Kampf der Biosupermärkte Wie Handelsketten das Biogeschäft umpflügen

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Ein bittersüßer Boom

Nur mit Mühe kommen die meisten Biokrauter über die Runden, teils trudeln sie in die Pleite, teils geben sie freiwillig auf wie Henry van Calker. Nach fast 22 Jahren schloss er im November seine Bioecke in Zeven bei Bremen. „Ausschlaggebend ist, dass demnächst zwei Straßen weiter ein Filialist aufmacht“, sagte er dem Fachmagazin „Biohandel“. „Gegen ihn und seine 600 Quadratmeter werden wir als kleiner, inhabergeführter Laden nicht ankommen“, sagt van Calker. Eine Erfahrung, die auch Hakobyan in Hannover machte.

Dabei glaubte der gebürtige Armenier, auf den richtigen Trend gesetzt zu haben, als er Bittersüß vor acht Jahren übernahm. Die Biobranche hatte damals gerade ihr hutzeliges Körnerimage abgestreift, neue Konsumentengruppen kamen auf den Biogeschmack.

Hakobyan renovierte den Laden, heuerte freundliche Mitarbeiter an und baute sein Käse- und Weinangebot aus. Das Geschäft nahm Fahrt auf, der Umsatz stieg. „Das war die Ruhe vor dem Sturm“, erinnert sich Hakobyan und greift zu einer Flasche Limonade, auf der – natürlich – der Hinweis „Bio“ prangt.

Lukas Nossol. Quelle: Christoph Busse für WirtschaftsWoche

Mittlerweile sind die drei Buchstaben allgegenwärtig im Handel. Zählte Hakobyan anfangs nur einen einzigen direkten Konkurrenten in der Stadt, drängeln sich heute allein zehn Märkte von Denn’s und Alnatura in Hannover. Deutschlandweit ist bereits jeder vierte der insgesamt 2560 Bioläden in der Hand eines Filialisten – und sie sind nicht die einzigen Angreifer.

In den Regalen eines typischen Rewe-Marktes finden sich bereits rund 2000 Bioartikel, bei Kaufland sind es 1200. Selbst in den Filialen der Billigheimer Aldi, Lidl und Penny stapeln sich palettenweise Bananen, Tomaten und Gurken in EU-genormter Bioqualität. Binnen einer Dekade hat sich der Umsatz der Branche deutschlandweit von 2,9 Milliarden auf 8,6 Milliarden Euro 2015 mehr als verdoppelt.

Wo Verbraucher Bio-Lebensmittel kaufen

Die einstige Nischen- ist damit längst zu einer Volksbewegung avanciert, die in den kommenden Jahren weiteren Zulauf gewinnen dürfte. „Den Biobereich werden wir deutlich ausbauen“, kündigt Patrick Müller-Sarmiento, Chef der SB-Warenhauskette Real, an. Rewe-Boss Alain Caparros will in diesem Jahr einen neuen Ladentyp testen, mit dem Fokus auf Obst, Gemüse und „regionalen Bioprodukten“. Lidl-Deutschlandchef Marin Dokozić hat sich gar die Parole der früheren Grünen-Agrarministerin Renate Künast auf die Fahnen geschrieben: „Wir wollen, dass Bio für alle da ist“, sagt der Discounterfrontmann.

Dabei haben die Handelsriesen den Fachgeschäften schon heute den Rang abgelaufen. Biosupermarktketten, Hofläden und kleine Geschäfte à la Bittersüß kamen 2015 zusammen auf einen Marktanteil von 31 Prozent. Mehr als die Hälfte des gesamten deutschen Bioumsatzes gingen dagegen auf das Konto der Konventionellen. Mit steigender Tendenz. So kletterte der Absatz von Bioprodukten im klassischen Lebensmittelhandel 2016 um 13 Prozent, zeigen Daten des Marktforschers Nielsen. „Verbrauchermärkte und Discounter sind die Wachstumstreiber für Bioprodukte“, sagt Nielsen-Handelsexperte Fred Hogen.

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