Benko schart Prominente um sich, die seiner Gruppe die nötige Seriosität verleihen sollen. Im Signa-Beirat sitzen etwa der frühere österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess. In Deutschland hat er neben Wiedeking auch Beraterlegende Roland Berger für das Gremium gewonnen. „Wenn jemand wie Berger seinen Namen für Benko hergibt, dann wird das schon seriös sein“, sagt ein Geschäftspartner.
Benko kann Politiker wie Geschäftsleute schnell für sich einnehmen. Sie beschreiben den 37-Jährigen als zurückhaltend, teilweise sogar schüchtern. „Er ist trotz seines Reichtums nicht abgehoben“, sagt ein Banker. Seine Objekte kenne er genau, habe auch deren Zahlen im Kopf. „Er kann jede Frage beantworten. Das ist sehr überzeugend“, sagt ein anderer Banker. Obwohl Benko bei Signa keine Funktion mehr hat – als Großaktionär darf er nur im Beirat mitdiskutieren – ist er die zentrale Person. Seine „Führungskräfte lässt er ausführen, strategische Entscheidungen trifft er selbst“, sagt ein Geschäftspartner.
Karstadts Krisen-Chronik
Mit seinem früheren Mutterkonzern Arcandor war Karstadt 2009 in die Insolvenz gerutscht. Im Juni 2010 stieg Investor Nicolas Berggruen ein. Von seinem Einspringen wurde die Wende erhofft. Die Chronik der Krise.
Für die wichtigsten Arcandor-Gesellschaften - darunter die Karstadt Warenhaus GmbH - wird am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 1. Dezember wird bekannt, dass zehn Karstadt-Standorte mit teils mehreren Häusern nach Angaben der Insolvenzverwaltung geschlossen werden sollen. Etwa 1200 Mitarbeiter sind betroffen.
Beim Essener Amtsgericht wird am 15. März ein Insolvenzplan vorgelegt. Am 12. April stimmen die Gläubiger dem Plan zu. Am 1. Juni haben von bundesweit 94 Kommunen bis auf drei bereits alle einem Verzicht auf die Gewerbesteuer zugestimmt. Die im Insolvenzplan geforderte Zustimmungsquote von 98 Prozent gilt damit als sicher. Nur sechs Tage später erhält die Berggruen Holding vom Gläubigerausschuss den Zuschlag zur Übernahme. Einen Tag später unterschreibt Berggruen den Kaufvertrag unter Vorbehalt. Berggruen fordert vom Karstadt-Standortvermieter Highstreet deutliche Mietsenkungen. Am 14. Juni endet eine erste Verhandlungsrunde zu den künftigen Mieten ohne Ergebnis. Am 20. Juni lehnt Berggruen ein Angebot von Highstreet über Mietsenkungen von mehr als 400 Millionen Euro ab.
Am 26. August hat sich Berggruen mit der Essener Valovis-Bank geeinigt: Die Bank hatte Highstreet ein Darlehen über 850 Millionen Euro gewährt und dafür im Gegenzug 53 Waren-, Sport- und Parkhäuser als Sicherheit erhalten. Man habe sich unter anderem darauf verständigt, dass Berggruen dieses Darlehen bis 2014 ablösen könne, heißt es. Am 2. September stimmen die Highstreet-Gläubiger den geforderten Mietsenkungen zu.
Am 30. September hebt das Essener Amtsgericht das Insolvenzverfahren auf. Damit erhält Berggruen zum 1. Oktober die Schlüsselgewalt für die Karstadt Warenhaus GmbH. 40.000 Gläubiger verzichten auf zwei Milliarden Euro. Die Belegschaft verzichtet auf 150 Millionen Euro.
23. November: Der frühere Woolworth-Manager Andrew Jennings wird zum neuen Karstadt-Chef bestellt. Er beginnt Anfang Januar 2011.
Jennings legt am 6. Juli das Konzept „Karstadt 2015“ vor: Modernisierung der Warenhäuser, stärkeres Online-Geschäft und Expansion der Sporthäuser sind der Kern.
Am 16. Juli kündigt Karstadt die Streichung von 2000 Stellen an.
Karstadt kündigt am 13. April 2013 eine „Tarifpause“ für die Beschäftigten an. Am 9. Juni bestätigt das Unternehmen, dass der Vertrag von Karstadt-Chef Jennings zum Jahresende ausläuft.
Im Februar kommt Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt nach Essen und übernimmt den Geschäftsführerposten. Am 7. Juli legt Sjösted nach nur fünf Monaten alle Ämter nieder. Als Grund dafür nennt sie, dass die „Voraussetzungen“ für den von ihr angestrebten Weg nicht mehr gegeben seien.
Der Österreicher René Benko kauft Karstadt im August für nur einen Euro. Der bisherige Eigentümer Nicolas Berggruen zieht sich komplett zurück. Die Sanierungsaufgaben bleiben gewaltig.
Entscheidungen könnten jetzt einige anstehen – zur Sanierung von Karstadt und zu den Karstadt-Immobilien. Wie aus den Immobilien Geld zu holen ist, hat Benko etwa beim Karstadt Sporthaus in Hamburg gezeigt. Die „Immobilienzeitung“ berichtete, dass er dessen Miete erhöhte und Karstadt dafür vorab Cash gab. Nach einem Umbau soll er das einst für 55 Millionen Euro gehandelte Objekt für über 100 Millionen Euro wieder verkauft haben. Die Preise für Gewerbeimmobilien richten sich in der Regel nach der Höhe der Mieteinnahmen. Laut Geschäftsbericht der Karstadt Warenhaus GmbH hat Signa Mieterhöhungen gegen Cash in dem im September 2013 abgelaufenen Geschäftsjahr an sechs Karstadt-Standorten durchgezogen.
Benko hatte die Häuser gemeinsam mit dem Diamantenhändler Beny Steinmetz gekauft. Kürzlich teilte Signa mit, die beiden hätten sich getrennt. Steinmetz soll die einfachen Filialen übernommen haben, während die Premiumhäuser bei Benko verblieben. Im Handelsregister ist davon bislang aber nichts zu sehen. Demnach hat Signa Prime ihren Anteil an den Premiumhäusern zwar Mitte Januar erhöht. Steinmetz ist danach aber weiter an Bord. Selbst wenn der Deal stattgefunden hat: Steinmetz ist ausgebufft. Er hätte vermutlich eine Mietausfallbürgschaft verlangt. Ob das geschah, ist unbekannt.
Karstadt könnte Benko dann weiter mit in den Abgrund reißen. Seine Optionen, um dagegenzuhalten, sind überschaubar – vor allem aber kosten sie Geld. Karstadt zu verkleinern und die Flächen wie in Hamburg an andere Einzelhändler zu vermieten dürfte nicht überall möglich sein. Seit der Online-Handel boomt, schrumpft die Nachfrage nach Flächen. Für eine Umwandlung in Büros oder Wohnungen braucht es geänderte Flächennutzungspläne und teure Renovierungen.
Alternativ könnte Benko Karstadt endlich radikal umbauen. Doch auch das kann kostspielig werden. Karstadt betreibt auch Häuser, die Benko nicht gehören. Die zu schließen kostet Geld. Warum sonst sollten die Vermieter die Mietverträge auflösen? Hinzu kommen Abfindungen für Mitarbeiter. Die übrigen Filialen müssen modernisiert werden. Dass Benko dafür Geld gibt, gilt Karstadt-intern als fraglich.
Benko beschäftigt sich wohl längst mit Größerem. Mehrere Personen in seinem Umfeld sagen, dass er auch noch die Metro-Tochter Kaufhof übernehmen wolle, und berichten, dass die Finanzierung von geschätzt zwei bis drei Milliarden Euro schon stehen würde. Kapital zu beschaffen, um ein noch größeres Rad zu drehen, wird für ihn aber nicht einfacher. Institutionelle Investoren, wie manche Pensionskasse oder Versicherung, könnten in seiner Person ein Reputationsrisiko sehen, seit Benko 2014 letztinstanzlich wegen versuchter Einflussnahme verurteilt wurde. Der Oberste Gerichtshof in Wien sah es als erwiesen an, dass Benko über einen Berater versucht hat, ein Steuerverfahren gegen Signa in Italien positiv zu beeinflussen. „Korruption ist eine schwerwiegende Straftat. Damit will keiner was zu tun haben“, sagt ein Investor.
Großinvestoren stören sich auch an den schwer durchschaubaren Unternehmensstrukturen, sagt einer, der sich mal mit Signa beschäftigt hat. Interne Immobilienverkäufe kommen bei ihnen auch nicht gut an. „Das hat immer ein Gschmäckle.“ Und Metro-Chef Olaf Koch soll sich ohnehin gegen einen Verkauf des Kaufhofs an Signa sperren. Der wolle erst mal abwarten, ob Benko Karstadt stabilisiert bekommt. Metro wollte sich hierzu nicht äußern.
Benko muss nun, wie er laut einem Freund kürzlich selbst sagte, „erst mal beweisen, dass ich nicht nur Immobilien, sondern auch Handel kann“.
Zweifel sind angebracht.