Kaffee-Kultur Der „Coffee to go“ erregt Italien

Kaffeetrinken in Italien folgt einem fast schon religiösen Ritual. Doch auch im Ursprungsland der Espresso-Kultur sind immer mehr Menschen mit Coffee to go in der Hand unterwegs. Manch einer hält das für frevelhaft.

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Ein Espresso in einem Pappbecher zum Mitnehmen ergibt für viele Italiener nur wenig Sinn. Quelle: dpa

Rom Tassen klappern, die Espressomaschine zischt. Den Bon für den „Caffè“ legen Männer im Anzug mit Aktentasche genauso wie eine Frau mit löchrigen Jeans auf den Tresen des Cafés Sant'Eustachio im Zentrum von Rom. Seit fast hundert Jahren stehen Einheimische und Touristen mit einem Espresso vor sich an der Bar. Neu ist hingegen, dass der junge Barista aus dem Stimmengewirr inzwischen häufiger die Wörter „da asporto“, zum Mitnehmen, hört.

„Seit rund einem Jahr bieten wir Coffee to go an“, sagt Federica Ricci. Sie koordiniert in dem Café nahe dem Pantheon den Verkauf. Auch die Italiener finden immer weniger Zeit, für einen Kaffee an der Bar Platz zu nehmen, erzählt sie. Deswegen werde der Trend zum Mitnehm-Kaffee weiter zunehmen.

Ähnliches berichten sie auch im Traditionscafé La Casa del Caffè Tazza d'Oro auf der anderen Seite des Pantheons. Seit der Gründung gehen hier Espressi to go über den mit Holz vertäfelten Tresen. Doch für die Mitarbeiterin Laura Birrozzi passt der Kaffee im Einwegbecher nicht so recht zur italienischen Kaffeekultur: „Ein Coffee to go ist ein schneller Kaffee, aber kein italienischer“, sagt sie.

Im Ursprungsland des Espresso folgt das Kaffeetrinken festen Regeln: Das kleine Tässchen muss auf rund 40 Grad vorgewärmt sein, und ein Glas Wasser gibt es gratis dazu. Der Kaffeeröster Vergnano hat ermittelt, dass die meisten Italiener vier Mal täglich ihr kleines Ritual begehen – und am heiligsten ist ihnen dabei der „kleine Schwarze“. Beim Aufbrühen bildet sich oben nur kurzzeitig eine leichte Creme. Der Espresso muss also schnell getrunken werden.

Darum würden sich für den Kaffee zum Mitnehmen eher andere Sorten, wie der Americano, eignen, erklärt der Geschäftsführer des italienischen Kaffee-Konzerns Illy, Massimiliano Pogliani, der Deutschen Presse-Agentur. Denn der verlängerte Espresso behält seinen typischen Geschmack einige Zeit. Für den perfekten Espresso müsse einiges stimmen: Die Qualität der Bohnen, das Können des Barista und das Serviergefäß. Es mache einen großen Unterschied, ob die Lippen auf „samtig-seidenem Porzellan“ aufliegen oder auf „kratzig-rauen Materialien“, sagt Pogliani. Er zweifelt aber nicht daran, dass Coffee to go in verschiedenen Varianten in Italien beliebter wird. „Für die Zukunft gehen wir von einer wachsenden Nachfrage aus.“

Ausdruck für die sich wandelnde Kaffee-Kultur in Italien ist auch das Engagement der US-Kaffeehauskette Starbucks. Im kommenden Jahr soll in Mailand die erste Rösterei auf europäischem Boden entstehen und zudem die erste Filiale in Italien. Kulturschützer sehen darin einen Angriff auf die einheimische Kaffeetradition.

Im Gegensatz zu Italien ist in Deutschland sowohl Starbucks als auch der Coffee to go längst etabliert. Mittlerweile ist man sich hierzulande auch der Folgen für die Umwelt bewusst, denn die täglich rund 7,6 Millionen Coffee to go-Becher werden in Deutschland zum Problem, heißt es in einer von der Deutschen Umwelthilfe veröffentlichten Studie von 2015. Städte wie Freiburg steuern bereits dagegen, indem sie ein Pfandsystem für die Einwegbecher entwickeln.

In Italien ist das Bewusstsein dafür noch nicht wirklich angekommen. „Für viele Italiener sind Wegwerfbecher ein Teil ihres Alltags – zum Beispiel beim Picknick“, sagt Serena Maso von Greenpeace Italia. Becher aus Pappe wären besser, „doch unser Ziel ist es, die Wegwerf-Kultur auszurotten“. Und auch sonst gibt es Einwände gegen den schnellen Schluck zum Mitnehmen: „Einen Espresso zu trinken, dauert 30 Sekunden“, sagt der Student Dario Ambrosio. „Diesen im Becher to go zu verkaufen, ist genauso überflüssig, wie jemandem Eis am Nordpol andrehen zu wollen.“

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