Jubiläum Die goldenen Aldi-Regeln des Erfolgs

Aldi wird 100 – und die Unternehmenshistorie ist längst selbst Legende: Aus einem Bäckerladen in Essen-Schonnebeck zimmerte die Familie Albrecht ein weltumspannendes Billigimperium und folgte dabei ein paar ebenso einfachen wie erfolgreichen Regeln.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Aufstieg zur Weltmacht begann beschaulich: Heute vor 100 Jahren, am 10. April 1913, eröffnete der Bäcker Karl Albrecht in der Essener Huestraße einen „Handel mit Backwaren“. Bald schon machte Karls Ehefrau Anna daraus einen kleinen Lebensmittelladen. Der Rest ist längst Wirtschaftsgeschichte. 1945 übernehmen die Albrecht-Söhne Karl und Theo den Laden, entwickeln in den 60er Jahren das Discount-Konzept, teilen ihr Reich in Aldi-Nord und –Süd und starten einen sagenhaften Siegeszug rund um den Globus.

Zieht Lidl an Aldi vorbei? Die Infografik zeigt alle Aldi-, Lidl- und Kaufland-Standorte in Europa - und wo das Potenzial für die Supermärkte der Schwarz-Gruppe besonders groß ist.

Heute gibt es weltweit knapp 10.000 Aldi Filialen, allein in Deutschland rund 4300. So gut wie jeder Deutsche besucht mindestens einmal im Jahr eine Filiale des Billigprimus‘ und steuert ein paar Euro zum Gesamtumsatz von rund 65 Milliarden Euro bei. Doch was ist die Basis des Erfolgs?

So simpel wie möglich

Der frühere Aldi-Nord-Manager Dieter Brandes hat in zahlreichen Büchern die Erfolgsrezepte des Kultdiscounters aufgedröselt. Der Kern: Einfachheit. Während die Konkurrenz fusioniert, aufkauft oder neue Handelsformen entwickelt, gehen die Brüder konsequent ihren eigenen Weg: Sie wachsen organisch, halten das Sortiment extrem überschaubar, verzichten auf opulente Regale und verschachtelte Hierarchien. Reduktion auf das Wesentliche ließe sich das Prinzip auch umschreiben. Denn einfache Prozesse, die störungsfrei ablaufen, sind die Grundlage für eine im Handel unschlagbare Kombination: höchstmöglicher Qualität zu günstigen Preisen.

Diese Rolle spielt Aldi im Einzelhandel

Gleich zu Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit setzen die Brüder auf den Preis als wichtigstes Einkaufskriterium. So locken die Brüder mit einem Grundnahrungsmittel, das sie bis heute konkurrenzlos billig verkaufen: Butter. Anstatt teure Kühlgeräte anzuschaffen, lassen sie die leicht verderbliche Ware nach Ladenschluss in den kühlen Keller schaffen. 1953 hielt Karl Albrecht auf einem Treffen des Lebensmittelverbandes einen Vortrag. Das ist im Übrigen wohl auch die einzige überlieferte geschäftliche Äußerung der Albrechts.

Billig, billig, billig


Wer hinter No-Name-Produkten steckt
Ostmann-GewürzeMartina Schneider, Autorin des Buches "Welche Marke steckt dahinter?", schreibt, dass sich die Billig-Klone der Markenprodukte für die Unternehmen lohnen: Sie können ihre Produktionskapazitäten voll ausschöpfen und haben ein zweites Standbein. Allerdings sind die Billigmarken, oft auch vertrieben durch Tochterunternehmen, nicht das Lieblingsthema der Unternehmen. Die Gefahr, dass die Kunden statt auf das Original auf die billige Kopie zurückgreifen, ist zu hoch. So spart ein Kunde, der Kräuter oder Gewürze der Marke Basta kauft, 80 Prozent gegenüber den Ostmann-Gewürzen. Dabei kommen die Würzmischungen aus dem gleichen Haus. Einziger Unterschied: Verpackung und Preis. Basta-Gewürze werden übrigens bei der Supermarktkette Norma vertrieben. Quelle: Screenshot
Gallo Cabernet SauvignonÄhnlich hoch ist die Ersparnis für Kunden, die statt dem "Gallo Cabernet Sauvignon" auf den Wein der Marke "Burlwood Cabernet Sauvignon" bei Aldi kaufen. Der Wein stammt vom selben Familienunternehmen in Californien, kostet bei Aldi aber rund 70 Prozent weniger.
ZentisDer Marmeladen- und Konfitürenhersteller Zentis produziert auch für die Rewe-Marke "Ja!". Kunden, die zur Ja!-Marmelade oder Schokocreme greifen, bezahlen für das gleiche Markenprodukt also deutlich weniger. Der Grund für die krassen Preisunterschiede ist die starke Marktposition der Discounter gegenüber den Herstellern. Aldi, Rewe und Co können Unternehmen wie Zentis zwar nicht den Preis für die hauseigenen Marken, wohl aber den Preis für die Billigmarmelade vorschreiben. Quelle: dpa/dpaweb
ToastSo kostet das Label Golden Toast von Lieken rund 59 Prozent mehr als das Lidl-Produkt "Grafschafter Butter Toast" der Firma Kornmark - dabei ist Kornmark eine Tochterfirma von Lieken. Es handelt sich also um dasselbe Weißbrot. Unter dem Namen "Mühlengold Buttertoast" verkauft die Firma Lieken ihren Toast übrigens auch beim Discounter Aldi. Quelle: Screenshot
Dickmann'sAuch das Unternehmen Storck produziert seine "Super Dickmann's" und "Schokostrolche" nicht nur unter dem eigenen Label. Das Aldi-Produkt "Scholetta Mini Schokoküsse" kommt aus der gleichen Fabrik wie alle anderen Storck-Süßigkeiten. Zu denen gehören neben Dickmann's übrigens auch Nimm2, Werther's Echte und Storck Riesen. Quelle: Screenshot
Leibniz-Kekse & CoAuch die Firma Bahlsen produziert zweigleisig: Hinter Aldis "Van Botta Keksen" versteckt sich der "Leibniz"-Keks, die "Bahlsen Waffeletten" tarnen sich beim Discounter als "Favorini Zartes Waffelgebäck" und auch die billigen Schoko-Waffelröllchen der Firma Choco Bistro stammen aus dem Hause Bahlsen. Quelle: dpa
Müller MilchreisGleiches gilt für den Milchreis der Firma Müller, der getarnt als "Gut und Günstig" bei Kaufland im Regal steht. Und auch bei Aldi gibts den Original Müller Milchreis unter anderem Namen zu kaufen - zum halben Preis. Quelle: Screenshot

Der Kernsatz des Vortrags: „Unsere ganze Werbung liegt im billigen Preis.“ Für Werbeagenturen, Unternehmensberater und Marktforscher wird bei Aldi vergleichsweise wenig bis gar nichts ausgeben, wenngleich die Unternehmen zumindest in Sachen Werbung inzwischen aufgestockt haben. Doch nach wie vor gilt im deutschen Handel ein ungeschriebenes Gesetz: Niemand unterbietet Aldi beim Preis. Wer es doch wagt, musste in der Vergangenheit mit gnadenlosen Preisschlachten rechnen. Das Image von Aldi als Billigheimer hat sich denn auch tief in das kollektive Bewusstsein der Deutschen gebrannt.

Wann stößt Lidl den Kontrahenten Aldi vom Thron? (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Bei der Qualität gibt sich Aldi derweil kompromisslos. Ständig werden die Aldi-Kreationen in eigenen Labors und bei unabhängigen Instituten kontrolliert. Fällt ein Urteil der Stiftung Warentest negativ aus, kann es passieren, dass ein Lieferant ausgelistet wird. Natürlich setzen auch die Wettbewerber auf Qualität. Doch hier kommt wiederum das Kernmotiv des Aldi-Erfolgs – die Einfachheit – zum Tragen. Während die Rivalen Tausende Artikel überwachen müssen, ist es bei Aldi nur ein Bruchteil.

Dass der Erfolg von Dauer war, liegt an zwei weiteren Eigenschaften die das Unternehmen wie die Gründerfamilie auszeichnen: Bescheidenheit und Schweigsamkeit. Die Eskapaden der Superreichen sind den Albrechts fremd. Zumindest ist über Yachten, Villen und Luxustripps bisher nichts nach außen gedrungen. Auch unternehmerische Hybris – gewagte Expansionen, Übernahmen oder prunkvolle Konzernzentralen sucht man im Aldi-Reich vergebens.

Der Gewinn wird solide in das Kerngeschäft investiert oder für schwere Zeiten gebunkert. Zum Mythos Aldi gehört indes auch die Schweigsamkeit, wobei sich das selbstauferlegte Gelübde zumindest im Süden langsam lockert. Die Familie schweigt unterdessen eisern weiter, selbst über die 100-jährige Erfolgsgeschichte.

 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%