
Wegen der laufenden Verhandlungen fällt der Bundesgerichtshof (BGH) im Streit um die Zukunft von Kaiser's Tengelmann vorerst keine Entscheidungen. Ein für den 15. November anberaumter Beratungstermin sei auf übereinstimmende Bitten der Beteiligten hin abgesagt, teilte das Gericht am Freitag in Karlsruhe mit. Damit lastet auf den Gesprächen etwas weniger Zeitdruck.
Der Kartellsenat wollte sich mit mehreren Beschwerden gegen eine Eilentscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf befassen. Damit war das OLG Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Mitte Juli in die Parade gefahren, der die geplante Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann trotz Bedenken des Bundeskartellamts ausnahmsweise genehmigt hatte. Das Hauptverfahren in Düsseldorf ruht seit dieser Woche auf Antrag des klagenden Rewe-Konzerns.
Marktführer Edeka würde die rund 450 Supermärkte von Kaiser's Tengelmann gern übernehmen. Gabriels Ministererlaubnis sollte dafür den Weg frei machen. Die Düsseldorfer Eilentscheidung verhinderte allerdings den Vollzug. Die Richter störten sich an geheimen Gesprächen Gabriels. Bei einigen Beteiligten habe dadurch der Eindruck entstehen müssen, dass der Minister bei seiner Entscheidung befangen gewesen sei, heißt es in dem OLG-Beschluss. Damit ist die Fusion bis zum finalen Urteil im Hauptsacheverfahren nicht möglich.
Wie sicher ist der Deal?
Noch müssen wichtige Punkte zwischen Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub, Edeka-Chef Markus Mosa und Rewe-Boss Alain Caparros abschließend geklärt werden, bevor Edeka Kaiser's Tengelmann im Rahmen der von Gabriel erteilten Sondergenehmigung (der sogenannten Ministererlaubnis) übernehmen darf. Derzeit rechnen Wirtschaftsprüfer durch, welchen Wert das Filialnetz hat und wie hoch der Kaufpreis ist, den Edeka an Haub überweisen muss. Grundlage dafür ist der Preis, auf den sich beide Seiten 2014 verständigt hatten. Edeka kann auf einen Nachlass hoffen - durch die zweijährige Hängepartie hat sich die Finanzlage bei Kaiser's Tengelmann weiter verschlechtert. Manche verunsicherten Kunden machten einen Bogen um die Läden, beim Wareneinkauf konnte Kaisers's Tengelmann mit dem Rücken zur Wand nicht mehr um bessere Konditionen feilschen.
Teil der Einigung ist, dass Rewe die Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf „unverzüglich“ zurückzieht (wie zuvor Norma und Markant), sobald die Verträge unterzeichnet sind. Erst dann ist der gefundene Kompromiss wirklich belastbar. So verwundert es nicht, dass der ausgefuchste Rewe-Chef Caparros, der sich öffentlich lange einen verbalen Kleinkrieg mit Haub lieferte, die Klage als Faustpfand bis zum Schluss aufrechterhalten will und bis jetzt noch nicht zurückgezogen hat. „Da sie (Rewe) das aber noch nicht getan haben, verstehe ich den Bundesminister nicht, der glaubt, es gibt keine Stolpersteine mehr“, kritisiert der Berliner Betriebsratschef von Kaiser's Tengelmann, Volker Bohne, im RBB-Inforadio den Wirtschaftsminister. „Es gibt ja einen riesigen“, glaubt Bohne.
Edeka hat in der Schlichtungsvereinbarung Rewe zugesagt, Filialen in Berlin mit einem Bruttoumsatz von 300 Millionen Euro an den Konkurrenten abzutreten. Auch soll Edeka in der Region Lager, Verwaltung sowie das Fleischwerk Perwenitz in Brandenburg übernehmen - inklusive der bis zu siebenjährigen Arbeitsplatzzusagen, die Gabriel in seiner Erlaubnis Edeka auferlegt hat. Unbekannt ist bislang, welche konkreten Filialen in der Hauptstadt Edeka an Rewe abgibt.
Anders als Verdi-Chef Frank Bsirske, der die Schlichtung und Gabriel in höchsten Tönen lobt, ist DGB-Chef Reiner Hoffmann deutlich zurückhaltender: „Wir hatten ja schon mal einen Kompromiss gehabt, der hatte gerade mal 24 Stunden gedauert“, sagte er in der ARD. Dank Gabriels Ministererlaubnis haben die Gewerkschaften aber eine starke Verhandlungsposition gegenüber Edeka und Rewe. So müssen Verdi und NGG die endgültige Vereinbarung zwischen Edeka und Rewe noch absegnen. Eigentlich hatte Gabriel Edeka für fünf Jahre verboten, Filialen von Kaiser's Tengelmann an selbstständige Edeka-Einzelhändler oder an Dritte - wie jetzt Rewe - abzugeben. Dank einer Öffnungsklausel ist das aber möglich, wenn die Gewerkschaften keine Einwände haben.
Es ist davon auszugehen, dass das Bundeskartellamt prüfen wird, wie sich die Einigung auf den Supermarkt-Wettbewerb in den drei Regionen Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin auswirkt. Nur dort ist Kaiser's Tengelmann aktiv. Im Umfeld von Wirtschaftsminister Gabriel ist man zuversichtlich, dass die Kartellwächter die Lösung nicht blockieren. Nach dpa-Informationen waren Spitzenbeamte des Kartellamts in die Schlichtungsgespräche eingebunden. Allerdings war das Kartellamt von Anfang an strikt gegen das Geschäft, weil es die Marktmacht von Edeka zementiere. So sehen andere Experten eine erneute Prüfung keineswegs als Selbstläufer. „Wenn die führenden Unternehmen einen wesentlichen Teil des Supermarkt-Marktes unter sich aufteilen, ist das eine Absprache, die den Wettbewerb zulasten der Verbraucher einschränken kann“, sagte der Chef der Monopolkommission, Achim Wambach, der „Rheinischen Post“.
Gabriel kündigte am Montag an, dass schon bis zum Wochenende die finanziellen Fragen zwischen Tengelmann, Edeka und Rewe geklärt sein sollen. Bis zum übernächsten Freitag (11. November) soll Rewe dann seine Beschwerde zurückziehen. Hinter den Kulissen heißt es aber, ganz so strikt sei der Fahrplan gar nicht - Hauptsache, am Ende gebe es eine verbindliche Lösung mit der Rettung der Jobs. In der Vereinbarung von Rewe und Edeka steht dazu wörtlich, eine Einigung werde bis zum 4. November „angestrebt“, die dann „möglichst“ bis zum 11. November umgesetzt werden soll. Ein handfestes Risiko bis zu einem Happy End bei Kaiser's Tengelmann gibt es noch: Wenn ein weiterer Wettbewerber vor Gericht Beschwerde einlegt. Dafür gibt es bislang aber keine Anzeichen.
Die Düsseldorfer Richter hatten gegen diesen Beschluss keine Rechtsmittel zugelassen. Mit Nichtzulassungsbeschwerden zum BGH versuchten Gabriel, Edeka und Kaiser's Tengelmann, trotzdem eine Revisionsverhandlung durchzusetzen. Außerdem erhoben Gabriel und Edeka Rechtsbeschwerden wegen angeblicher Verfahrensmängel. Über diese Beschwerden wollte der Kartellsenat des BGH am 15. November beraten. Die Entscheidung war für denselben Tag angekündigt.
Inzwischen haben sich die zerstrittenen Supermarktketten in Schlichtungsgesprächen darauf geeinigt, dass Rewe nach der Übernahme durch Edeka einen Teil der Berliner Tengelmann-Filialen bekommen soll. Bei den Details liegen die Parteien aber noch auseinander.
Im Gegenzug soll Rewe seine Klage gegen die Ministererlaubnis zurückziehen. Die Mitkläger Norma und Markant haben dies schon getan. Derzeit ist das Hauptverfahren in Düsseldorf lediglich ausgesetzt, um abzuwarten, ob eine außergerichtliche Einigung gelingt.
Der Kompromiss soll bei der hoch verschuldeten Supermarktkette möglichst viele der mehr als 15 000 Arbeitsplätze retten. Ursprünglich war eine Einigung für Freitag angepeilt. Am Mittwoch wurden die Gespräche aber auf kommenden Montag vertagt.