2. Der hart umkämpfte deutsche Lebensmittelmarkt
Schlechtes Timing, unklare Strategie – der deutsche Lebensmittelhandel verzeiht solche Fehler nicht. Der Markt zählt zu den am härtesten umkämpften, der Konkurrenzdruck ist enorm. Rund zwei Drittel des Markts teilen Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe, Aldi Nord und Aldi Süd unter sich auf. Für die Konkurrenz bleibt da nicht viel übrig. „Der deutsche Lebensmittelhandel ist hochkompetitiv und für kaum einen Anbieter, der nicht zu den großen Fünf gehört, ertragsreich“, sagt Funder.
Zu spüren bekommen haben das schon deutlich größere und finanzstärkere Konzerne als Tengelmann. Als der US-Handelsriese Wal-Mart Mitte der Neunziger mit großem Bohei versuchte den deutschen Markt zu erobern, holte er sich eine blutige Nase.
Da der amerikanische Billigheimer den Preisen der deutschen Discount-Konkurrenz nicht gewachsen war, musste er jeden Euro Umsatz teuer erkaufen und verbrannte jährliche dreistellige Millionenbeträge. 2006 gab der international sonst so erfolgreiche Handelskonzern den deutschen Markt auf.
3. Der Erfolg anderer Unternehmensteile hatte seinen Preis
Statt im Zermürbungswettbewerb viel Geld zu verpulvern, um eine Supermarkt-Kette zu sanieren, die nur wenig konkurrenzfähig ist, hat Tengelmann-Chef Haub in den vergangenen Jahren lieber in seine Geldbringer investiert.
So startete Obi etwa 2015 eine großangelegte Expansion in Österreich und der Slowakei. Die Baumarktkette übernahm 62 Standorte des insolventen Konkurrenten Baumax und betreibt nun mehr als 600 Märkte in elf Ländern.
Die Hängepartie bei Kaiser's Tengelmann
Der Handelskonzern Tengelmann teilt mit, seine Supermärkte an Edeka verkaufen zu wollen. Die verbliebenen rund 450 Kaiser's-Tengelmann-Filialen, die seit Jahren rote Zahlen schreiben, sollen bis Mitte 2015 komplett an den deutschen Marktführer gehen.
Das Bundeskartellamt untersagt Edeka die Übernahme. Die Behörde befürchtet Preiserhöhungen und weniger Wettbewerb.
Tengelmann und Edeka wollen das Veto des Kartellamts nicht hinnehmen. Sie beantragen eine sogenannte Ministererlaubnis für den Zusammenschluss.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gibt grünes Licht für die Übernahme - unter harten Auflagen. So muss Edeka den Erhalt von über 15 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann für mindestens sieben Jahre garantieren.
Edeka-Konkurrent Rewe legt beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Ministererlaubnis ein, wie auch Markant und Norma.
Das Oberlandesgericht stoppt die Ministererlaubnis vorläufig. Die Ausnahmegenehmigung Gabriels sei rechtswidrig. Er habe sich in dem Verfahren befangen und nicht neutral verhalten.
Gabriel wirft dem Gericht schwere Versäumnisse vor. Das Urteil enthalte falsche Behauptungen.
Edeka geht juristisch gegen den Stopp der Fusion durch das Oberlandesgericht vor. Das Unternehmen reicht eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Der BGH will darüber am 15. November entscheiden.
Auch Gabriel legt Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts ein. Darüber soll ebenfalls Mitte November entschieden werden. Kaiser's Tengelmann läuft unterdessen die Zeit davon.
Die Chefs von Tengelmann, Edeka und Rewe sowie Vertreter von Verdi wollen sich zu einem Rettungsgespräch treffen.
Der Aufsichtsrat von Kaiser's Tengelmann soll angesichts hoher Verluste über die Schließung von Filialen und den Abbau Tausender Arbeitsplätze beraten. Damit würde der Deal mit Edeka platzen und die Kette wohl zerschlagen.
Bei einem zweiten Spitzentreffen vereinbaren die Supermarktchefs überraschend, dass die Edeka-Konkurrenten ihre Klage zurückziehen und damit den Weg frei machen für die Übernahme. Sie geben sich Zeit bis zum 17. Oktober.
Die Verhandlungen zwischen den Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe und Verdi sind gescheitert. Die Supermarktkette wird nun zerschlagen. Noch am Abend bereitet Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub die Mitarbeiter auf den Verlust vieler Arbeitsplätze vor.
Der Nahversorger Tedi hat im vergangenen Jahr erstmals Filialen in Spanien eröffnet. Bei der Präsentation der Zahlen der Tengelmann-Gruppe im Juli sagte Haub, er könne sich in Anbetracht des erfolgreichen Starts dort vorstellen, die Zahl der Filialen rasch auf mehr als hundert auszubauen. Knauserig ist er also nicht.
„Für die Unternehmensfamilie ist es sinnvoll lediglich in Geschäftsfelder zu investieren, die langfristig Gewinne bei akzeptablen Risiko versprechen“, sagt Funder. Obi, Kik, Tedi, Zalando und die anderen der insgesamt 68 Posten im Beteiligungsportfolio haben der Tengelmann-Gruppe im Jahr 2015 ein Umsatzwachstum von 4,5 Prozent auf 8,2 Milliarden Euro beschert. Zum Gewinn äußerte sich Haub bei der Präsentation der Zahlen nicht.
Dafür sagte er, die Unternehmensgruppe befinde sich im Jahr der „Weichenstellung“. Haub schien sich immer noch sicher zu sein, das Lebensmittelgeschäft abgeben zu können – und zwar an Edeka. So hätte er sich und seine Investitionen auf die Geschäftsfelder konzentrieren können, die Wachstum versprechen.