Als ihnen im Jahr 2005 Thomas Middelhoff als neuer Vorstandschef vorgestellt wurde, hofften die Karstadt-Mitarbeiter: Nun werde alles gut. Es folgte die Insolvenz. Als im Jahr 2010 Nicolas Berggruen die Kaufhauskette übernahm, hofften sie erneut: Der Retter ist da. Es folgten Jahre des kaufmännischen Siechtums. Und dennoch hofften die 17.000 Mitarbeiter im vergangenen Jahr, als ihnen René Benko als neuer Eigentümer präsentiert wurde, erneut.
Unter Benko, 37, Immobilienentwickler und angeblich Milliardär, sollte endlich alles besser werden bei der abgeschlagenen Nummer zwei auf dem deutschen Kaufhausmarkt. Und Benko, der bereits 2012 Karstadt-Warenhäuser gekauft hatte, spielte mit dieser Erwartung. Er sei „zu Hilfe gerufen worden, um Berggruen als Gesellschafter abzulösen“, sagte er dem österreichischen Magazin „Format“.
Doch wie das im Karstadt-Reich in den vergangenen Jahren mit den Hoffnungen so war: Sie platzen meist noch schneller als die vielen Rettungsstrategien. Abermals drängt sich der Eindruck auf, dass Karstadt in die Hände eines Glücksritters gefallen ist, der bei „Sanierung“ eher an den eigenen Geldbeutel als an das Traditionsunternehmen denkt. Wer tiefer in das Firmengeflecht von Benkos Signa-Gruppe schaut, stößt auf zahlreiche Ungereimtheiten:
- Immobilien-Verschiebungen. Innerhalb der Signa-Gruppe werden Immobilien hin- und hergeschoben, teilweise sogar mit Gewinn untereinander verkauft. Manchmal ist Benkos größter Investor, der Reeder George Economou, als Zwischenhändler eingeschaltet. Er kauft einer Signa-Gesellschaft Anteile an einer Immobilie ab, um sie kurz darauf an eine andere Signa-Gesellschaft weiterzureichen – in einem Fall sogar am selben Tag. Fragen dazu beantwortete Benko nicht. Auf einen Katalog von 54 Fragen der WirtschaftsWoche schrieb sein Anwalt, dass sich eine Antwort darauf verbiete, „damit man unseren Klienten nicht den Vorwurf der Selbstbegebung machen kann“.
- Externe Geldgeber im Nachteil. Einiges deutet darauf hin, dass deutsche Versicherungen, die das Geld ihrer Kunden in einen Signa-Fonds steckten, bei mindestens einem derartigen Geschäft benachteiligt wurden, indem sie eine Immobilie zu billig an Benko verkauften (siehe Bildergalerie unten).
- Fragwürdige Gewinnquellen. Das gewichtigste Unternehmen des Gebildes, der Signa-Prime-Konzern, machte 2013 zwar 12,7 Millionen Euro Gewinn und schüttete 30 Millionen Euro Dividenden an Investoren wie Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking oder den österreichischen Bau-Mogul Hans-Peter Haselsteiner (Strabag) aus. Doch der Gewinn basiert wesentlich auf einer „Management-Fee“ von 38 Millionen Euro. Diese war fast genauso hoch wie die kompletten Mieteinnahmen des Konzerns. Wo die Gebühr so plötzlich herkommt, ist unklar. Im Vorjahr betrug dieser Einnahmeposten nur läppische 630.000 Euro. Ohne diese ominöse Geldquelle hätte Signa Prime einen Verlust ausweisen müssen.
- Interne Kredite. Auf Fragen nach der Solidität seiner Gruppe reagiert Benko aggressiv. Signa sei kapitalmäßig bestens aufgestellt, „mit einem Eigenkapitalanteil von mehr als 70 Prozent“, sagte Benko 2012 dem Magazin „News“. Wer etwas anderes behaupte, werde ab sofort verklagt. Doch im Signa-Reich wird mit Schulden ein großes Rad gedreht. Regelmäßig machen Kredite 70 Prozent des bilanzierten Immobilienwerts aus. Bedeutende Teile des benötigten Geldes werden in der Gruppe, meist über eine Kette an Gesellschaften, zusammengeliehen (siehe folgender Kasten).
Kreditketten in Benkos Signa-Gruppe
In Benkos Signa-Gruppe scheint prinzipiell jede Firma jeder anderen Kredit zu geben. Bleibt die Frage: Was soll das?
Schulden werden im Reich des René Benko kreativ verteilt. Der Kauf des noblen Hamburger Alsterhauses bietet eine Lehrstunde in moderner Finanz-Alchemie:
Die „Jungfernstieg 16–20 Immobilien KG“, die indirekt Benkos Signa-Prime-Gruppe und dessen Co-Investor Beny Steinmetz, gehörte, kauft das Alsterhaus. Anschaffungs- und Modernisierungskosten belaufen sich laut Bilanz auf 170 Millionen Euro. Davon leiht sich die KG 2013 knapp 116 Millionen Euro bei Banken. Das Eigenkapital der KG betrug Ende 2013 null Euro.
Weitere rund 53 Millionen Euro leiht sich die „Jungfernstieg 16–20 Immobilien KG“ für 6,35 Prozent Zins bei ihren Urgroßmüttern, der „Kaufhaus Immobilienholding A“ und der „Kaufhaus Immobilien Holding B“, beide Sitz Luxemburg. Zusammen saßen sie Ende 2013 auf nur 12 Millionen Eigenkapital, aber 500 Millionen Euro Schulden.
4. und 5. Kredit Die „Kaufhaus Immobilienholding A“ und die „Kaufhaus Immobilien Holding B“ leihen sich das Geld für etwa sechs Prozent Zins bei ihren Müttern – einer Firma von Benko-Partner Steinmetz und der „Signa Prime Luxemburg“.
6. Kredit Die „Signa Prime Luxemburg“ ihrerseits hat auch kaum Kapital. Sie leiht sich also auch wieder 258 Millionen Euro bei ihrer Mutter, der Signa Prime Selection AG. Hier endet die Kette – vorläufig.
Unter dem Strich kommt der Signa-Prime-Konzern bei 466 Millionen Euro Eigenkapital auf mehr als doppelt so hohe Schulden – zum Großteil bei Banken. Dass das Signa-Modell vor allem auf Pump basiert, wird auch nicht dadurch aufgewogen, dass die Signa Holding mit 211 Millionen Euro Eigenkapital zu 71 Millionen Euro Schulden laut letztem veröffentlichten Geschäftsbericht 2012 deutlich solider dastand. Der Signa-Prime-Konzern war 2013 mit einer Bilanzsumme von 1,9 Milliarden Euro sieben Mal so groß wie die Signa Holding.
Kettenkredite werden nicht nur jeweils innerhalb der drei Gruppen (Holding, Prime und Fonds) vergeben, sondern auch zwischen den Signa-Gruppen. Signa Prime etwa weist 2013 „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“ allein gegenüber der Signa Holding über gut 20 Millionen Euro aus. Holding-Beteiligungen mit Sitz in Luxemburg gaben der Prime- Gruppe im selben Jahr auch ein paar Millionen Euro als verzinste Darlehen.
Den teuersten Kredit erhielt mit einem jährlichen Zinssatz von 20 Prozent die deutsche Sevens KG, Eigentümerin des gleichnamigen Düsseldorfer Kaufhauses und teilweise im indirekten Besitz des Signa-Fonds, in den deutsche Versicherer investiert haben. Das Oberpollinger in München zahlt für Signa-Geld immerhin noch gut acht Prozent Zins pro Jahr.
Kettenkredite innerhalb der Gruppe zu vergeben, statt mit Eigenkapital zu arbeiten, kann Vorteile haben: Zum einen können so regelmäßig liquide Mittel an die kreditgebenden Gesellschaften zurückfließen, und die können dadurch unter Umständen auch stabile Einnahmen und Gewinn ausweisen – unabhängig davon, wie es bei der Immobilie läuft. Für die Signa Prime Selection AG waren „Zinsen und ähnliche Erträge“ von verbundenen Unternehmen 2013 eine wichtige Einnahme.
Auffällig ist, dass die Immobilien indirekt in der Regel von Luxemburger Gesellschaften gehalten werden, über die auch die teilweise hoch verzinsten Kredite durchgeleitet werden. Zuletzt kam heraus, dass Luxemburg Konzernen, auch Signa, Finanztransaktionen genehmigt hatte, die halfen, Milliarden an Steuern zu vermeiden.
Es war im Jahr 2005, als der erste vermeintliche Retter bei der damaligen KarstadtQuelle AG den Chefposten besetzte: Der heute wegen Untreue in Haft sitzende, aber noch nicht rechtskräftig verurteilte Middelhoff übernahm als Vorstandschef einen Konzern mit schwindenden Umsätzen und hohen Schulden. Er verkaufte Immobilien des in Arcandor umbenannten Konzerns für 4,5 Milliarden Euro. Was aussah wie ein Befreiungsschlag, wurde zur tödlichen Falle: Die Mietverträge zwischen Karstadt und den neuen Immobilienbesitzern laufen über Jahrzehnte. Die Folge: Filialschließungen scheinen unbezahlbar.
Karstadt im komplexen Firmengeflecht
Im Sommer 2009 ging Arcandor pleite. Berggruen übernahm das Karstadt-Geschäft Mitte 2010 für einen Euro – und saugte noch Geld aus dem Unternehmen. Im Sommer 2014 verschenkte er es an Benko. Operativ hatte Karstadt im letzten Berggruen-Geschäftsjahr 124 Millionen Euro Verlust gemacht.
Zwar war die Ausgangslage für Benko wenig aussichtsreich. Bei einer Insolvenz aber hätten die Karstadt-Immobilien, die ihm zum Teil seit 2012 ja schon gehörten, ohne Mieteinnahmen dagestanden. Seine Kredite hätten notleidend werden, die Banken im schlimmsten Fall pfänden können. „Davon hätte er sich nie wieder erholt“, sagt ein Banker.
An dieser Lage hat sich im Grundsatz wenig geändert. „Einen Milliardär als Eigentümer hatten wir schon. Die geben erst recht nichts“, schätzt eine Karstadt-Mitarbeiterin die Lage ein. Im Weihnachtsgeschäft ist der Karstadt-Umsatz zum Vorjahr um sechs Prozent zurückgegangen. Die Lebensmitteltochter Perfetto, an der Rewe beteiligt ist, soll laut einem Bericht der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ unter Kunden- und Umsatzrückgang leiden. 2013 hatte Perfetto Verlust gemacht.
Der neue Karstadt-Chef Stephan Fanderl will nun Filialen schließen und Mitarbeiter entlassen. Ein Teil der Verkäufer soll laut Gewerkschaft Verdi zu Regaleinräumern degradiert werden und könnte weniger Gehalt bekommen – eine Idee, die womöglich am Flipchart überzeugt, aber schwierig umzusetzen ist. Denn Mitarbeiter können sich individuell wehren, „und das gegen ihren Willen per Gerichtsbeschluss durchzusetzen ist nahezu unmöglich“, sagt der Arbeitsrechtler Stefan Filippi. Jetzt laufen Verhandlungen mit dem Betriebsrat.
Benkos Signa-Gruppe versteht sich darauf, heruntergekommene Gebäude in Top-Lagen zu kaufen und auf Vordermann zu bringen. Vor allem in Wien gehören Signa viele Objekte, gern angeführt als augenscheinlicher Beweis für Benkos unternehmerisches Geschick. Immobilien stehen für Solidität und Klarheit: Hier das Gebäude, dort sein Besitzer. Doch so einfach liegen die Dinge nicht in Benkos Reich. Hinter einzelnen Objekten steht ein Dutzend Signa-Unternehmen, die teilweise innerhalb der Gruppe umhergereicht werden. Ein Dickicht, ständig in Bewegung, voll mit Krediten. Grob lässt sich das Sammelsurium an Firmen in drei Gruppen teilen:
- Signa Holding. Unter ihrem Dach finden sich Immobiliengesellschaften und auch das Handelsgeschäft von Karstadt. Benkos Familienstiftungen und der griechische Reeder George Economou halten jeweils 50 Prozent.
- Signa Prime Konzern. Sie bündelt vor allem Immobiliengesellschaften. Aktionäre sind mittelbar Benkos Privatstiftungen, ein Staatsfonds von Abu Dhabi (22 Prozent), Fressnapf-Gründer Torsten Toeller (10 Prozent), Baumogul Haselsteiner (4 Prozent) und Wiedeking (3,4 Prozent).
Die Komparsen in der Kaufhaus-Soap um Karstadt
Durch die Fusion des ererbten Quelle-Versands mit Karstadt wird Schickedanz größte Aktionärin des Konzerns. Nach und nach stockt sie ihre Anteile auf – vor allem mit Millionenkrediten von Sal. Oppenheim.
Der Troisdorfer Immobilienentwickler Esch wird Vermögensberater von Schickedanz.
Der frühere Bertelsmann-Chef Middelhoff wird zum Aufsichtsratsvorsitzenden des Karstadt-Quelle-Konzerns und entert wenig später den Chefposten. Auch er nutzt die Dienste von Esch.
Die Kredite an Schickedanz werden für Sal.-Oppenheim-Chef von Krockow zum Problem.
Der Kölner Insolvenzverwalter Görg übernimmt das Kommando in Essen und findet einen Konzern vor, in dem selbst der „Staub aus den Ecken“ noch zu Geld gemacht worden sei. Die Rettung von Quelle scheitert, Karstadt wird verkauft.
Karstadt-Chefin Sjöstedt räumt ihren Posten. „Ich will lange hierbleiben“, hatte sie zum Einstand versprochen. Fünf Monate später war sie wieder weg.
- Signa Funds. Die Gruppe hat mehrere geschlossene Fonds aufgelegt. Flaggschiff ist der „Signa Recap Development Fund 01“. Ein geschlossener Immobilienfonds, der unter anderem von deutschen Versicherern wie Gothaer, LVM Lebensversicherung und Talanx sowie von einer Versorgungskasse für evangelische Pfarrer mit Kapital ausgestattet wurde.
Die Grundlage für diese Karriere bildeten zwei Dachböden, die Benko in Wien kaufte, nachdem er ein Jahr vor dem Abitur die Schule abgebrochen hatte. Er baute sie zu Luxusapartments aus und verkaufte sie teuer. Der Tankstellenerbe Karl Kovarik gab ihm das Startkapital für seine ersten millionenschweren Immobilien-Investments. Später wird Economou einer seiner wichtigsten Finanziers.
Heute führt Benko ein luxuriöses Leben, besitzt Privatjets und trifft Geschäftsleute auf einer Signa-Yacht. In Oberlech am Arlberg hat er für 38 Millionen Euro das „Chalet N“ bauen lassen, das er für 270.000 Euro pro Woche vermietet. Bei seinen Empfängen, wie dem Weinlesefest „Törggelen“ im Wiener Palais Harrach, trifft sich die Hautevolee Österreichs – von Friedrich Stickler, dem Ex-Präsidenten des Österreichischen Fußball-Bundes, über Tankstellenbetreiber Markus Friesacher bis zu Außenminister Sebastian Kurz; Tina Turner und DJ Ötzi waren auch schon da. In Düsseldorf gehört er zu den Sponsoren des Ständehaus-Treffs, bei dem Hochkaräter wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier oder E.On-Chef Johannes Teyssen referieren.
Immobilienbewertung nicht nachprüfbar
„Er baut zu potenziellen Geldgebern eine persönliche Beziehung auf und macht sie zum Teil seines Privatlebens“, sagt ein Geschäftspartner. „So schafft er die Basis dafür, dass wohlhabende Privatpersonen investieren.“ Sein Reichtum beeindruckt – das Wiener Wirtschaftsmagazin „Trend“ schätzte sein Vermögen auf 850 Millionen Euro. Andernorts wurde er als Milliardär bezeichnet. Den „Multimillionär“ ließ er bislang unwidersprochen stehen. „Wenn ein so junger Bengel schon Milliarden auf dem Konto hat und im Privatjet um die Welt fliegen kann, dann müssen seine Geschäfte ja gut laufen“, sagt ein sehr wohlhabender Bekannter. „Was er in so jungen Jahren geschafft hat, ist einfach nur beeindruckend“, sagt einer seiner Investoren. „Jeder würde doch gerne an dem Erfolg teilhaben.“
Wie groß ist dieser Erfolg aber wirklich? Die Signa-Gruppe selbst spricht von einem „Immobilienvermögen von über sechs Milliarden Euro“. Das ist nur schwer nachzuprüfen. Wie sie auf die Summe kommt, wollte Signa nicht erläutern. Die Bilanz des Signa-Prime-Konzerns wies Ende 2013 nur Sachwerte und Finanzanlagen wie Beteiligungen an Immobiliengesellschaften von 1,36 Milliarden Euro aus, die Signa Holding kam laut letztem veröffentlichen Geschäftsbericht Ende 2012 auf 206 Millionen Euro.
Karstadt-Immobilien dürften allenfalls mit einer weiteren Milliarde zu Buche schlagen – in der Summe wären das geschätzt 2,6 Milliarden Euro. Diverse Signa-Immobilien, wie etwa „The Cube“ in Eschborn, Sitz der Deutschen Börse, werden Benko zwar häufig zugeschrieben, gehören aber den Anteilseignern geschlossener Fonds, also etwa den Versicherern.
So verdient Benko sein Geld
Die 1999 von Renè Benko gegründete Signa Holding GmbH ist Österreichs größtes privates Immobilienunternehmen. Insgesamt verfügt die Sigma-Gruppe nach eigenen Angaben über ein Immobilienvermögen von mehr als sechs Milliarden Euro. Die Unternehmensgruppe umfasst im Wesentlichen vier zentrale Geschäftsbereiche. Der Konzern hat heute mehr als 150 Mitarbeiter.
Das Vorzeige-Unternehmen der Signa Holding investiert langfristig in Immobilien in den 1A- Innenstadtlagen. Nach eigenen Angaben zählt es zu führenden Eigentümern, Entwicklern und Betreibern innerstädtischer Einzelhandelsimmobilien im deutschsprachigen Europa. Der Immobilienkonzern besitzt unter anderem das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck, die Renngasse 2 sowie das Goldene Quartier in Wien. Zu den bekanntesten Objekten in Deutschland zählen das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus Hamburg und das Kaufhaus Oberpollinger im Zentrum Münchens.
Nach der Übernahme der Karstadt-Premium- und Sporthäuser baute das Unternehmen einen eigenen Geschäftsbereich Signa Retail zu deren Steuerung auf. Diese Signa Retail GmbH übernimmt nun die Karstadt Warenhaus GmbH vollständig.
Immobilienvermögen insgesamt: rund vier Milliarden Euro.
Mit ihrem Development-Ableger entwickelt und baut die Signa Holding Geschäfts-, Büro- und Hotelflächen in europäischen Innenstädten, die sie anschließend vermietet. Derzeit wird an 13 Projekten in Österreich, Italien und Deutschland gearbeitet. Dazu zählt unter anderem das Kaufhaus Viktoria in Bonn
Investitionsvolumen insgesamt: rund 2, 2 Milliarden Euro
Die Tochtergesellschaft Signa Real Estate Capital Partners der Unternehmensgruppe berät Anleger im Bereich Private Equity Real Estate. Im Fokus stehen innerstädtische Einzelhandelsobjekte sowie Büroobjekte.
Die Tochter Signa Property Funds unterstützt Anleger bei Investitionen. Als bankenunabhängiger Finanzdienstleister entwickelt und vertreibt sie Immobilienanlagekonzepte für Privatanleger und institutionelle Investoren.
Das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck gilt als Benkos Gesellenstück. 2002 wurde das Traditionshaus geschlossen. Benko kaufte es 2004 und wandelte es bis 2010 in ein Einkaufszentrum um. Wer immer Benkos unternehmerischen Mut lobt, führt als Beispiel das Kaufhaus Tyrol an. Was genau aber lief hier ab?
2009 gehörte das Tyrol über eine Kette von Zwischengesellschaften weitgehend der „Laura Privatstiftung“, die Benko für seine Tochter eingerichtet hatte, und einer Gesellschaft, die von Reeder Economou kontrolliert wird. Im Oktober 2009 verkaufte die Stiftung ihre Hälfte an den Signa-Fonds. Am 27. Januar 2011verkaufte der Fonds laut Geschäftsbericht einer Fondstochter den Anteil an eine Gesellschaft von Benko-Freund Economou. Noch am selben Tag schob dieser den Anteil an Benkos Signa Prime weiter. Und zwar so geschickt, dass das wohl kaum einer mitbekommen hat (siehe Bildergalerie auf der ersten Seite).
Nach außen wirkte der Deal, als ob das Tyrol an einen Externen verkauft worden sei – und nicht an den Brötchengeber des Fondsmanagers. Es besteht der Verdacht, dass das Kaufhaus zu billig abgegeben wurde. Auffällig ist, dass das Tyrol gerade in der Zeit, als der Fonds dort investiert war, eine fulminante Wertsteigerung hingelegt hatte. Der Wert laut Gutachten stieg von 131 Millionen Euro im Juni 2009 auf 233 Millionen Euro im Herbst 2010. Dennoch wurde das Kaufhaus – solange der Fonds investiert war – in der Bilanz nur mit 152 Millionen Euro angesetzt. Erst als das Objekt 2011 bei Signa landete, wurde es auf 229 Millionen Euro hochgeschrieben.
Bei der Büroimmobilie „Haus an der Wien“, mussten die Fondseigner sogar massive Abschreibungen hinnehmen. 2008 kaufte die „Laura Privatstiftung“ über eine Zwischengesellschaft die ehemalige Zentrale der Bank Austria. Kurz darauf ging die Hälfte des Objekts an eine Gesellschaft namens Staralpha Holdings über, die eng mit Economou zusammenhängt. Die andere Hälfte verkaufte Benko schon sechs Monate später an den Signa-Fonds, in dem das Versicherer-Kapital steckt. Ob die „Laura Privatstiftung“ dabei Gewinn machte, ist unklar. Stiftungen müssen keine Bilanzen veröffentlichen.
Für den Signa-Fonds war der Kauf kein guter Deal. 2010 schrieb er 1,2 Millionen Euro auf das „Haus an der Wien“ ab. 2013 kamen satte 8,3 Millionen Euro hinzu. Aus einem Anfang 2014 angemeldeten Verkauf der Immobilie an einen Fonds der Union Investment wurde vermutlich nichts. Im Grundbuch ist immer noch eine Beteiligungsfirma des Signa-Fonds als Eigentümerin eingetragen.
Immobilien- und Firmenverschiebungen gibt es bei Signa häufig. Die verschachtelten Strukturen verbergen, welche Immobilie gerade wem gehört.
- Am Münchner Edelkaufhaus Oberpollinger war ein Dutzend verschiedene Signa-Unternehmen mit immer wieder anderen Quoten beteiligt.
- Die frühere Zentrale der Bawag in Wien, die in ein Einzelhandels- und Bürohaus umgewandelt wurde, war ursprünglich im Besitz von Economou und des Signa-Fonds. Der Fonds verkaufte seinen Anteil 2012 an Signa Prime. Ob das Objekt öffentlich angeboten und so zum bestmöglichen Preis für den Fonds oder quasi unter der Hand an Signa Prime weitergereicht wurde, ist unbekannt. Economou hatte seinen Anteil 2011 an die Signa Holding verkauft, die ihn einen Monat später an Signa Prime verkaufte. Ob die Signa Holding dabei auch einen Zwischengewinn verbucht hat, ist nicht nachprüfbar. Im Geschäftsbericht werden nicht einmal die Tochterunternehmen aufgeführt, die Immobilien halten. Auch deshalb fallen interne Deals, an denen die Holding beteiligt ist, nicht auf.
Signa beruft sich auf ein österreichisches Gesetz, das Unternehmen das Verschweigen von Beteiligungen erlaubt, wenn ihnen die Veröffentlichung „einen erheblichen Nachteil zufügen“ würde. Schädlich wäre Transparenz wohl nur für Benkos Ruf. Die Aktionäre der Signa Prime oder die am Fonds beteiligten Versicherer könnten unangenehme Fragen stellen, etwa: Warum sie sich am Kaufhaus Tyrol beteiligen durften, Benko das Karstadt Sport in München aber knapp zur Hälfte seiner Privatstiftung und zu gut einem Drittel der Signa Holding zuschusterte. Die konnten das Objekt nach eigenen Angaben nach kurzer Zeit „sehr zufriedenstellend“ wieder veräußern.
Genügend Geld für radikalen Karstadt-Umbau?
Benko schart Prominente um sich, die seiner Gruppe die nötige Seriosität verleihen sollen. Im Signa-Beirat sitzen etwa der frühere österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess. In Deutschland hat er neben Wiedeking auch Beraterlegende Roland Berger für das Gremium gewonnen. „Wenn jemand wie Berger seinen Namen für Benko hergibt, dann wird das schon seriös sein“, sagt ein Geschäftspartner.
Benko kann Politiker wie Geschäftsleute schnell für sich einnehmen. Sie beschreiben den 37-Jährigen als zurückhaltend, teilweise sogar schüchtern. „Er ist trotz seines Reichtums nicht abgehoben“, sagt ein Banker. Seine Objekte kenne er genau, habe auch deren Zahlen im Kopf. „Er kann jede Frage beantworten. Das ist sehr überzeugend“, sagt ein anderer Banker. Obwohl Benko bei Signa keine Funktion mehr hat – als Großaktionär darf er nur im Beirat mitdiskutieren – ist er die zentrale Person. Seine „Führungskräfte lässt er ausführen, strategische Entscheidungen trifft er selbst“, sagt ein Geschäftspartner.
Karstadts Krisen-Chronik
Mit seinem früheren Mutterkonzern Arcandor war Karstadt 2009 in die Insolvenz gerutscht. Im Juni 2010 stieg Investor Nicolas Berggruen ein. Von seinem Einspringen wurde die Wende erhofft. Die Chronik der Krise.
Für die wichtigsten Arcandor-Gesellschaften - darunter die Karstadt Warenhaus GmbH - wird am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 1. Dezember wird bekannt, dass zehn Karstadt-Standorte mit teils mehreren Häusern nach Angaben der Insolvenzverwaltung geschlossen werden sollen. Etwa 1200 Mitarbeiter sind betroffen.
Beim Essener Amtsgericht wird am 15. März ein Insolvenzplan vorgelegt. Am 12. April stimmen die Gläubiger dem Plan zu. Am 1. Juni haben von bundesweit 94 Kommunen bis auf drei bereits alle einem Verzicht auf die Gewerbesteuer zugestimmt. Die im Insolvenzplan geforderte Zustimmungsquote von 98 Prozent gilt damit als sicher. Nur sechs Tage später erhält die Berggruen Holding vom Gläubigerausschuss den Zuschlag zur Übernahme. Einen Tag später unterschreibt Berggruen den Kaufvertrag unter Vorbehalt. Berggruen fordert vom Karstadt-Standortvermieter Highstreet deutliche Mietsenkungen. Am 14. Juni endet eine erste Verhandlungsrunde zu den künftigen Mieten ohne Ergebnis. Am 20. Juni lehnt Berggruen ein Angebot von Highstreet über Mietsenkungen von mehr als 400 Millionen Euro ab.
Am 26. August hat sich Berggruen mit der Essener Valovis-Bank geeinigt: Die Bank hatte Highstreet ein Darlehen über 850 Millionen Euro gewährt und dafür im Gegenzug 53 Waren-, Sport- und Parkhäuser als Sicherheit erhalten. Man habe sich unter anderem darauf verständigt, dass Berggruen dieses Darlehen bis 2014 ablösen könne, heißt es. Am 2. September stimmen die Highstreet-Gläubiger den geforderten Mietsenkungen zu.
Am 30. September hebt das Essener Amtsgericht das Insolvenzverfahren auf. Damit erhält Berggruen zum 1. Oktober die Schlüsselgewalt für die Karstadt Warenhaus GmbH. 40.000 Gläubiger verzichten auf zwei Milliarden Euro. Die Belegschaft verzichtet auf 150 Millionen Euro.
23. November: Der frühere Woolworth-Manager Andrew Jennings wird zum neuen Karstadt-Chef bestellt. Er beginnt Anfang Januar 2011.
Jennings legt am 6. Juli das Konzept „Karstadt 2015“ vor: Modernisierung der Warenhäuser, stärkeres Online-Geschäft und Expansion der Sporthäuser sind der Kern.
Am 16. Juli kündigt Karstadt die Streichung von 2000 Stellen an.
Karstadt kündigt am 13. April 2013 eine „Tarifpause“ für die Beschäftigten an. Am 9. Juni bestätigt das Unternehmen, dass der Vertrag von Karstadt-Chef Jennings zum Jahresende ausläuft.
Im Februar kommt Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt nach Essen und übernimmt den Geschäftsführerposten. Am 7. Juli legt Sjösted nach nur fünf Monaten alle Ämter nieder. Als Grund dafür nennt sie, dass die „Voraussetzungen“ für den von ihr angestrebten Weg nicht mehr gegeben seien.
Der Österreicher René Benko kauft Karstadt im August für nur einen Euro. Der bisherige Eigentümer Nicolas Berggruen zieht sich komplett zurück. Die Sanierungsaufgaben bleiben gewaltig.
Entscheidungen könnten jetzt einige anstehen – zur Sanierung von Karstadt und zu den Karstadt-Immobilien. Wie aus den Immobilien Geld zu holen ist, hat Benko etwa beim Karstadt Sporthaus in Hamburg gezeigt. Die „Immobilienzeitung“ berichtete, dass er dessen Miete erhöhte und Karstadt dafür vorab Cash gab. Nach einem Umbau soll er das einst für 55 Millionen Euro gehandelte Objekt für über 100 Millionen Euro wieder verkauft haben. Die Preise für Gewerbeimmobilien richten sich in der Regel nach der Höhe der Mieteinnahmen. Laut Geschäftsbericht der Karstadt Warenhaus GmbH hat Signa Mieterhöhungen gegen Cash in dem im September 2013 abgelaufenen Geschäftsjahr an sechs Karstadt-Standorten durchgezogen.
Benko hatte die Häuser gemeinsam mit dem Diamantenhändler Beny Steinmetz gekauft. Kürzlich teilte Signa mit, die beiden hätten sich getrennt. Steinmetz soll die einfachen Filialen übernommen haben, während die Premiumhäuser bei Benko verblieben. Im Handelsregister ist davon bislang aber nichts zu sehen. Demnach hat Signa Prime ihren Anteil an den Premiumhäusern zwar Mitte Januar erhöht. Steinmetz ist danach aber weiter an Bord. Selbst wenn der Deal stattgefunden hat: Steinmetz ist ausgebufft. Er hätte vermutlich eine Mietausfallbürgschaft verlangt. Ob das geschah, ist unbekannt.
Karstadt könnte Benko dann weiter mit in den Abgrund reißen. Seine Optionen, um dagegenzuhalten, sind überschaubar – vor allem aber kosten sie Geld. Karstadt zu verkleinern und die Flächen wie in Hamburg an andere Einzelhändler zu vermieten dürfte nicht überall möglich sein. Seit der Online-Handel boomt, schrumpft die Nachfrage nach Flächen. Für eine Umwandlung in Büros oder Wohnungen braucht es geänderte Flächennutzungspläne und teure Renovierungen.
Alternativ könnte Benko Karstadt endlich radikal umbauen. Doch auch das kann kostspielig werden. Karstadt betreibt auch Häuser, die Benko nicht gehören. Die zu schließen kostet Geld. Warum sonst sollten die Vermieter die Mietverträge auflösen? Hinzu kommen Abfindungen für Mitarbeiter. Die übrigen Filialen müssen modernisiert werden. Dass Benko dafür Geld gibt, gilt Karstadt-intern als fraglich.
Benko beschäftigt sich wohl längst mit Größerem. Mehrere Personen in seinem Umfeld sagen, dass er auch noch die Metro-Tochter Kaufhof übernehmen wolle, und berichten, dass die Finanzierung von geschätzt zwei bis drei Milliarden Euro schon stehen würde. Kapital zu beschaffen, um ein noch größeres Rad zu drehen, wird für ihn aber nicht einfacher. Institutionelle Investoren, wie manche Pensionskasse oder Versicherung, könnten in seiner Person ein Reputationsrisiko sehen, seit Benko 2014 letztinstanzlich wegen versuchter Einflussnahme verurteilt wurde. Der Oberste Gerichtshof in Wien sah es als erwiesen an, dass Benko über einen Berater versucht hat, ein Steuerverfahren gegen Signa in Italien positiv zu beeinflussen. „Korruption ist eine schwerwiegende Straftat. Damit will keiner was zu tun haben“, sagt ein Investor.
Großinvestoren stören sich auch an den schwer durchschaubaren Unternehmensstrukturen, sagt einer, der sich mal mit Signa beschäftigt hat. Interne Immobilienverkäufe kommen bei ihnen auch nicht gut an. „Das hat immer ein Gschmäckle.“ Und Metro-Chef Olaf Koch soll sich ohnehin gegen einen Verkauf des Kaufhofs an Signa sperren. Der wolle erst mal abwarten, ob Benko Karstadt stabilisiert bekommt. Metro wollte sich hierzu nicht äußern.
Benko muss nun, wie er laut einem Freund kürzlich selbst sagte, „erst mal beweisen, dass ich nicht nur Immobilien, sondern auch Handel kann“.
Zweifel sind angebracht.