie erhalten die Personalverantwortlichen im Schnitt 19 Bewerbungen pro offener Stelle. Bis zur Besetzung der Stellen vergehen durchschnittlich neun Wochen. Wenn Stellen unbesetzt bleiben, liegt dies vor allem an einer zu geringen Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber. Das sagen 59 Prozent der Befragten in Bezug auf die Zentralen und sogar 83 Prozent bezogen auf die Filialen. Als weitere Gründe für die Nichtbesetzung von Stellen in den Filialen werden unter anderem die Arbeitszeiten (79 Prozent), die Vergütung (75 Prozent) und das Image des Einzelhandels (67 Prozent) genannt.

Beim Branchenverband HDE kennt man derlei Vorbehalte vor allem beim Nachwuchs, verweist aber auch darauf, dass allein in den beiden Kernberufen des Einzelhandels ‚Kaufleute im Einzelhandel‘ und ‚Verkäufer‘ jährlich zehn Prozent aller Ausbildungsverträge geschlossen werden. So wurden nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zwischen Oktober 2018 und August 2019 knapp 36.000 Ausbildungsstellen für künftige Kaufleute im Einzelhandel sowie über 21.600 für Verkäufer angeboten. Auch viele Führungspositionen müssten absehbar nachbesetzt werden. Nachwuchskräfte könnten so in den kommenden Jahren schnell in Führungsverantwortung kommen, heißt es beim HDE.
Dass sich die Situation schnell ändert und auch im Handel im großen Stil Jobs gestrichen werden, gilt Experten dagegen als unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Aufgrund der Erfahrungen der letzten Quartale gehe man davon aus, dass die Beschäftigtenzahlen weiterhin moderat zunehmen werden, heißt es beim HDE. „Für eine Stagnation oder sogar einen Rückgang der Arbeitnehmerzahlen gibt es derzeit keine Anhaltspunkte.“

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