Kaffee Kaffeekonsum in der Nische - Spezialröstereien sehen sich im Aufwind

Beim Kaffee hoffen viele auf große Geschäfte. Ob in Bremen, Köln, Berlin - in den letzten Jahren haben zahlreiche Cafés mit Rösterei aufgemacht. Aber ist selbst produzierter Kaffee aus fairem Handel immer die beste Wahl?

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Hanspeter Hagen. Quelle: dpa

Es ist eine Mischung aus Kaffeekunst und Kommerz. Das Heilbronner Kaffeehaus Hagen in einer früheren Fabrik für Schuhmaschinen widmet sich gleich auf mehreren Etagen dem koffeinhaltigen Heißgetränk. Neben Kaffeetüten werden Dutzende Maschinenarten und passende Einrichtungsgegenstände angeboten.

Hinten im Lager, an Unmengen von Kaffeesäcken vorbei, steht eine riesige Röstmaschine, in der die Bohnen bei großer Hitze bearbeitet werden. Der Inhaber des Familienbetriebs, Hanspeter Hagen, strahlt übers ganze Gesicht. Der Laden laufe gut, sagt der 72-Jährige: „Die Menschen wissen unser regionales Produkt wertzuschätzen.“

Zehn Dinge, die Sie noch nicht über Kaffee wussten
Brasiliens Anbaufläche ist geschrumpft. Von 2 402 993 Hektar im Jahr 1970 auf 2 148 775 Hektar 2011. Dennoch ist es auch weiterhin mit großem Abstand der nach Fläche größte Produzent von Rohkaffee weltweit, es folgten 2011 mit 1293000 Hektar Indonesien und Kolumbien schon nur noch mit weniger als einem Drittel der Fläche Brasiliens, 739 413 Hektar. Quelle: AP
Trinken Sie Ihren Kaffee. Warmhalten ist nämlich schlecht. Der PH-Wert von Kaffee sinkt kontinuierlich. Beträgt er laut eines Versuchs des Westdeutschen Rundfunks zu Beginn noch 5,28, sinkt er nach einer Stunde auf 4,93 und nach drei Stunden auf der Warmhalteplatte nur noch 4,90. Unklar ist, ob das für Röstkaffee ebenso gilt wie für löslichen – fest steht aber, dass aus 100 Kilogramm Kaffeefrüchten 14 Kilo Röstkaffee produziert werden, aber nur neun Kilogramm löslicher Kaffee. Quelle: ZBSP
Eine Tasse Kaffee hat etwa 0,18 Liter Inhalt. Um eine Tasse Kaffee zu produzieren, sind bis zu dem Moment, in dem er getrunken wird, 140 Liter virtuelles Wasser nötig. Der weltweite Kaffeekonsum benötigt eine Wassermenge, die 1,5 mal so hoch ist, wie die Menge, die jährlich den Rhein hinabfließt: 120 Billionen Liter. Wer noch Milch dazu tut: Ein Liter Milch verbraucht 1000 Liter Wasser laut Vereinigung deutscher Gewässerschutz und ein Kilo Zucker 1500 Liter. Quelle: dpa
Reden wir über Geld. Arabica gilt gemeinhin als die wertvollere Sorte im Vergleich zu Robusta. Im Kilo kostet er konventionell und gewaschen mindestens 2,34, Bio-Kaffe hingegen 2,84. Robusta hingegen konventionell 1,76 das Kilo und Bio 2,26. Wer den Robusta jedoch vorschnell als Billigsorte abtut, ignoriert, dass ein Großteil der Espressomischungen für italienische Bars einen guten Prozentsatz Robusta enthält, auch, weil er dann zuverlässiger gelingt. Quelle: dpa
Wer ist Barista-Weltmeister? Welches Land stellt Ende 2013 die durch die „Specialty Coffee Association of Europe“ meisten Barista, die eine Prüfung mit Kaffeewissen und Anwendung ablegen müssen? Richtig. Südkorea. Mit 58. Ach, nicht Italien? Nein, nur 19, da hat Deutschland mit 27 mehr! Platz drei nach Deutschland geht übrigens in die Schweiz mit 24 zertifizierten Baristas. Die USA hat einen – gut, ist ja auch nicht Europa. Quelle: dpa
Dass die Kaffeekultur in den USA nicht allein durch Starbucks geprägt wird, ist jedem Reisenden mit offenen Augen klar. Sie trinken in absoluter Menge auch den meisten. 22 238 000 Säcke a 60 Kilogramm Rohkaffee haben die USA 2012 verbraucht, die Brasilianer kaum weniger mit 20 330 000. Doch dann auf Platz drei: Die Deutschen mit 8 830 Säcken a 60 Kilo. Was aber auch immer auf Madagaskar los ist: Die haben mit 425 Prozent den höchsten Anstieg im Kaffeekonsum zwischen 2000 bis 2012. Quelle: AP
Wer sind diese Menschen? Wo wohnen sie, was tun sie? 0,3 Prozent der Deutschen trinken ein mal pro Monat Kaffee. Ein Prozent immerhin einmal die Woche. Doch die größte Gruppe mit 50,3 sind diejenigen, die täglich mehrfach Kaffee trinken. Quelle: dpa

Das Kaffeehaus Hagen zählt zur Branche der Spezialröstereien, die seit einigen Jahren im Aufschwung sind. Vor 50 Jahren grassierte unter den Häusern wegen industrieller Konkurrenz ein Massensterben, von 2000 sank die Zahl Schätzungen zufolge auf unter 100.

Inzwischen, so berichtet der Deutsche Kaffeeverband, sei man wieder bei knapp 600 angekommen. Das sind 95 Prozent aller Röstereien hierzulande, die laut Verband aber nur drei bis vier Prozent des Röstkaffees produzieren. Es ist eine kleinteilige Nischenbranche.

Dass die Röstereien trotzdem beliebt sind, liegt nach Einschätzung des Stuttgarter Wirtschaftswissenschaftlers Henry Schäfer am Trend zur Regionalität im Konsumverhalten. Viele Verbraucher wollten lieber Obst und Gemüse vom Bauern aus dem Umland haben. Beim Kaffee sei das ähnlich - die Bohnen kämen zwar aus fernen Ländern, durch die Röstung vor Ort werde aber das Gefühl vermittelt, etwas Regionales zu haben.

Wo überall Koffein drinnen ist
Marc Miller zeigt in einem Lager im Hamburger Hafen zwischen Kaffeesäcken enige Bohnen Quelle: dpa/dpaweb
TiramisuWeil Kaffee in vielen Süßwaren verarbeitet wird, enthalten diese auch Koffein. So zum Beispiel auch im Tiramisu, dass im Originalrezept mit Espresso zubereitet wird. Der Koffeingehalt von Espresso liegt meistens zwischen 100 und 120 Milligramm auf 100 Milliliter des Getränks. Im Espresso befindet sich also deutlich mehr Koffein als in der selben Menge Filterkaffee. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Eine Mitarbeiterin des Schokoladenherstellers Fassbender und Rausch beisst in eine Edel-Bitter-Schokolade Quelle: dapd
ShampooGegen Haarausfall soll das Allheilmittel Koffein angeblich auch wirken. Etliche Shampoo-Hersteller haben sich zumindest entsprechende Produkte auf den Markt gebracht. Doch die Wirkung ist umstritten. Untersuchungen im Labor haben lediglich gezeigt, dass das Wachstum und die Energieversorgung der Zellen geregt wird, sofern reines Koffein direkt auf die Haarwurzel geträufelt wird. Unklar ist etwa, wie hoch die Konzentration an Koffein sein muss, die die Haarwurzel durch das Shampoo erreicht. Quelle: obs
Baseball-Spieler Justin Upton bläst eine Kaugummiblase Quelle: AP
Im traditionellen Gewand aus Mali schenkt ein Tuareg in Würzburg in einem Zelt Tee ein Quelle: dpa
Screenshot der Homepage von Nestea Quelle: Screenshot

Die Spezialröstereien bedienten zudem den Wunsch des Konsumenten, eine gute Sache zu unterstützen - etwa wenn die Betriebe ihre Bohnen nicht aus dem Großhandel, sondern von Kleinbauern in Zentralamerika und anderen Anbauregionen bezögen und dort faire Arbeitsbedingungen ermöglichten. „Das zahlt der Konsument über seinen Geldbeutel mit - ein gutes Gefühl bekommt er obendrauf“, sagt Schäfer.

Es gibt aber auch Zweifel, ob dieser Kaffee tatsächlich nachhaltiger ist als der aus dem Supermarkt. „Kaffee hat einen signifikanten ökologischen Fußabdruck“, sagt der Oldenburger Umweltökonom Niko Paech. Wer etwas für die Nachhaltigkeit tun wolle, sollte den Konsum an sich einschränken. Den Hype um Spezialitäten-Kaffee hält er für modernen Hedonismus. „Es gehört zur Selbstdarstellung, sich mit einem Produkt zu schmücken, das krass anders ist.“

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