Karstadt-Eigentümer Der schöne Schein von Benkos Reich

Es ist der strahlende Hoffnungsträger bei Karstadt: Der österreichische Investor René Benko

Der Österreicher René Benko wurde als Retter des Kaufhauskonzerns Karstadt gefeiert. Doch der Blick in sein Firmenimperium offenbart vor allem interne Kredite und fragwürdige Immobiliengeschäfte.

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Als ihnen im Jahr 2005 Thomas Middelhoff als neuer Vorstandschef vorgestellt wurde, hofften die Karstadt-Mitarbeiter: Nun werde alles gut. Es folgte die Insolvenz. Als im Jahr 2010 Nicolas Berggruen die Kaufhauskette übernahm, hofften sie erneut: Der Retter ist da. Es folgten Jahre des kaufmännischen Siechtums. Und dennoch hofften die 17.000 Mitarbeiter im vergangenen Jahr, als ihnen René Benko als neuer Eigentümer präsentiert wurde, erneut.

Unter Benko, 37, Immobilienentwickler und angeblich Milliardär, sollte endlich alles besser werden bei der abgeschlagenen Nummer zwei auf dem deutschen Kaufhausmarkt. Und Benko, der bereits 2012 Karstadt-Warenhäuser gekauft hatte, spielte mit dieser Erwartung. Er sei „zu Hilfe gerufen worden, um Berggruen als Gesellschafter abzulösen“, sagte er dem österreichischen Magazin „Format“.

Immobilienhandel in der Signa-Gruppe
Kaufhaus Oberpollinger Quelle: dpa
Haus an der Wien Illustration Quelle: PR
Kaufhaus Tyrol Quelle: Hafelekar CC Attribution 3.0 Unported
Kaufhaus Tyrol Quelle: Hafelekar CC Attribution 3.0 Unported (Hintergrundbild), Montage: WirtschaftsWoche
Kaufhaus Tyrol Quelle: Hafelekar CC Attribution 3.0 Unported (Hintergrundbild), Montage: WirtschaftsWoche

Doch wie das im Karstadt-Reich in den vergangenen Jahren mit den Hoffnungen so war: Sie platzen meist noch schneller als die vielen Rettungsstrategien. Abermals drängt sich der Eindruck auf, dass Karstadt in die Hände eines Glücksritters gefallen ist, der bei „Sanierung“ eher an den eigenen Geldbeutel als an das Traditionsunternehmen denkt. Wer tiefer in das Firmengeflecht von Benkos Signa-Gruppe schaut, stößt auf zahlreiche Ungereimtheiten:

  • Immobilien-Verschiebungen. Innerhalb der Signa-Gruppe werden Immobilien hin- und hergeschoben, teilweise sogar mit Gewinn untereinander verkauft. Manchmal ist Benkos größter Investor, der Reeder George Economou, als Zwischenhändler eingeschaltet. Er kauft einer Signa-Gesellschaft Anteile an einer Immobilie ab, um sie kurz darauf an eine andere Signa-Gesellschaft weiterzureichen – in einem Fall sogar am selben Tag. Fragen dazu beantwortete Benko nicht. Auf einen Katalog von 54 Fragen der WirtschaftsWoche schrieb sein Anwalt, dass sich eine Antwort darauf verbiete, „damit man unseren Klienten nicht den Vorwurf der Selbstbegebung machen kann“.
  • Externe Geldgeber im Nachteil. Einiges deutet darauf hin, dass deutsche Versicherungen, die das Geld ihrer Kunden in einen Signa-Fonds steckten, bei mindestens einem derartigen Geschäft benachteiligt wurden, indem sie eine Immobilie zu billig an Benko verkauften (siehe Bildergalerie unten).
  • Fragwürdige Gewinnquellen. Das gewichtigste Unternehmen des Gebildes, der Signa-Prime-Konzern, machte 2013 zwar 12,7 Millionen Euro Gewinn und schüttete 30 Millionen Euro Dividenden an Investoren wie Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking oder den österreichischen Bau-Mogul Hans-Peter Haselsteiner (Strabag) aus. Doch der Gewinn basiert wesentlich auf einer „Management-Fee“ von 38 Millionen Euro. Diese war fast genauso hoch wie die kompletten Mieteinnahmen des Konzerns. Wo die Gebühr so plötzlich herkommt, ist unklar. Im Vorjahr betrug dieser Einnahmeposten nur läppische 630.000 Euro. Ohne diese ominöse Geldquelle hätte Signa Prime einen Verlust ausweisen müssen.
  • Interne Kredite. Auf Fragen nach der Solidität seiner Gruppe reagiert Benko aggressiv. Signa sei kapitalmäßig bestens aufgestellt, „mit einem Eigenkapitalanteil von mehr als 70 Prozent“, sagte Benko 2012 dem Magazin „News“. Wer etwas anderes behaupte, werde ab sofort verklagt. Doch im Signa-Reich wird mit Schulden ein großes Rad gedreht. Regelmäßig machen Kredite 70 Prozent des bilanzierten Immobilienwerts aus. Bedeutende Teile des benötigten Geldes werden in der Gruppe, meist über eine Kette an Gesellschaften, zusammengeliehen (siehe folgender Kasten).

Kreditketten in Benkos Signa-Gruppe

Auffällig ist, dass die Immobilien indirekt in der Regel von Luxemburger Gesellschaften gehalten werden, über die auch die teilweise hoch verzinsten Kredite durchgeleitet werden. Zuletzt kam heraus, dass Luxemburg Konzernen, auch Signa, Finanztransaktionen genehmigt hatte, die halfen, Milliarden an Steuern zu vermeiden.

Es war im Jahr 2005, als der erste vermeintliche Retter bei der damaligen KarstadtQuelle AG den Chefposten besetzte: Der heute wegen Untreue in Haft sitzende, aber noch nicht rechtskräftig verurteilte Middelhoff übernahm als Vorstandschef einen Konzern mit schwindenden Umsätzen und hohen Schulden. Er verkaufte Immobilien des in Arcandor umbenannten Konzerns für 4,5 Milliarden Euro. Was aussah wie ein Befreiungsschlag, wurde zur tödlichen Falle: Die Mietverträge zwischen Karstadt und den neuen Immobilienbesitzern laufen über Jahrzehnte. Die Folge: Filialschließungen scheinen unbezahlbar.

Karstadt im komplexen Firmengeflecht

Im Sommer 2009 ging Arcandor pleite. Berggruen übernahm das Karstadt-Geschäft Mitte 2010 für einen Euro – und saugte noch Geld aus dem Unternehmen. Im Sommer 2014 verschenkte er es an Benko. Operativ hatte Karstadt im letzten Berggruen-Geschäftsjahr 124 Millionen Euro Verlust gemacht.

Zwar war die Ausgangslage für Benko wenig aussichtsreich. Bei einer Insolvenz aber hätten die Karstadt-Immobilien, die ihm zum Teil seit 2012 ja schon gehörten, ohne Mieteinnahmen dagestanden. Seine Kredite hätten notleidend werden, die Banken im schlimmsten Fall pfänden können. „Davon hätte er sich nie wieder erholt“, sagt ein Banker.

An dieser Lage hat sich im Grundsatz wenig geändert. „Einen Milliardär als Eigentümer hatten wir schon. Die geben erst recht nichts“, schätzt eine Karstadt-Mitarbeiterin die Lage ein. Im Weihnachtsgeschäft ist der Karstadt-Umsatz zum Vorjahr um sechs Prozent zurückgegangen. Die Lebensmitteltochter Perfetto, an der Rewe beteiligt ist, soll laut einem Bericht der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ unter Kunden- und Umsatzrückgang leiden. 2013 hatte Perfetto Verlust gemacht.

Die Hauptdarsteller in der Kaufhaus-Soap
Karl-Gerhard Eick Quelle: dpa
Nicolas Berggruen Quelle: dpa
Andrew Jennings Quelle: dpa
René Benko Quelle: dpa

Der neue Karstadt-Chef Stephan Fanderl will nun Filialen schließen und Mitarbeiter entlassen. Ein Teil der Verkäufer soll laut Gewerkschaft Verdi zu Regaleinräumern degradiert werden und könnte weniger Gehalt bekommen – eine Idee, die womöglich am Flipchart überzeugt, aber schwierig umzusetzen ist. Denn Mitarbeiter können sich individuell wehren, „und das gegen ihren Willen per Gerichtsbeschluss durchzusetzen ist nahezu unmöglich“, sagt der Arbeitsrechtler Stefan Filippi. Jetzt laufen Verhandlungen mit dem Betriebsrat.

Benkos Signa-Gruppe versteht sich darauf, heruntergekommene Gebäude in Top-Lagen zu kaufen und auf Vordermann zu bringen. Vor allem in Wien gehören Signa viele Objekte, gern angeführt als augenscheinlicher Beweis für Benkos unternehmerisches Geschick. Immobilien stehen für Solidität und Klarheit: Hier das Gebäude, dort sein Besitzer. Doch so einfach liegen die Dinge nicht in Benkos Reich. Hinter einzelnen Objekten steht ein Dutzend Signa-Unternehmen, die teilweise innerhalb der Gruppe umhergereicht werden. Ein Dickicht, ständig in Bewegung, voll mit Krediten. Grob lässt sich das Sammelsurium an Firmen in drei Gruppen teilen:

  • Signa Holding. Unter ihrem Dach finden sich Immobiliengesellschaften und auch das Handelsgeschäft von Karstadt. Benkos Familienstiftungen und der griechische Reeder George Economou halten jeweils 50 Prozent.
  • Signa Prime Konzern. Sie bündelt vor allem Immobiliengesellschaften. Aktionäre sind mittelbar Benkos Privatstiftungen, ein Staatsfonds von Abu Dhabi (22 Prozent), Fressnapf-Gründer Torsten Toeller (10 Prozent), Baumogul Haselsteiner (4 Prozent) und Wiedeking (3,4 Prozent).

Die Komparsen in der Kaufhaus-Soap um Karstadt

  • Signa Funds. Die Gruppe hat mehrere geschlossene Fonds aufgelegt. Flaggschiff ist der „Signa Recap Development Fund 01“. Ein geschlossener Immobilienfonds, der unter anderem von deutschen Versicherern wie Gothaer, LVM Lebensversicherung und Talanx sowie von einer Versorgungskasse für evangelische Pfarrer mit Kapital ausgestattet wurde.

Die Grundlage für diese Karriere bildeten zwei Dachböden, die Benko in Wien kaufte, nachdem er ein Jahr vor dem Abitur die Schule abgebrochen hatte. Er baute sie zu Luxusapartments aus und verkaufte sie teuer. Der Tankstellenerbe Karl Kovarik gab ihm das Startkapital für seine ersten millionenschweren Immobilien-Investments. Später wird Economou einer seiner wichtigsten Finanziers.

Heute führt Benko ein luxuriöses Leben, besitzt Privatjets und trifft Geschäftsleute auf einer Signa-Yacht. In Oberlech am Arlberg hat er für 38 Millionen Euro das „Chalet N“ bauen lassen, das er für 270.000 Euro pro Woche vermietet. Bei seinen Empfängen, wie dem Weinlesefest „Törggelen“ im Wiener Palais Harrach, trifft sich die Hautevolee Österreichs – von Friedrich Stickler, dem Ex-Präsidenten des Österreichischen Fußball-Bundes, über Tankstellenbetreiber Markus Friesacher bis zu Außenminister Sebastian Kurz; Tina Turner und DJ Ötzi waren auch schon da. In Düsseldorf gehört er zu den Sponsoren des Ständehaus-Treffs, bei dem Hochkaräter wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier oder E.On-Chef Johannes Teyssen referieren.

Immobilienbewertung nicht nachprüfbar

„Er baut zu potenziellen Geldgebern eine persönliche Beziehung auf und macht sie zum Teil seines Privatlebens“, sagt ein Geschäftspartner. „So schafft er die Basis dafür, dass wohlhabende Privatpersonen investieren.“ Sein Reichtum beeindruckt – das Wiener Wirtschaftsmagazin „Trend“ schätzte sein Vermögen auf 850 Millionen Euro. Andernorts wurde er als Milliardär bezeichnet. Den „Multimillionär“ ließ er bislang unwidersprochen stehen. „Wenn ein so junger Bengel schon Milliarden auf dem Konto hat und im Privatjet um die Welt fliegen kann, dann müssen seine Geschäfte ja gut laufen“, sagt ein sehr wohlhabender Bekannter. „Was er in so jungen Jahren geschafft hat, ist einfach nur beeindruckend“, sagt einer seiner Investoren. „Jeder würde doch gerne an dem Erfolg teilhaben.“

Wie groß ist dieser Erfolg aber wirklich? Die Signa-Gruppe selbst spricht von einem „Immobilienvermögen von über sechs Milliarden Euro“. Das ist nur schwer nachzuprüfen. Wie sie auf die Summe kommt, wollte Signa nicht erläutern. Die Bilanz des Signa-Prime-Konzerns wies Ende 2013 nur Sachwerte und Finanzanlagen wie Beteiligungen an Immobiliengesellschaften von 1,36 Milliarden Euro aus, die Signa Holding kam laut letztem veröffentlichen Geschäftsbericht Ende 2012 auf 206 Millionen Euro.

Karstadt-Immobilien dürften allenfalls mit einer weiteren Milliarde zu Buche schlagen – in der Summe wären das geschätzt 2,6 Milliarden Euro. Diverse Signa-Immobilien, wie etwa „The Cube“ in Eschborn, Sitz der Deutschen Börse, werden Benko zwar häufig zugeschrieben, gehören aber den Anteilseignern geschlossener Fonds, also etwa den Versicherern.

So verdient Benko sein Geld

Das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck gilt als Benkos Gesellenstück. 2002 wurde das Traditionshaus geschlossen. Benko kaufte es 2004 und wandelte es bis 2010 in ein Einkaufszentrum um. Wer immer Benkos unternehmerischen Mut lobt, führt als Beispiel das Kaufhaus Tyrol an. Was genau aber lief hier ab?

2009 gehörte das Tyrol über eine Kette von Zwischengesellschaften weitgehend der „Laura Privatstiftung“, die Benko für seine Tochter eingerichtet hatte, und einer Gesellschaft, die von Reeder Economou kontrolliert wird. Im Oktober 2009 verkaufte die Stiftung ihre Hälfte an den Signa-Fonds. Am 27. Januar 2011verkaufte der Fonds laut Geschäftsbericht einer Fondstochter den Anteil an eine Gesellschaft von Benko-Freund Economou. Noch am selben Tag schob dieser den Anteil an Benkos Signa Prime weiter. Und zwar so geschickt, dass das wohl kaum einer mitbekommen hat (siehe Bildergalerie auf der ersten Seite).

Nach außen wirkte der Deal, als ob das Tyrol an einen Externen verkauft worden sei – und nicht an den Brötchengeber des Fondsmanagers. Es besteht der Verdacht, dass das Kaufhaus zu billig abgegeben wurde. Auffällig ist, dass das Tyrol gerade in der Zeit, als der Fonds dort investiert war, eine fulminante Wertsteigerung hingelegt hatte. Der Wert laut Gutachten stieg von 131 Millionen Euro im Juni 2009 auf 233 Millionen Euro im Herbst 2010. Dennoch wurde das Kaufhaus – solange der Fonds investiert war – in der Bilanz nur mit 152 Millionen Euro angesetzt. Erst als das Objekt 2011 bei Signa landete, wurde es auf 229 Millionen Euro hochgeschrieben.

Bei der Büroimmobilie „Haus an der Wien“, mussten die Fondseigner sogar massive Abschreibungen hinnehmen. 2008 kaufte die „Laura Privatstiftung“ über eine Zwischengesellschaft die ehemalige Zentrale der Bank Austria. Kurz darauf ging die Hälfte des Objekts an eine Gesellschaft namens Staralpha Holdings über, die eng mit Economou zusammenhängt. Die andere Hälfte verkaufte Benko schon sechs Monate später an den Signa-Fonds, in dem das Versicherer-Kapital steckt. Ob die „Laura Privatstiftung“ dabei Gewinn machte, ist unklar. Stiftungen müssen keine Bilanzen veröffentlichen.

Die größten Baustellen von Karstadt
Der neue Karstadt-Eigentümer René Benko übernimmt ein Unternehmen in der Krise. Die Karstadt-Warenhäuser schreiben rote Zahlen und kämpfen mit sinkenden Umsätzen. Ein Teil der Probleme ist auf den Strukturwandel im deutschen Einzelhandel zurückzuführen. Andere Schwierigkeiten sind hausgemacht. Welche Herausforderungen erwarten den Immobilieninvestor. Quelle: dpa
Übermächtige KonkurrenzDie Warenhäuser in Deutschland haben in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt massiv an Marktanteilen verloren. Denn Konkurrenten wie H&M, Zara und zuletzt Primark haben sich mit preiswerten, schnell wechselnden Kollektionen einen immer größeren Teil des Einkaufsbudgets der Verbraucher gesichert. Außerdem geht der Siegeszug der Einkaufszentren zulasten der Warenhäuser. „Alles unter einem Dach“ gibt es dort in der Regel in weitaus größerer Auswahl als in den Warenhäusern. Quelle: dpa
Schwaches Online-GeschäftDer Online-Handel ist zurzeit der mit Abstand größte Wachstumsträger im Einzelhandel. Doch auch hier kann Karstadt bislang mit der Konkurrenz nicht mithalten. Im Gegenteil: Während die meisten Online-Anbieter im vergangenen Weihnachtsgeschäft zweistellige Zuwachsraten verzeichneten, schrumpften die Verkäufe des Essener Unternehmens über das Internet. Quelle: dpa
Unklare MarkenpositionierungDer bis Ende 2013 amtierende Karstadt-Chef Andrew Jennings versuchte Karstadt mit der Brechstange ein jugendlicheres Image zu verpassen. Er wollte den Konzern stärker auf Mode ausrichten, setzte auf neue trendige Marken und gab ganze Sortimentsbereiche wie etwa Elektronik auf. Das verschreckte die ältere Stammkundschaft. Doch neue Zielgruppen wurden dennoch nicht im erhofften Umfang erreicht. Quelle: dpa
Verunsicherte MitarbeiterDie Unsicherheit der vergangenen Jahre und der schleichende Personalabbau in den Filialen ist an den Karstadt-Mitarbeitern nicht spurlos vorübergegangen. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert vor allem den bisherigen Eigentümer Nicolas Berggruen: „Die Beschäftigten sind von diesem angeblich sozialen Investor Berggruen bitter getäuscht worden“, sagt Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Wenn Benko die Karstadt-Mitarbeiter auf einem harten Sanierungskurs mitnehmen will, muss er das Vertrauen der Beschäftigten zurückgewinnen. Quelle: dpa
Großer InvestitionsstauDie meisten Handelsexperten sind sich einig, dass bei Karstadt in den letzten Jahren viel zu wenig investiert wurde. Heinemann schätzt den Investitionsstau sogar auf mindestens 1,5 Milliarden Euro. Soviel Geld wäre nach seiner Auffassung nötig, um das Unternehmen zukunftsfähig auszurichten - im stationären, wie im Internethandel. Quelle: ZB

Für den Signa-Fonds war der Kauf kein guter Deal. 2010 schrieb er 1,2 Millionen Euro auf das „Haus an der Wien“ ab. 2013 kamen satte 8,3 Millionen Euro hinzu. Aus einem Anfang 2014 angemeldeten Verkauf der Immobilie an einen Fonds der Union Investment wurde vermutlich nichts. Im Grundbuch ist immer noch eine Beteiligungsfirma des Signa-Fonds als Eigentümerin eingetragen.

Immobilien- und Firmenverschiebungen gibt es bei Signa häufig. Die verschachtelten Strukturen verbergen, welche Immobilie gerade wem gehört.

  • Am Münchner Edelkaufhaus Oberpollinger war ein Dutzend verschiedene Signa-Unternehmen mit immer wieder anderen Quoten beteiligt.
  • Die frühere Zentrale der Bawag in Wien, die in ein Einzelhandels- und Bürohaus umgewandelt wurde, war ursprünglich im Besitz von Economou und des Signa-Fonds. Der Fonds verkaufte seinen Anteil 2012 an Signa Prime. Ob das Objekt öffentlich angeboten und so zum bestmöglichen Preis für den Fonds oder quasi unter der Hand an Signa Prime weitergereicht wurde, ist unbekannt. Economou hatte seinen Anteil 2011 an die Signa Holding verkauft, die ihn einen Monat später an Signa Prime verkaufte. Ob die Signa Holding dabei auch einen Zwischengewinn verbucht hat, ist nicht nachprüfbar. Im Geschäftsbericht werden nicht einmal die Tochterunternehmen aufgeführt, die Immobilien halten. Auch deshalb fallen interne Deals, an denen die Holding beteiligt ist, nicht auf.

Signa beruft sich auf ein österreichisches Gesetz, das Unternehmen das Verschweigen von Beteiligungen erlaubt, wenn ihnen die Veröffentlichung „einen erheblichen Nachteil zufügen“ würde. Schädlich wäre Transparenz wohl nur für Benkos Ruf. Die Aktionäre der Signa Prime oder die am Fonds beteiligten Versicherer könnten unangenehme Fragen stellen, etwa: Warum sie sich am Kaufhaus Tyrol beteiligen durften, Benko das Karstadt Sport in München aber knapp zur Hälfte seiner Privatstiftung und zu gut einem Drittel der Signa Holding zuschusterte. Die konnten das Objekt nach eigenen Angaben nach kurzer Zeit „sehr zufriedenstellend“ wieder veräußern.

Genügend Geld für radikalen Karstadt-Umbau?

Benko schart Prominente um sich, die seiner Gruppe die nötige Seriosität verleihen sollen. Im Signa-Beirat sitzen etwa der frühere österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess. In Deutschland hat er neben Wiedeking auch Beraterlegende Roland Berger für das Gremium gewonnen. „Wenn jemand wie Berger seinen Namen für Benko hergibt, dann wird das schon seriös sein“, sagt ein Geschäftspartner.

Benko kann Politiker wie Geschäftsleute schnell für sich einnehmen. Sie beschreiben den 37-Jährigen als zurückhaltend, teilweise sogar schüchtern. „Er ist trotz seines Reichtums nicht abgehoben“, sagt ein Banker. Seine Objekte kenne er genau, habe auch deren Zahlen im Kopf. „Er kann jede Frage beantworten. Das ist sehr überzeugend“, sagt ein anderer Banker. Obwohl Benko bei Signa keine Funktion mehr hat – als Großaktionär darf er nur im Beirat mitdiskutieren – ist er die zentrale Person. Seine „Führungskräfte lässt er ausführen, strategische Entscheidungen trifft er selbst“, sagt ein Geschäftspartner.

Karstadts Krisen-Chronik

Entscheidungen könnten jetzt einige anstehen – zur Sanierung von Karstadt und zu den Karstadt-Immobilien. Wie aus den Immobilien Geld zu holen ist, hat Benko etwa beim Karstadt Sporthaus in Hamburg gezeigt. Die „Immobilienzeitung“ berichtete, dass er dessen Miete erhöhte und Karstadt dafür vorab Cash gab. Nach einem Umbau soll er das einst für 55 Millionen Euro gehandelte Objekt für über 100 Millionen Euro wieder verkauft haben. Die Preise für Gewerbeimmobilien richten sich in der Regel nach der Höhe der Mieteinnahmen. Laut Geschäftsbericht der Karstadt Warenhaus GmbH hat Signa Mieterhöhungen gegen Cash in dem im September 2013 abgelaufenen Geschäftsjahr an sechs Karstadt-Standorten durchgezogen.

Benko hatte die Häuser gemeinsam mit dem Diamantenhändler Beny Steinmetz gekauft. Kürzlich teilte Signa mit, die beiden hätten sich getrennt. Steinmetz soll die einfachen Filialen übernommen haben, während die Premiumhäuser bei Benko verblieben. Im Handelsregister ist davon bislang aber nichts zu sehen. Demnach hat Signa Prime ihren Anteil an den Premiumhäusern zwar Mitte Januar erhöht. Steinmetz ist danach aber weiter an Bord. Selbst wenn der Deal stattgefunden hat: Steinmetz ist ausgebufft. Er hätte vermutlich eine Mietausfallbürgschaft verlangt. Ob das geschah, ist unbekannt.

Karstadt könnte Benko dann weiter mit in den Abgrund reißen. Seine Optionen, um dagegenzuhalten, sind überschaubar – vor allem aber kosten sie Geld. Karstadt zu verkleinern und die Flächen wie in Hamburg an andere Einzelhändler zu vermieten dürfte nicht überall möglich sein. Seit der Online-Handel boomt, schrumpft die Nachfrage nach Flächen. Für eine Umwandlung in Büros oder Wohnungen braucht es geänderte Flächennutzungspläne und teure Renovierungen.

Alternativ könnte Benko Karstadt endlich radikal umbauen. Doch auch das kann kostspielig werden. Karstadt betreibt auch Häuser, die Benko nicht gehören. Die zu schließen kostet Geld. Warum sonst sollten die Vermieter die Mietverträge auflösen? Hinzu kommen Abfindungen für Mitarbeiter. Die übrigen Filialen müssen modernisiert werden. Dass Benko dafür Geld gibt, gilt Karstadt-intern als fraglich.

Benko beschäftigt sich wohl längst mit Größerem. Mehrere Personen in seinem Umfeld sagen, dass er auch noch die Metro-Tochter Kaufhof übernehmen wolle, und berichten, dass die Finanzierung von geschätzt zwei bis drei Milliarden Euro schon stehen würde. Kapital zu beschaffen, um ein noch größeres Rad zu drehen, wird für ihn aber nicht einfacher. Institutionelle Investoren, wie manche Pensionskasse oder Versicherung, könnten in seiner Person ein Reputationsrisiko sehen, seit Benko 2014 letztinstanzlich wegen versuchter Einflussnahme verurteilt wurde. Der Oberste Gerichtshof in Wien sah es als erwiesen an, dass Benko über einen Berater versucht hat, ein Steuerverfahren gegen Signa in Italien positiv zu beeinflussen. „Korruption ist eine schwerwiegende Straftat. Damit will keiner was zu tun haben“, sagt ein Investor.

Großinvestoren stören sich auch an den schwer durchschaubaren Unternehmensstrukturen, sagt einer, der sich mal mit Signa beschäftigt hat. Interne Immobilienverkäufe kommen bei ihnen auch nicht gut an. „Das hat immer ein Gschmäckle.“ Und Metro-Chef Olaf Koch soll sich ohnehin gegen einen Verkauf des Kaufhofs an Signa sperren. Der wolle erst mal abwarten, ob Benko Karstadt stabilisiert bekommt. Metro wollte sich hierzu nicht äußern.

Benko muss nun, wie er laut einem Freund kürzlich selbst sagte, „erst mal beweisen, dass ich nicht nur Immobilien, sondern auch Handel kann“.

Zweifel sind angebracht.

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