Kaffee Wie die Reimanns gegen Starbucks und Nestlé antreten

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Manager zu Eigentümern

Harf, mittlerweile dynamische 70 Jahre alt, riskiert anders als die meisten angestellten Manager für diesen Plan nicht nur das Vermögen anderer Leute. Fast sein kompletter Besitz steckt in JAB und ebenso das Geld seiner Co-Chefs Lambertus „Bart“ Becht aus den Niederlanden und des Franzosen Olivier Goudet, die zusammen rund acht Prozent von JAB im Wert von 1,6 Milliarden Euro halten. Zwar erinnert er mit seinen bunten Hemden und dem rheinisch lockeren Nuscheln eher an Zocker im grauen Kapitalmarkt. Aber Harfs Vita ist eine der solidesten Erfolgsgeschichten der deutschen Industrie. Der gebürtige Kölner, einst Jahrgangsbester an der Universität Köln und Anfang der Siebzigerjahre einer der wenigen Deutschen an der Harvard Business School, entwickelte einen untrüglichen Riecher für profitable Investments.

Das Imperium der Familie Reimann
Calgon Quelle: dapd
Reckitt BenckiserDer britische Reinigungsmittelhersteller ist der wachstumsstärkste und profitabelste Konzern der Branche und die weltweite Nummer eins im Geschäft mit Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln. Die Familie Reimann ist wesentlich an Reckitt beteiligt. Kaum ein Industriellenclan ist verschwiegener. Kaum einer scheffelt derzeit mehr Geld mit seinem Reich, auch wenn man laut eigener Aussage die Hälfte der Dividenden spendet. Quelle: Presse
ClerasilZu den bekanntesten Marken von Reckitt Benckiser gehört Clearasil, eine Hautpflegeserie gegen Pickel und Akne. Die Marke ist seit 2006 Teil des Reckitt Benckiser-Portfolios durch die Akquisition von Boots Healthcare. Quelle: Presse
Kaffee-ImperiumAuch im Kaffeegeschäft mischt die Familien Reimann mit. Erst im Dezember 2012 kaufte die Familie Caribou Coffee für 340 Millionen Dollar, zuvor Peet’s Coffee & Tea für eine Milliarde Dollar. 2013 übernahm ein Konsortium unter Führung der Familienholding JAB den niederländischen Kaffee- und Teehersteller DE Master Blenders („Jacobs“, „Senseo“). Quelle: dpa
Keurig Grenn MountainIm Dezember 2015 gelingt den Reimanns der große Coup: Für 14 Milliarden Dollar übernimmt ihre Holding JAB den Kaffeekapsel-Produzenten Keurig und wird damit zu einem Rivalen von Platzhirsch Nespresso. Quelle: REUTERS
 Steffen Seifarth, Coty Regional Vice President, und Model der Chloé-Kampagne nehmen den DUFTSTAR Publikumspreis entgegen. Quelle: Fragrance Foundation Deutschland e.V. Quelle: Pressebild
JAB LuxuryDie Reimann gehörende österreichische Holding Labelux konzentriert sich auf Luxusmarken. Seit 2007 kauft die Holding einen Luxusgüterkonzern zusammen. Der Schweizer Lederwarenhersteller Bally gehört neben der Schmuckmanufaktur Solange und dem italienischen Lederwarenhersteller Zagliani bereits dazu. Im Juli 2008 wurde die US-amerikanische Modemarke Derek Lam übernommen, im Mai 2011 der US-Schuhhersteller Jimmy Choo - für rund 575 Millionen Euro. Quelle: Screenshot

Nun sagt er über die Eroberung des Kaffemarktes: „Es ist das ideale Geschäft für uns.“ Dafür sorgt etwa das hohe Wachstum. Laut einer Übersicht des führenden Konsumforschers Euromonitor wird der Umsatz künftig fast unabhängig von der Konjunktur im Schnitt um jährlich gut vier Prozent wachsen. Dafür sorgen nicht nur neue Märkte in Teeländern wie China und Indien, die zweistellig zulegen. Anders als bei anderen Konsumartikeln steigt beim Kaffee auch in den Industrieländern der Umsatz.

Zwar trinken Europäer und Amerikaner kaum mehr Tassen, aber sie lassen sich jede einzelne immer mehr kosten. Coffeeshop-Kultur, Kapselmaschinen oder der Boom des Premiumsegments: 80 Euro pro Kilo sind keine Seltenheit. Die Herstellungskosten liegen mitunter nur bei der Hälfte des Verkaufspreises.

Jedes Land hat andere Vorlieben

Neben den hohen Aufpreisen lockt Harf, dass im Geschäft mit Mokka, Espresso oder Schümli bislang fast ausschließlich Mittelständler und nationale Marken dominieren. Jedes Land hat andere Vorlieben bei Geschmack, Stärke und Portionsgröße. Gelten in den USA und Skandinavien Gebinde unter einem Viertelliter als Witz, nennen die an Miniportionen gewohnten Genießer aus Mittelmeerstaaten das dünne Groß-Gebräu der Nordländer verächtlich „Americano“ und halten die in China populären Aromazutaten für Barbarei.

Lokale Marken statt einheitlichem Welthandel

Diese Unterschiede verhinderten auch den Aufstieg von Nestlé und Starbucks zu echten Weltmarktführern. „Den Amerikanern sind Kapselportionen zu klein, und westlich des Urals gilt löslicher Kaffee mit seinem vergleichsweise schlichten Aroma als Notlösung“, sagt der Chef eines Kaffeeherstellers, der lieber anonym bleiben will. „Starbucks ist in Entwicklungsländern zu teuer, und vor allem in Europa drängen die lokalen Ketten und Bäckereien Starbucks an den Rand.“ Darum lautet Harfs wichtigster Ansatz: keine Weltmarke bauen. Stattdessen soll die Holding immer mehr lokale Marken wie beim Puzzle zusammenfügen, bis daraus ein weltweites Kaffeereich wird.

Ausgedacht haben sich das die drei Partner genannten JAB-Chefs Harf, Goudet und Becht. Goudet hatte die Idee vor gut zehn Jahren als Finanzvorstand von Mars. Als die Inhaberfamilie des Schokoriegelkonzerns ihr Imperium partout nicht um Kaffee erweitern wollte, redete Goudet darüber mit Harf; man kannte sich aus dem Verwaltungsrat des belgisch-brasilianischen Brauriesen Anheuser-Busch Inbev. Harf biss an und holte Goudet 2012 zu JAB, wo beide die Idee mit Becht in langen Gesprächen durchkneteten. Und da Harf in New York und Mailand lebt, Becht in London und Goudet bei Washington gab es vor allem Telefonate, meist längere, klagt Harfs Frau, die Schriftstellerin Tina Grube („Männer sind wie Schokolade“): „Besonders wenn Olivier anruft, muss ich meist das Essen warm stellen.“

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