
Die Chefs von Rewe, Edeka und Tengelmann wollen heute bei einem Spitzentreffen versuchen, eine Lösung für die von der Zerschlagung bedrohte Supermarktkette Kaiser's Tengelmann zu finden. Die Unternehmenschefs sowie Vertreter der Gewerkschaft Verdi kommen am Abend zusammen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte sie zu einer Verständigung aufgerufen, andernfalls stünden bis zu 8000 Arbeitsplätze auf der Kippe.
Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub wollte die Kette an Edeka verkaufen, doch steht die Transaktion vor dem Scheitern. Die Monopolkommission hatte die Fusion ausdrücklich nicht empfohlen, Gabriel hatte sich darüber hinweggesetzt. In der Folge trat Daniel Zimmer, der Vorsitzende der Monopolkommission zurück. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte die Ministererlaubnis Gabriels für die Übernahme auf Eis gelegt, eine jahrelanger juristischer Streit droht. Haub geht nun Insidern zufolge die Geduld aus.
Herr Zimmer, aus Protest gegen Sigmar Gabriels Ministererlaubnis sind Sie im März dieses Jahres von Ihrem Amt als Vorsitzender der Monopolkommission zurückgetreten. Nach allem, was in den letzten sechs Monaten geschehen ist: Würden Sie sich wieder gegen die Fusion stellen?
Daniel Zimmer: Die Gründe, die das Kartellamt veranlasst haben, die Übernahme zu untersagen und die die Monopolkommission dazu bewogen haben, die Ministererlaubnis nicht zu empfehlen, bestehen unvermindert fort. Es wäre für den Wettbewerb eine schlechte Lösung, wenn Edeka das komplette Filialnetz von Kaiser’s Tengelmann übernähme. Ich würde auch heute die gleiche Entscheidung treffen.
Zur Person
Daniel Zimmer ist Rechtswissenschaftler und geschäftsführender Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn. Von 2008 bis 2016 war er Mitglied der Monopolkommission, von 2012 bis 2016 ihr Vorsitzender. Im März dieses Jahres trat er aus Protest gegen die Ministererlaubnis zur Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka zurück.
Gabriel hat die Beteiligten dazu aufgerufen, einen Kompromiss zu finden, sonst seien bis zu 8000 Arbeitsplätze gefährdet. Sind die Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann überhaupt noch zu retten?
Kurzfristig könnte die Komplettübernahme durch Edeka tatsächlich Arbeitsplätze retten. Mittel- und langfristig ist das Gegenteil anzunehmen.
Warum?
Die Deutschen werden nicht mehr Lebensmittel kaufen, nur weil zwei Supermarktketten fusionieren. Der Bedarf an Arbeitskräften in dieser Branche wird deshalb nicht steigen. Der Konsolidierungs- und Rationalisierungsdruck wird sich auch bei einer Übernahme durch Edeka bemerkbar machen.
Die Hängepartie bei Kaiser's Tengelmann
Der Handelskonzern Tengelmann teilt mit, seine Supermärkte an Edeka verkaufen zu wollen. Die verbliebenen rund 450 Kaiser's-Tengelmann-Filialen, die seit Jahren rote Zahlen schreiben, sollen bis Mitte 2015 komplett an den deutschen Marktführer gehen.
Das Bundeskartellamt untersagt Edeka die Übernahme. Die Behörde befürchtet Preiserhöhungen und weniger Wettbewerb.
Tengelmann und Edeka wollen das Veto des Kartellamts nicht hinnehmen. Sie beantragen eine sogenannte Ministererlaubnis für den Zusammenschluss.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gibt grünes Licht für die Übernahme - unter harten Auflagen. So muss Edeka den Erhalt von über 15 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann für mindestens sieben Jahre garantieren.
Edeka-Konkurrent Rewe legt beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Ministererlaubnis ein, wie auch Markant und Norma.
Das Oberlandesgericht stoppt die Ministererlaubnis vorläufig. Die Ausnahmegenehmigung Gabriels sei rechtswidrig. Er habe sich in dem Verfahren befangen und nicht neutral verhalten.
Gabriel wirft dem Gericht schwere Versäumnisse vor. Das Urteil enthalte falsche Behauptungen.
Edeka geht juristisch gegen den Stopp der Fusion durch das Oberlandesgericht vor. Das Unternehmen reicht eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Der BGH will darüber am 15. November entscheiden.
Auch Gabriel legt Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts ein. Darüber soll ebenfalls Mitte November entschieden werden. Kaiser's Tengelmann läuft unterdessen die Zeit davon.
Die Chefs von Tengelmann, Edeka und Rewe sowie Vertreter von Verdi wollen sich zu einem Rettungsgespräch treffen.
Der Aufsichtsrat von Kaiser's Tengelmann soll angesichts hoher Verluste über die Schließung von Filialen und den Abbau Tausender Arbeitsplätze beraten. Damit würde der Deal mit Edeka platzen und die Kette wohl zerschlagen.
Bei einem zweiten Spitzentreffen vereinbaren die Supermarktchefs überraschend, dass die Edeka-Konkurrenten ihre Klage zurückziehen und damit den Weg frei machen für die Übernahme. Sie geben sich Zeit bis zum 17. Oktober.
Die Verhandlungen zwischen den Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe und Verdi sind gescheitert. Die Supermarktkette wird nun zerschlagen. Noch am Abend bereitet Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub die Mitarbeiter auf den Verlust vieler Arbeitsplätze vor.
Sie spielen darauf an, dass Edeka Mitarbeitern kündigen könnte. Die Ministererlaubnis schließt aber genau das aus.
Nach den Ministerbedingungen dürfen erst einmal keine Beschäftigten in den übernommenen Kaiser’s Tengelmann Filialen entlassen werden. Aber das hindert Edeka nicht daran, in den eigenen Filialen Entlassungen vorzunehmen, oder sie zu schließen. Edeka ist unter allen Kaufinteressenten das Unternehmen, das mit dem Filialnetz von Kaiser’s Tengelmann die meisten Überschneidungen hat. Nach einer Übernahme hätte Edeka an vielen Standorten zwei Filialen, bräuchte aber nach wie vor nur eine, um die Konsumenten vor Ort zu versorgen. Insofern hat Edeka größere Anreize Filialen zu schließen als irgendein anderer möglicher Erwerber.