Der Wirtschaftsminister kommt in seiner Bewertung zu anderen Schlussfolgerungen. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Über die Beweggründe von Herrn Gabriel kann ich nichts sagen. Wichtig ist eine sachliche Beurteilung dieser Übernahme. Der Minister blendet nach meiner Wahrnehmung die langfristige Perspektive aus. Bei Gemeinwohlerwägungen geht es aber nicht nur um die Arbeitsplätze in einem bestimmten Unternehmen und nicht nur um kurzfristige Konsequenzen.
Was bleibt an Auswegen für Kaiser's Tengelmann?
Am Donnerstagabend wollen die Konzernchefs von Tengelmann, Edeka und Rewe einen letzten Versuch machen, die völlig verfahrene Situation bei der angeschlagenen Supermarktkette Kaiser's Tengelmann zu bereinigten. Scheitern die Verhandlungen, droht der Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen bei der traditionsreichen Supermarktkette. Fragen und Antworten zum Krisengipfel und zu seinen Erfolgsaussichten:
Die Situation rund um die geplante Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka ist völlig verfahren. Erst stoppte das Bundeskartellamt die Übernahmepläne. Dann machte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) den Weg mit einer Ausnahmegenehmigung wieder frei. Nur um vom Oberlandesgericht Düsseldorf ausgebremst zu werden, das auf Antrag von Rewe und Markant die Ministererlaubnis vorläufig außer Kraft setzte. Eine juristische Klärung dieses Durcheinanders könnte Jahre dauern. Doch soviel Zeit hat Kaiser's Tengelmann nicht. Denn das Unternehmen schreibt hohe Verluste.
Bundeswirtschaftsminister Gabriel hofft vor allem, dass es gelingt, die Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann doch noch zu sichern. Bei einer Zerschlagung sieht der Sozialdemokrat bis zu 8000 Stellen gefährdet.
Die einfachste Lösung wäre es, dass Rewe seine Klage gegen die Ministererlaubnis zurückziehen würde. Dann könnte Edeka Kaiser's Tengelmann komplett übernehmen, die von dem Handelsriesen mit Verdi für diesen Fall ausgehandelten Tarifverträge würden greifen und damit auch langfristige Arbeitsplatzgarantien für die Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann.
Rewe ist offenbar nicht bereit zu einem solchen Schritt. Konzernchef Alain Caparros signalisierte vor Beginn des Krisentreffens, dass er auf eine „faire Aufteilung“ von Kaiser's Tengelmann hofft. Dabei könnten neben Edeka und Rewe auch andere interessierte Unternehmen zu Zuge kommen, meinte der Manager in einer Erklärung vor dem Krisengipfel.
Es geht zum einen um Marktanteile. Edeka ist schon heute Deutschlands mit Abstand größter Lebensmittelhändler und Rewe will nicht weiteren Boden an den Rivalen verlieren. Außerdem fühlt sich Rewe-Chef Caparros von den Konkurrenten ausgetrickst. Es habe sich bei der Ministererlaubnis um ein abgekartetes Spiel gehandelt, sagte der Rewe-Chef kürzlich in einem Interview.
Darüber rätseln zurzeit Branchenkenner und Betroffene gleichermaßen.
Die Supermarktkette würde dann voraussichtlich zerschlagen, heißt es in informierten Kreisen. Dass heißt, die Filialen würden einzeln oder in Paketen an die Wettbewerber verkauft. Geschäfte, für die sich kein Interessent findet, würden dicht gemacht, ebenso wahrscheinlich die Fleischwerke und die Logistik des Konzerns. Auch die Verwaltung der Supermarktkette würde dann nicht mehr benötigt. Tausende Arbeitsplätze wären in diesem Fall gefährdet.
Die Supermarktkette schreibt seit Jahren rote Zahlen. Insgesamt sollen sich die Verluste seit der Jahrtausendwende auf mehr als 500 Millionen Euro summieren. Der Eigentümer - die Unternehmerfamilie Haub - will deshalb einen Schlussstrich ziehen.
Dazu entwickelt die Lage in den Geschäften zu schlecht. Denn die Ungewissheit über die Zukunft bremst das Geschäft. „Wir schrumpfen. Wir verlieren Mitarbeiter jeden Tag. Wir verlieren Läden, weil die Mietverträge nicht verlängert werden können“, klagte Firmenchef Karl-Ervian Haub vor einigen Wochen in einem Rundfunkinterview. Nach Angaben aus informierten Kreisen sind die Verluste inzwischen auf rund zehn Millionen Euro pro Monat gestiegen. Das ist selbst für eine der reichsten deutschen Unternehmerfamilien viel Geld.
Sondern?
Bei einer auf ein Arbeitsplatzargument gestützten Gemeinwohlargumentation sind alle Arbeitsmarktwirkungen einzubeziehen – nicht nur positive, sondern auch mögliche negative Effekte der Fusion für die Beschäftigungslage.
Angesprochen auf Ihre Kritik, führte Gabriel gestern am Rande einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses im Bundestag an, Ihr Vorgänger als Vorsitzender der Monopolkommission, Justus Haucap, beurteile den Fall völlig anders als Sie. Das zeige doch, dass Wissenschaftler zu unterschiedlichen Ansichten kämen.
Wissenschaftler kommen bei der Beurteilung bestimmter Zusammenhänge oft zu unterschiedlichen Ansichten. Man muss sehr genau hinschauen, welcher Wissenschaftler was sagt. Mitunter sind Wissenschaftler auf der einen oder anderen Seite eines Verfahrens als Gutachter tätig gewesen, was ihre Äußerung in einem andern Licht erscheinen lassen kann.
Sie spielen darauf an, dass Haucap im Auftrag von Tengelmann ein Gutachten zu den wettbewerbsrechtlichen Folgen einer Fusion mit Edeka erstellt hat?
Herr Haucap hat das selbst offengelegt.
Wer ist Schuld daran, dass die Situation so verfahren ist?
Die Hauptverantwortung liegt beim Eigentümer von Kaiser’s Tengelmann…
… also bei Karl-Erivan Haub.
Spätestens als vor eineinhalb Jahren das Bundeskartellamt die Komplettübernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka untersagt hat, hätte er Alternativen in Betracht ziehen müssen. Er hat die ganze Zeit stur an dem Verkauf an Edeka festgehalten. Hätte er das nicht getan, wäre längst eine tragfähige Lösung möglich gewesen. Eine, die vor dem Bundeskartellamt Bestand hat.
Die Chefs von Edeka, Tengelmann und des Wettbewerbers Rewe sowie Vertreter von Verdi wollen heute über die Zukunft von Kaiser's Tengelmann sprechen. Erwarten Sie eine Lösung von diesem Gespräch?
Angenommen, die Beteiligten würden sich auf eine Aufteilung der Filialen zwischen Edeka und Rewe einigen, dann müsste zunächst der Verkaufsvertrag zwischen Haub und Edeka aufgehoben werden. In dem Moment, in dem der Verkaufsvertrag aufgehoben wird, ist die Ministererlaubnis gegenstandslos und es wäre eine erneute Prüfung durch das Bundeskartellamt erforderlich.