Karstadt und Kaufhof Warum verkaufsoffene Sonntage nicht die Warenhäuser retten

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Ein Baumarkt ist das Vorbild

Auch Karstadt bietet die Möglichkeit, den Versandkosten von 4,95 Euro, die bei jedem Warenwert zu Buche schlagen, mittels Abholung in der Filiale zu entgehen. Zusätzlich wird Karstadt-Chef Fanderl nicht müde, das im Mai präsentierte Marktplatzkonzept zu bewerben. Dabei sollen Flächen der Karstadt-Filialen an andere Händler untervermietet werden – unter anderem auch an Onlineshops, die ein stationäres Geschäft aufbauen wollen.

Jüngster Streich der zur Schau gestellten Karstadt-Digitalstrategie war die Übernahme einer 70-prozentigen Beteiligung an dem Online-Marktplatz hood.de. Die erfolgte zusammen mit dem Mutterkonzern Signa Retail, der sich mit mybestbrands eine Woche später gleich beim nächsten Onlineshopping-Dienst einkaufte. Insgesamt bringt es die Holding von Rene Benko auf sieben Zukäufe innerhalb von 14 Monaten – vornehmlich im Onlinebereich.

Was Fanderl als konsequenten Schritt in die weitere Integration von stationärem und Onlinehandel bezeichnet, ist für Handelsexperte Heinemann nur Augenwischerei: Würde es darum gehen, Digitalkompetenz zu Karstadt zu holen, könne man das deutlich günstiger und effizienter machen, indem das Unternehmen sie direkt einstellt. Seiner Meinung handelt es sich deshalb vor allem um eine Portfolioerweiterung von Signa.

Die Erklärungen von Kaufhof und Karstadt zu den jeweiligen Digitalstrategien hält Heinemann ohnehin für wenig mehr als Lippenbekenntnisse: „Beide Unternehmen kündigen schon seit Jahren an, den Onlinehandel vorantreiben zu wollen. Nur passiert ist bisher wenig. Wirklich entscheidend ist, wie viel beide in ihr Digitalgeschäft investieren – und das geht eher gegen null.“

„Um auch nur ansatzweise zu Amazon aufschließen zu können, müsste beide Unternehmen zumindest einen ähnlich hohen Anteil ihres Umsatzes in echtes Digitalgeschäft - und nicht bloß in IT und Warenwirtschaft - investieren. Das waren bei Amazon alleine im letzten Jahr 7,2 Prozent vom Umsatz und damit sogar ein Mehrfaches der relativen Gesamtinvestitionen von Kaufhof und Karstadt “, meint Heinemann.

Deshalb sollten sich die beiden Unternehmen nach Meinung von Heinemann zumindest an einem anderen deutschen Händler orientieren, der in erster Linie ein klassisch stationäres Geschäft betreibt: Hornbach. Die Baumarktkette investiert bis 2020 immerhin 13 Prozent ihres Umsatzes oder 420 Millionen Euro in die eigenen E-Commerce-Aktivitäten. „Bei Karstadt und Kaufhof dürften das jeweils nicht einmal ein Zehntel davon sein trotz jeweils vergleichbarer Umsatzgrößen.“

Dass es ein Warenhaus auch anders handhaben kann, zeigt für Heinemann das Beispiel John Lewis. Die britische Kaufhauskette, die im Jahr 1864 gegründet wurde, hat schon heute einen exzellenten Onlineshop. Dieser erzielt bereits rund 40 Prozent Umsatzanteil und zeigt, wo die Reise hingehen sollte. Das Unternehmen macht bei einen Gesamtumsatz von ungefähr sechs Milliarden Euro rund 2,4 Milliarden Euro online und spielt damit laut Heinemann in einer ähnlichen Liga wie die großen Online-Player Asos oder Zalando.

Die umsatzstärksten Onlinehändler

„Das liegt daran, dass John Lewis massiv in das Digitalgeschäft investiert hat und der Onlineshop auch filialunabhängig funktioniert, also auch „standalone-fähig ist“. Da muss die Reise auch in Deutschland hingehen.“
Warum sie das bisher nicht tut, erklärt sich für Heinemann aus den Eigentümern der beiden Unternehmen: „Die Signa Retail und mittlerweile auch HBC sind eigentlich eher Immobilienunternehmen als vorpreschende Handelsunternehmen.“

Karstadt und Kaufhof dürften also auch in Zukunft auf den stationären Handel und damit ihre Immobilien setzen. So schnell wird die Initiative „Selbstbestimmter Sonntag“ zwei ihrer prominentesten Unterstützer wohl nicht verlieren.

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