Harf, mittlerweile dynamische 70 Jahre alt, riskiert anders als die meisten angestellten Manager für diesen Plan nicht nur das Vermögen anderer Leute. Fast sein kompletter Besitz steckt in JAB und ebenso das Geld seiner Co-Chefs Lambertus „Bart“ Becht aus den Niederlanden und des Franzosen Olivier Goudet, die zusammen rund acht Prozent von JAB im Wert von 1,6 Milliarden Euro halten. Zwar erinnert er mit seinen bunten Hemden und dem rheinisch lockeren Nuscheln eher an Zocker im grauen Kapitalmarkt. Aber Harfs Vita ist eine der solidesten Erfolgsgeschichten der deutschen Industrie. Der gebürtige Kölner, einst Jahrgangsbester an der Universität Köln und Anfang der Siebzigerjahre einer der wenigen Deutschen an der Harvard Business School, entwickelte einen untrüglichen Riecher für profitable Investments.
Nun sagt er über die Eroberung des Kaffemarktes: „Es ist das ideale Geschäft für uns.“ Dafür sorgt etwa das hohe Wachstum. Laut einer Übersicht des führenden Konsumforschers Euromonitor wird der Umsatz künftig fast unabhängig von der Konjunktur im Schnitt um jährlich gut vier Prozent wachsen. Dafür sorgen nicht nur neue Märkte in Teeländern wie China und Indien, die zweistellig zulegen. Anders als bei anderen Konsumartikeln steigt beim Kaffee auch in den Industrieländern der Umsatz.
Zwar trinken Europäer und Amerikaner kaum mehr Tassen, aber sie lassen sich jede einzelne immer mehr kosten. Coffeeshop-Kultur, Kapselmaschinen oder der Boom des Premiumsegments: 80 Euro pro Kilo sind keine Seltenheit. Die Herstellungskosten liegen mitunter nur bei der Hälfte des Verkaufspreises.
Jedes Land hat andere Vorlieben
Neben den hohen Aufpreisen lockt Harf, dass im Geschäft mit Mokka, Espresso oder Schümli bislang fast ausschließlich Mittelständler und nationale Marken dominieren. Jedes Land hat andere Vorlieben bei Geschmack, Stärke und Portionsgröße. Gelten in den USA und Skandinavien Gebinde unter einem Viertelliter als Witz, nennen die an Miniportionen gewohnten Genießer aus Mittelmeerstaaten das dünne Groß-Gebräu der Nordländer verächtlich „Americano“ und halten die in China populären Aromazutaten für Barbarei.
Lokale Marken statt einheitlichem Welthandel
Diese Unterschiede verhinderten auch den Aufstieg von Nestlé und Starbucks zu echten Weltmarktführern. „Den Amerikanern sind Kapselportionen zu klein, und westlich des Urals gilt löslicher Kaffee mit seinem vergleichsweise schlichten Aroma als Notlösung“, sagt der Chef eines Kaffeeherstellers, der lieber anonym bleiben will. „Starbucks ist in Entwicklungsländern zu teuer, und vor allem in Europa drängen die lokalen Ketten und Bäckereien Starbucks an den Rand.“ Darum lautet Harfs wichtigster Ansatz: keine Weltmarke bauen. Stattdessen soll die Holding immer mehr lokale Marken wie beim Puzzle zusammenfügen, bis daraus ein weltweites Kaffeereich wird.
Ausgedacht haben sich das die drei Partner genannten JAB-Chefs Harf, Goudet und Becht. Goudet hatte die Idee vor gut zehn Jahren als Finanzvorstand von Mars. Als die Inhaberfamilie des Schokoriegelkonzerns ihr Imperium partout nicht um Kaffee erweitern wollte, redete Goudet darüber mit Harf; man kannte sich aus dem Verwaltungsrat des belgisch-brasilianischen Brauriesen Anheuser-Busch Inbev. Harf biss an und holte Goudet 2012 zu JAB, wo beide die Idee mit Becht in langen Gesprächen durchkneteten. Und da Harf in New York und Mailand lebt, Becht in London und Goudet bei Washington gab es vor allem Telefonate, meist längere, klagt Harfs Frau, die Schriftstellerin Tina Grube („Männer sind wie Schokolade“): „Besonders wenn Olivier anruft, muss ich meist das Essen warm stellen.“