Kaiser's Tengelmann / Edeka Woran die Mega-Übernahme hängt

Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub ist zufrieden mit den Geschäftszahlen seiner Gruppe. Doch die Hängepartie um die Kaiser's-Tengelmann-Übernahme trübt die Stimmung. Warum die Verhandlungen nicht vorwärts kommen.

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Die Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann. Quelle: Marcel Stahn

Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub drängt auf ein rasches Ende des Tauziehens um die Fusion seiner Supermarktkette Kaiser's Tengelmann mit dem Marktführer Edeka. „Es muss zu einer Klärung kommen“, forderte er am Donnerstag in Mülheim an der Ruhr. „Ende Juli ist eine Deadline, an der ich wissen will, ob es vorangeht“, betonte er.

Indirekt drohte er erneut mit einem Aus für die Supermarktkette, sollte die Fusion nicht in trockene Tücher kommen: Ohne eine Einigung gebe es für Kaiser's Tengelmann „verschiedene Möglichkeiten, aber keine sympathischen“. Haub zeigte sich aber optimistisch, dass „die notwendigen Tarifverträge bis Ende des Monats vorliegen können“.

Kaiser's Tengelmann zählt seit Langem zu den Sorgenkindern der Mülheimer Familienunternehmergruppe Tengelmann. Die Handelskette hatte in der Vergangenheit über Jahre rote Zahlen geschrieben: Allein zwischen 2000 und 2015 soll das Mühlheimer Familienunternehmen mehr als 500 Millionen Euro Verlust eingefahren haben.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Angaben zum genauen Ergebnis der gesamten Gruppe im zurückliegenden Jahr machte Haub nicht. Mit einem währungsbereinigten Umsatzplus von 4,5 Prozent auf gut 8,2 Milliarden Euro habe das Familienunternehmen das zurückliegende Jahr jedoch erfolgreich abgeschlossen, sagte er.

Billigheimer Kik bringt Umsatz-Wachstum

Mehr als die Hälfte davon steuerte die Baumarkt-Tochter Obi mit einem Umsatz von 4,37 Milliarden Euro bei, Kik kommt auf 1,82 Milliarden Euro und wächst um 8,2 Prozent. Der „sich seit Oktober 2014 hinziehende Abgabeprozess unserer Kaiser's Tengelmann-Supermärkte an den Edeka-Verbund“ trübe den Eindruck allerdings.

Eigentlich wollte der Tengelmann-Chef die Verlustbringer schon längst aus dem Portfolio haben. „Wir können die Verluste von Kaiser’s Tengelmann nicht weiter tragen“, sagte Haub an anderer Stelle. Schon vor einem Jahr hatte er eindringlich vor dem Verlust von mehreren tausend Jobs und einer „massiven Belastung“ für das Unternehmen bei einem Scheitern der Fusion gewarnt. Schnellstmöglich wollte er das Supermarktgeschäft mit rund 450 Filialen und 16.000 Beschäftigten an Edeka geben.

Bis vor einigen Wochen hatte sich Edeka-Chef Markus Mosa optimistisch gezeigt, dass die heftig umstrittene Fusion zügig abgewickelt werden könne. Nach einem Verbot durch das Kartellamt hatte schließlich erst die Ministererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) den Weg unter Auflagen frei gemacht. Doch auch vier Monate nach der Ministererlaubnis und 21 Monate nach der Kaufankündigung kommt keine Bewegung in die Übernahme.

Was Kritiker gegen die Fusion mit Edeka haben

Bundeskartellamt und Monopolkommission hatten sich in der Vergangenheit deutlich gegen die Pläne ausgesprochen. Denn obwohl Kaiser’s Tengelmann bundesweit nach eigenen Angaben nur auf einen Marktanteil von 0,6 Prozent kommt, ist der Einfluss in manchen Regionen groß.

„Aufgrund der Schwerpunkte der Tengelmann-Filialen in einigen großen Ballungsräumen mit großer Kaufkraft sorgt die Übernahme durch Edeka doch dafür, dass die Handelslandschaft regional umgekrempelt wird“, sagt etwa Fred Hogen, Handelsexperte beim Marktforschungsinstitut Nielsen. Besonders in Berlin, München und Nordrhein-Westfalen würde Edekas Markmacht stark wachsen.



Schon jetzt ist der Händlerverbund unangefochtener Marktführer im Bereich des Lebensmittelhandels. Zusätzliche Filialen setzen nicht nur Konkurrenten weiter unter Druck, sondern auch Zulieferer, befürchten die Kritiker des Deals nach wie vor.

Schon jetzt bereitet die Verhandlungsmacht Edekas den Lieferanten Sorgen: „Das sind mit die härtesten Burschen“, sagte der Chef eines niedersächsischen Produzenten Ende vergangenen Jahres. Er beklagte einen „Wust an Forderungen und Rückvergütungen“, der das Geschäft unkalkulierbar mache.

Neben Bauern und Herstellern sprachen sich auch Gewerkschaften gegen die Fusion aus, weil der Schutz der Arbeitsplätze nicht ausreichend sei.

Die Ministererlaubnis

Gegen jeden Widerstand hatte Bundeswirtschaftsminister Gabriel die Handelsehe trotzdem per Ministererlaubnis gewährt. Eine Entscheidung mit Seltenheitswert in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Von den 21 Anträgen seit Bestehen der Bundesrepublik waren zuvor gerade einmal acht bewilligt worden. Die Rettung Tausender Jobs, begründete Gabriel die Erlaubnis, gehe in diesem Fall vor.


Der Wirtschaftsminister nahm sogar in Kauf, dass der Chef der Monopolkommission öffentlichkeitswirksam hinschmiss. Die Ministererlaubnis sei „unter Gemeinwohlaspekten die schlechteste aller Lösungen“, verkündete Daniel Zimmer zum Abschied.

Für die Ministererlaubnis gibt es eindeutige Auflagen: Edeka muss unter anderem eine umfassende Arbeitsplatz- und Standortgarantie abgeben. Die Arbeitsplätze von 97 Prozent der Belegschaft sollten zumindest für fünf Jahr gesichert sein – sicherstellen sollen das Tarifverträge mit Verdi und der Gewerkschaft NGG. Für denselben Zeitraum dürften Tengelmann-Filialen zudem nicht ohne weiteres verkauft werden.

Zuletzt keine Einigung mit Verdi in Sicht

Längst sind die zunächst mit großem Elan in vier Bezirken angegangenen Gespräche zwischen der Gewerkschaft und Edeka über einen Tarifvertrag ins Stocken geraten, weil Edeka sich nicht mit Verdi einigen kann.

Die Gewerkschaft wirft dem Handelsriesen vor, nun doch Jobs streichen zu wollen. Vor allem in Nordrhein-Westfalen scheinen die Positionen beider Seiten weit auseinander. In einer Mitarbeiterinformation schrieb Verdi Nordrhein-Westfalen: Kaiser’s Tengelmann solle in vier unterschiedliche Gesellschaften zergliedert werden. „Für die Beschäftigten hätte das teilweise den Verlust des Arbeitsplatzes oder erhebliche Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen zur Folge.“

Konkret heißt das laut Verdi: Versetzungen, längere Arbeitszeiten oder eine dauerhafte Reduzierung des Lohnes. Das wiederum würde den Auflagen für die Ministererlaubnis widersprechen und sei mit Verdi „nicht verhandelbar“. Die Gewerkschaft gibt sich resolut: „Dann wird es keinen Übergang mit uns geben.“ Infolgedessen hat Edeka die Verhandlungen mit Verdi in Nordrhein-Westfalen ausgesetzt. Eigentlich sollte am 5. und 6. Juli weiter verhandelt werden.

Die Übernahme der Tengelmann-Supermärkte durch Edeka wackelt. Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi wurden abgesagt, der Konflikt um den möglichen Abbau von Jobs in Nordrhein-Westfalen eskaliert.
von Henryk Hielscher

In München und Berlin laufen die Verhandlungen zwischen Edeka und Verdi weiter. Der nächste Verhandlungstermin im Problembezirk Nordrhein-Westfalen steht nach Angaben der Gewerkschaft dagegen erst in den kommenden Wochen auf dem Programm.

Der Handelsriese hat mittlerweile betont, er strebe eine „zügige Einigung mit den Gewerkschaften an, um die Kaiser's- und Tengelmann-Standorte möglichst bald in den Edeka-Verbund integrieren zu können“. Auf eine zügige Einigung besteht allerdings weiter wenig Hoffnung.

Zwar betonte eine Verdi-Sprecherin auf Anfrage der dpa, dass auch die Gewerkschaft auf eine „zeitnahe Einigung“ bei den seit knapp vier Monaten laufenden Tarifverhandlungen setze. Dies müsse jedoch auf Grundlage der von Wirtschaftsminister Gabriel erteilten Ministererlaubnis für den Zusammenschluss geschehen.

Kommt keine Einigung zustande, könnte die Ministererlaubnis schließlich doch nicht genutzt werden - mit unabsehbaren Folgen für die rund 16.000 Beschäftigten der Supermarktkette Kaiser`s Tengelmann. Dabei hatte Gabriel gerade den Schutz der Arbeitsplätze zur zentralen Aufgabe in dem Tarifpoker gemacht.

Auch Edeka-Chef Mosa steht unter Druck. Er hatte zuletzt bei der Bilanzvorlage Ende April eindringlich darauf hingewiesen, dass die geplante Übernahme für den mit einem Marktanteil von mehr als 27 Prozent führenden deutschen Lebensmittel-Einzelhändler „extrem wichtig“ sei. „Sie bringt uns in der Expansion um viele Jahre nach vorn“, so Mosa damals.

Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr, eine Einigung mit Verdi zu erzielen.

Mit Material von dpa und Reuters

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