Karl-Erivan Haub Tragödie am Matterhorn

Karl-Erivan Haub. Quelle: imago images

Nur vier Wochen nach dem Tod von Tengelmann-Patron Erivan Haub verunglückt dessen Sohn Karl-Erivan Haub bei einer Ski-Tour. Die Familie sieht keine Überlebenschance mehr für ihn.

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Seit Samstag fehlt jede Spur von dem Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub. Der 58-Jährige war von einer Skitour am Klein Matterhorn nicht zurückgekehrt. Seine Familie hatte die Polizei alarmiert, als er nicht zu einem vereinbarten Termin erschien.

Die Hoffnung, ihn lebend zu finden, hat sich offenbar nicht erfüllt. Nach mehr als sieben Tagen „in den extremklimatischen Bedingungen eines Gletschergebietes“ bestehe keine Überlebenswahrscheinlichkeit mehr, teilte der Tengelmann-Konzern am Freitagnachmittag im Namen der Familie mit. Aus der Überlebendensuche werde nun eine Bergungssuche. „Dieses Unglück ist sowohl für die Familie Haub, als auch das gesamte Familienunternehmen eine furchtbare und für alle unfassbare Tragödie“, sagte Tengelmann-Sprecherin Sieglinde Schuchardt.

Der älteste Sohn des erst vor wenigen Wochen verstorbenen Unternehmers Erivan Haub prägte den Konzern über Jahre hinweg. Schon früh war er mit dem familieneigenen Geschäft in Berührung gekommen. „Ich kann mich nicht erinnern, dass zu Hause über viel anderes gesprochen wurde als über ‚den Betrieb‘“, sagte der 1960 in den USA geborene Unternehmer einmal in einem Interview. Trotzdem sei ihm nichts geschenkt worden: „Wenn Sie jetzt denken, ich bin im Luxus groß geworden, dann täuschen Sie sich. Meine beiden Brüder und ich sind sehr geerdet aufgewachsen. Hartes Arbeiten und nichts verprassen, das haben unsere Eltern uns früh vermittelt. Mein Vater hat immer gesagt: 'Haben kommt vom Halten.'“

Haub lernt Lebensmittelkaufmann, natürlich bei Tengelmann, schließt das Studium in St. Gallen als Diplom-Kaufmann ab, startet bei dem Nahrungsmittelhersteller Nestlé und wird dann Berater bei McKinsey. 1991 wechselt er ins Familienunternehmen und nimmt dort als Projektleiter den „Aufbau Ost“ in Angriff. „Erst die Wendezeit hat die Lust am Unternehmersein in mir erweckt“, berichtete er. Im Jahr 2000 wird er Gesamtchef. „Ich habe zuvor bei McKinsey erlebt, wie man es in Firmen besser nicht macht.“ Nun muss er das eigene Unternehmen sanieren.

Damals steckte der Familienkonzern in der tiefsten Krise der Nachkriegszeit, und das Überleben hing am seidenen Faden. Haubs Vater Erivan hatte im In- und Ausland gleich reihenweise Handelsunternehmen und Supermarktfilialen gekauft und dabei den tiefgreifenden Wandel der Branche zu lange ignoriert. Auch von seinem Naturell war er wohl nicht ein Manager, der unrentable Geschäfte schließen und Mitarbeiter entlassen konnte. Während Vater Erivan die Supermarktkette mit seinem Privatvermögen über Wasser hielt, begannen Karl-Erivan und der ehemalige Wella-Manager Peter Zühlsdorff mit der Sanierung.

Bergsteiger und Skifahrer

Der Sohn griff mit harter Hand durch, verkaufte große Teile des Handelsgeschäfts, unter anderem die Süßwarenfabrik Wissol, eine weitere wichtige Keimzelle der Gruppe. Später folgte der Verkauf der Discount-Tochter Plus an Edeka. Die Verhandlungen 2008 verliefen zäh, das Kartellamt hatte erhebliche Bedenken. „Wie oft standen wir in den Verhandlungen mit dem Kartellamt in einer Sackgasse“, erinnerte sich der Tengelmann-Chef später. „Beim Laufen habe ich darüber nachgedacht: Wie kommen wir da weiter? Da ist mir im Wald ziemlich häufig etwas eingefallen.“

Neben dem Laufen zählte er auch andere Sportarten zu seinen Hobbys. Bergsteigen und Skifahren begeisterte ihn. Die Gegend um das Matterhorn, in der er nun verunglückte, war ihm deshalb nicht unbekannt. Mit 30 Jahren bestieg er zum ersten Mal den 4478 Meter hohen Berg auf der Grenze zwischen der Schweiz und Italien. In den vergangenen Jahren nahm er dort nach Angaben der Schweizer Zeitung „Blick“ auch immer wieder an der sogenannten Patrouille des Glaciers teil, einem traditionellen Skitourenrennen, das vom Militär veranstaltet wird.

Tengelmann ist stabil aufgestellt

Im Unternehmen agierte er nicht minder ehrgeizig. Als sich das Geschäft nach der Sanierungsarbeit langsam wieder stabilisierte, schaltete Haub auf Angriff um.

In seine Ära fällt der Aufstieg des Textil-Discounters Kik, die Aufstockung der Mehrheitsbeteiligung an der Baumarktkette Obi und der Einstieg des Familienunternehmens in den E-Commerce. In Jeans und Sneakers erschien Haub denn auch zum alljährlichen E-Commerce-Event seiner Unternehmensgruppe, dem Tengelmann E-Day, wo er mit Onlinehändlern, Unternehmern und Investoren über die digitale Zukunft sprach.

Zum Tengelmann-Portfolio gehören heute Beteiligungen an Zalando und Delivery Hero, aber auch Onlinehändler wie babymarkt.de.

Vom klassischen Lebensmittelhandel hatte er sich dagegen im Oktober 2014 endgültig verabschiedet. Damals hatte Haub kurzfristig zur Pressekonferenz in die Zentrale nach Mülheim an der Ruhr geladen, wo Kupferstiche italienischer Bauten an den Wänden prangen und Kronleuchter den Saal erleuchteten. Vor der historischen Kulisse verkündete Haub die Trennung von der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann, jenem Unternehmen, das einst den Aufstieg Tengelmanns zur milliardenschweren Handelsgruppe geebnet hatte. Er fühle sich „ein bisschen wie bei einer Beerdigung“, sagte Haub damals. Doch die Entscheidung stehe fest. Seit 15 Jahren schreibe Kaiser's Tengelmann Verluste, erklärte der drahtige Unternehmer im schwarzen Anzug vorne auf der Bühne. Kaiser's Tengelmann sei schlicht zu klein, um allein zu überleben. Er erklärte die Supermarktkette mit ihren 451 Läden an den Hamburger Wettbewerber Edeka zu verkaufen.

Noch während die Pressekonferenz lief, übermittelten die Nachrichtenagenturen bereits die erste Reaktion des Bundeskartellamtes in Bonn. Das Amt werde den Verkauf „intensiv prüfen“, gab Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, zu Protokoll. Tatsächlich kam es zu einem beispiellosen Gezerre um den Verkauf der Supermärkte – und zu einem erbitterten Schlagabtausch mit dem damaligen Rewe-Chef Alain Caparros. Am Ende wurde Kaiser’s Tengelmann zwischen Rewe und Edeka aufgeteilt. Haub war die letzte große Baustelle im Tengelmann-Portfolio los.

Zur Gruppe gehören heute Mehrheitsbeteiligungen an Firmen wie Obi und Kik. An dem Billiganbieter Tedi halten die Haubs eine Minderheit, ebenso wie an zahlreichen Internetfirmen. Zudem besitzt und verwaltet die Familie über die Trei Real Estate eine Fülle von Handels- und Gewerbeimmobilien im In- und Ausland.

Keine Frage, Haubs wahrscheinlicher Tod reißt eine Lücke, seine Familie trauert. Doch trotz dieser Tragödie ist Tengelmann stabil aufgestellt. Die einzelnen Beteiligungen und Töchter agieren weitgehend unabhängig voneinander. „Natürlich hat sich unsere Familie auf eine solche Situation vorbereitet, sodass der Geschäftsbetrieb ganz ruhig und geordnet weiterlaufen wird“, schrieb sein Bruder Christian Haub bereits in einem Brief an die Mitarbeiter.

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