Kaiser’s Tengelmann „Plan B“ für die Tengelmann-Märkte

Die Übernahme der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann durch Edeka droht endgültig zu scheitern. Andere Rivalen haben sich bereits in Stellung gebracht - darunter auch eher Unbekannte. Wer nun die besten Chancen hat.

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Was passiert mit Kaiser's Tengelmann? Quelle: Marcel Stahn

Es war eine ziemlicher Reinfall, den Tengelmann und Edeka Anfang August erlebten: Auf 67 Seiten zerpflückten die Experten der Bonner Monopolkommission den geplanten Millionendeal der Unternehmen – die Übernahme der Tengelmann-Supermärkte durch Edeka.

In ihrem Gutachten empfahlen die Wettbewerbsexperten Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, den beiden Konzernen die für den Zusammenschluss nötige Minister-Erlaubnis zu verweigern. Dass sich Gabriel über die Entscheidung hinwegsetzt, gilt als unwahrscheinlich.

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Für Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub dürfte damit die Suche nach einem „Plan B“ für die rund 450 Supermärkte von Kaiser’s Tengelmann beginnen. Dass er die Supermärkte behält und auf eigene Faust saniert, hat er bereits im Antrag auf die Ministererlaubnis definitiv ausgeschlossen: Seit dem Jahr 2000 habe das Unternehmen Verluste von insgesamt rund 532 Millionen Euro angehäuft, heißt es darin. 42 Prozent aller Filialen "wirtschafteten im Verlust", heißt es in dem Papier. Daher stehe fest, dass Kaiser's Tengelmann "definitiv aus dem Markt ausscheidet".

Rewes öffentliches Werben
Längst haben sich denn auch Edekas Rivalen in Stellung gebracht – allen voran der Kölner Rewe-Konzern. Mal in Interviews, mal in Werbeanzeigen machte Rewe-Chef Alain Caparros Front gegen Edeka. Der streitbare Unternehmenslenker brachte sein eigenes Unternehmen als Alternative ins Spiel. "Wir würden alle 16.000 Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann übernehmen inklusive Zentrale, Produktionsstätten und Logistikzentren", sagte er Ende Mai der WirtschaftsWoche.

Kurz nachdem die Monopolkommission ihre Empfehlung veröffentlicht hatte, meldeten sich die Kölner wieder zu Wort und erneuerten das Angebot, alle Märkte zu übernehmen. Doch dass Edekas Erzrivale in der Übernahmeschlacht jetzt tatsächlich als Sieger vom Platz geht, ist allen Versprechungen zum Trotz recht unwahrscheinlich.


So soll der Verkäufer der Märkte, Tengelmann-Eigentümer Haub, von Caparros‘ Störmanövern alles andere als begeistert gewesen sein, heißt es in der Branche. Das dürfte künftige Verhandlungen nicht einfacher machen. Noch entscheidender: Rewe stünde letztlich vor ähnlichen wettbewerbsrechtlichen Beschränkungen wie Edeka.

Womöglich könnten die Kölner bei einem Deal mit dem Kartellamt ein paar Märkte mehr übernehmen als der Branchenprimus, doch eine Komplettübernahme dürfte die Behörde ähnlich resolut ablehnen, wie zuvor bei Edeka.

"Das Amt hat nur die Übernahme durch Edeka geprüft. Wir gehen davon aus, dass wir deutlich bessere Chancen hätten", betont Caparros zwar. Aber auch er weiß: "aus wettbewerbsrechtlicher Sicht wäre ein unabhängiger Käufer die beste Lösung".

Für das gesamte Unternehmen scheint es derzeit jedoch jenseits von Rewe und Edeka keinen Interessenten zu geben. Immer mal wieder tauchen zwar Spekulationen über Finanzinvestoren auf, die die Supermärkte komplett übernehmen, sanieren und anschließend weiterverkaufen wollen. Doch bislang hat sich keiner der Investoren aus der Deckung gewagt.

Das wahrscheinlichere Szenario: Die Supermarktkette wird zerschlagen - kleinere Handelsgruppen übernehmen einzelne Regionen und größere Wettbewerber sichern sich Standortpakete.

Diese Händler sind noch an Tengelmann interessiert

So hat bereits die Handelsgruppe Coop mit Sitz in Kiel, die unter der Marke Sky zahlreiche Märkte in Norddeutschland betreibt, Interesse an den Kaiser’s-Märkten in Berlin und Brandenburg signalisiert. "Coop hat schon länger ein Auge auf Berlin geworfen, um dort weitere Sky-Märkte zu eröffnen", sagt jüngst eine Unternehmenssprecherin.

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Aus Sicht der Kartellbehörden wäre Coop wohl der ideale Kandidat: Mit rund 1,3 Milliarden Euro Umsatz 2014 und gut 5000 Mitarbeitern sind die Kieler ein Leichtgewicht im deutschen Lebensmittelhandel.

Tegut-Offensive

Ähnliche gute Chancen hätte auch das hessische Handelsunternehmen Tegut. "Sollte es bei Kaiser's Tengelmann Bewegung geben, sind wir an den bayrischen Märkten interessiert und würden gerne in die Verhandlungen einsteigen", sagte Thomas Gutberlet, Geschäftsführer des mittelständischen Händlers der WirtschaftsWoche. Es wäre "geradezu fahrlässig, würden wir uns die Option nicht anschauen". Zuvor hatte bereits der Tegut-Eigner, die Schweizer Handelsikone Migros, Interesse an den bayrischen Supermärkten bekundet, die zuletzt rund 679 Millionen Euro Umsatz einspielten.

Gelänge das Manöver, wäre das ein gewaltiger Wachstumssprung für Tegut. Bisher betreibt das Unternehmen in Hessen, Thüringen und Nordbayern insgesamt 276 Märkte und erzielte zuletzt knapp eine Milliarde Euro Umsatz. Handelsexperten glauben, dass das Konzept von Tegut durchaus das Potenzial hätte, um die Münchner Tengelmann-Filialen wieder auf Kurs zu bringen. So setzen die Hessen seit Jahren auf das boomende Biosegment.

Auch Tegut-Eigentümer Migros käme eine Übernahme zupass. Der starke Schweizer Franken erleichtert die Finanzierung. Zugleich steht die Genossenschaft unter Expansionsdruck, weil die deutschen Billigheimer Aldi und Lidl im Schweizer Heimatmarkt wildern.
"Jetzt ist es an der Zeit, wieder stärker in die Offensive zu gehen", kündigt denn auch Gutberlet an. 2015 will er fünf neue Märkte eröffnen, 2016 sollen weitere zehn Filialen hinzukommen. Gelingt der Tengelmann-Coup wären diese Expansionszahlen indes Makulatur.

Problembereich NRW
Sowohl für die Berliner als auch die Bayerischen Tengelmann-Märkte deuten sich damit Lösungen jenseits von Edeka und Rewe an. Die große Frage bleibt, was mit Märkten in der Krisenregion Nordrhein-Westfalen passiert.

Das bereitet auch den Angestellten Sorge. Schon in dem Antrag auf Ministererlaubnis hatte Tengelmann-Patron Haub einen Verlust von "mindestens 8000 Arbeitsplätze" und die Schließung von 250 Filialen gewarnt, falls die Übernahme durch Edeka scheitert.

Auch wenn die Zahlen zu hoch gegriffen scheinen, zeichnet sich ab, dass es vor allem in Nordrhein-Westfalen problematisch werden dürfte, Interessenten für die Märkte zu finden. Hier ist der Modernisierungsstau am höchsten und die Konkurrenz am stärksten.

Möglicherweise lässt sich mit den Interessenten für München und Berlin aushandeln, dass sie auch einzelne Filialen in Nordrhein-Westfalen übernehmen müssen, um den Zuschlag zu erhalten. Zudem könnten auch weitere expansionsstarke Händler wie der Drogerieanbieter dm, die Bio-Kette Alnatura oder der SB-Warenhausbetreiber Kaufland einzelne Filialen übernehmen. Doch am Ende dürfte an Schließungen kaum ein Weg vorbei führen.

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