Kaiser’s Tengelmann Das sind die Stolpersteine für eine Übernahme

Sigmar Gabriel hat verkündet, die Schlichtung bei Kaiser’s Tengelmann sei „erfolgreich abgeschlossen“. Davon kann nicht die Rede sein. Bis Tinte unter den Kaufverträgen ist, muss die Belegschaft weiter bangen.

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Noch ist Kaiser's Tengelmann nicht gerettet. Quelle: REUTERS

Auf der vielbemühten Achterbahn der Gefühle ging es Anfang der Woche für die Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann wieder einmal bergauf. Fraglich ist allerdings, wie nachhaltig die Hochstimmung ist.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel trat gemeinsam mit Verdi-Chef Frank Bsirske vor die Presse, um zu verkünden: „15.000 Verkäuferinnen, Fleischer, Lagerarbeiter, Fahrer, Verwaltungsmitarbeiter und alle anderen Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann können Weihnachten ohne Angst um ihren Arbeitsplatz feiern.“

Die Schlichtung in der Causa Kaiser’s Tengelmann durch Ex-Kanzler Gerhard Schröder und Bert Rürup sei „erfolgreich abgeschlossen“, sie hätten einen „Interessensausgleich“ zwischen den Beteiligten erzielt.

Wie sicher ist der Deal?

Bis zum 11. November wolle Rewe-Chef Alain Caparros demnach seine Klage gegen die Ministererlaubnis von Gabriel zurückziehen und damit den Weg frei machen für die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka.

Dafür soll Rewe dem Vernehmen nach einen Teil der Berliner Filialen aus dem Kaiser’s-Tengelmann-Netz von Edeka erhalten. Und, weil die Journalisten ja oft schrieben, die Arbeitsplätze seien nur für fünf Jahre garantiert, setzte Gabriel trotzig nach: „Sie sind für sieben Jahre garantiert.“  

Bsirske ließ es sich im Anschluss nicht nehmen, Schulterklopfer zu verteilen und Gabriel zu loben, ohne dessen Hartnäckigkeit es das Gelingen der Schlichtung nicht gegeben hätte.  So weit, so gut. Zumindest vorerst.

Jörg Funder, geschäftsführender Direktor des Instituts für Internationales Handels- und Distributionsmanagement (IIHD) glaubt, es ist noch zu früh, um eine weitere Talfahrt auf der Achterbahn der Gefühle für die Tengelmann-Belegschaft auszuschließen. „Es gibt bei der Einigung noch zu viele Fragezeichen“, sagt er. „Solange keine Verträge unterzeichnet sind, ist nichts sicher – vor allem in Anbetracht der Historie dieser Übernahme.“

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Seit mehr als zwei Jahren streiten nun Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub und Edeka-Chef Markus Mosa mit Rewe-Chef Caparros über die Übernahme. Die Leidtragenden sind die Mitarbeiter bei Tengelmann. „Ich an Gabriels Stelle hätte mich da bedeckter gehalten“, sagt Funder.

Auch Volker Bohne, der Berliner Betriebsratschef von Kaiser’s Tengelmann, ist nicht abschließend überzeugt von Gabriels Äußerungen. Damit die Einigung und damit die Ministererlaubnis von Gabriel gültig ist, muss Rewe-Chef Caparros seinen Trumpf hergeben und die Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Ministererlaubnis zurückziehen. „Da sie (Rewe) das aber noch nicht getan haben, verstehe ich den Bundesminister nicht, der glaubt, es gibt keine Stolpersteine mehr“, kritisiert Bohne im RBB-Inforadio den Wirtschaftsminister. „Es gibt ja einen riesigen.“

Wie die WirtschaftsWoche von mit den Verhandlungen vertrauten Quellen erfahren hat, gibt es gleich drei Hürden, über die die Beteiligten durchaus noch stolpern könnten.

"Ich gehe davon aus, dass das Bundeskartellamt es prüfen wird"

So haben sich die Verhandlungsführer nicht darauf geeinigt, welche Filialen aus dem Berliner Kaiser’s-Tengelmann-Netz Rewe erhält. Edeka habe zwar zugesagt, Filialen mit einem Gesamtumsatzanteil von 20 Prozent an Rewe abzutreten, doch sagt der Umsatzanteil wenig über den tatsächlichen Wert und Zustand der Filialen aus. Hier besteht dem Vernehmen nach weiterer Verhandlungsbedarf.

Auch über einen Kaufpreis ist noch keine Einigung erzielt worden. Zwar betonte Gabriel, dass sei nicht Teil der Schlichtung gewesen, vielmehr solle ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer darüber entscheiden. Doch auch daran könnte eine abschließende Einigung scheitern.

Zudem sei offen, wie mit den Verlustbringern aus dem maroden Kaiser’s-Tengelmann-Netz verfahren werden soll – etwa den Filialen in NRW, der Logistik, der Verwaltung und den Fleischwerken. Darüber solle erst gesprochen werden, nachdem sich die Beteiligten über die Verteilung der Berliner Filialen geeinigt haben.

Kartellamt muss auch noch mitreden

Doch selbst wenn sich die Beteiligten endgültig einigen, wird das Bundeskartellamt bei der Weitergabe der Berliner Filialen mitreden. In einem ersten Schritt müsste Edeka alle rund 400 Kaiser’s-Tengelmann-Filialen übernehmen, da sonst die Ministererlaubnis ihre Gültigkeit verlöre. Im Anschluss würde Edeka dann, nicht mehr gedeckt durch die Ministererlaubnis, einige Filialen an Rewe veräußern.

Achim Wambach, Chef der Monopolkommission, sagte auf Anfrage der WirtschaftsWoche: „Ich gehe davon aus, dass das Bundeskartellamt es prüfen wird, wenn Edeka Filialen an Rewe abgibt oder verkauft.“ Da allerdings Vertreter des Bundeskartellamts in beratender Funktion an den Verhandlungen teilnahmen und das Bundeskartellamt in seiner Analyse aus dem vergangenen Jahr schon klarmachte, welche Märkte bedenklich sind und welche nicht, erscheint das Problem zumindest lösbar.

So zeigt sich Wambach auch insgesamt optimistisch. „Bis der Vertrag unterschrieben ist, kann immer noch etwas passieren. Aber vieles spricht für eine Einigung“, sagt er. „Die Alternative, dass die Beschwerde von Rewe Bestand hält und das Gericht eventuell die Ministererlaubnis kippt, ist für die beteiligten Parteien nicht attraktiv.“

Allerdings war das auch in den vergangenen zwei Jahren für zumindest einen der Beteiligten nie ein Grund, die Übernahme doch noch zu torpedieren.

Mit seinem Gang vor die Presse ist Gabriel in jedem Fall ein großes Risiko eingegangen. So sicher wie von ihm verkündet, sind die Arbeitsplätze der Tengelmann-Belegschaft längst noch nicht. „Er hat vor allem auf Rehabilitation abgezielt“, glaubt Funder. „Altkanzler Schröder und die SPD haben es gerichtet, das wollte er kommunizieren. De facto hat ein Altkanzler vielleicht ein Problem gelöst, das ein Möchtegernkanzler überhaupt erst verursacht hat.“

Und auch das steht erst am 11. November fest. Frühestens. „Das halte ich für einen ziemlich sportlichen Zeitraum“, sagt Funder.  

Bis dahin heißt es bangen – für die Belegschaft und für Gabriel.

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