
WirtschaftsWoche: Herr Peukes, seit Monaten verhandeln Sie mit dem Karstadt-Management über eine Rückkehr des Warenhauskonzerns in den Einzelhandelstarifvertrag. Wann gibt es endlich Ergebnisse?
Arno Peukes: Die nächsten Gespräche finden am Dienstag und Mittwoch statt. Ich erwarte, dass wir dann erste Fortschritte präsentieren können.
Kehrt Karstadt zur Tarifbindung zurück?
Zumindest für die Karstadt-Luxushäuser KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München zeichnet sich ab, dass die rund 1800 Beschäftigten bald wieder nach Tarif bezahlt werden könnten. Für die Mitarbeiter hieße das: Ihr Gehalt steigt, sie erhalten wieder Urlaubs- und Weihnachtsgeld und sie profitieren von allen künftigen Tarifabschlüssen.
Zur Person
Peukes, 51, leitet aufseiten der Gewerkschaft Verdi die Verhandlungen mit dem Karstadt-Management. Zudem ist der Gewerkschafter Aufsichtsratsmitglied der Essener Warenhauskette.
Was ist mit den Mitarbeitern in den klassischen Warenhäusern und bei Karstadt Sports?
Der frühere Eigentümer Nicolas Berggruen hat Karstadt in drei Unternehmen aufgespaltet, für die wir separat verhandeln müssen. Bei den Warenhäusern und den Sport-Filialen ist die wirtschaftliche Lage schwieriger als bei den Luxushäusern. Das macht die Sache kompliziert. Dennoch wollen wir in den kommenden Wochen Ergebnisse für alle Karstadt-Bereiche sehen.
Woran hakt es bei den Verhandlungen?
Bisher will uns das Karstadt-Management nur auf bessere Zeiten vertrösten und schlägt vor, im Kerngeschäft erst in ferner Zukunft wieder zu Tariflöhnen zurückzukehren. Das funktioniert nicht. Nach unseren Berechnungen verdient jeder Karstadt-Beschäftigte im Schnitt 120 Euro pro Monat weniger als das, was ihm nach Tarif zusteht. Und der Abstand wächst. Alle Karstadt-Beschäftigten brauchen jetzt die Zusage, wieder Weihnachts- und Urlaubsgeld zu bekommen. Wir werden auch weitere Abstriche von den Tariflöhnen nicht akzeptieren.
Karstadts Krisen-Chronik
Mit seinem früheren Mutterkonzern Arcandor war Karstadt 2009 in die Insolvenz gerutscht. Im Juni 2010 stieg Investor Nicolas Berggruen ein. Von seinem Einspringen wurde die Wende erhofft. Die Chronik der Krise.
Für die wichtigsten Arcandor-Gesellschaften - darunter die Karstadt Warenhaus GmbH - wird am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 1. Dezember wird bekannt, dass zehn Karstadt-Standorte mit teils mehreren Häusern nach Angaben der Insolvenzverwaltung geschlossen werden sollen. Etwa 1200 Mitarbeiter sind betroffen.
Beim Essener Amtsgericht wird am 15. März ein Insolvenzplan vorgelegt. Am 12. April stimmen die Gläubiger dem Plan zu. Am 1. Juni haben von bundesweit 94 Kommunen bis auf drei bereits alle einem Verzicht auf die Gewerbesteuer zugestimmt. Die im Insolvenzplan geforderte Zustimmungsquote von 98 Prozent gilt damit als sicher. Nur sechs Tage später erhält die Berggruen Holding vom Gläubigerausschuss den Zuschlag zur Übernahme. Einen Tag später unterschreibt Berggruen den Kaufvertrag unter Vorbehalt. Berggruen fordert vom Karstadt-Standortvermieter Highstreet deutliche Mietsenkungen. Am 14. Juni endet eine erste Verhandlungsrunde zu den künftigen Mieten ohne Ergebnis. Am 20. Juni lehnt Berggruen ein Angebot von Highstreet über Mietsenkungen von mehr als 400 Millionen Euro ab.
Am 26. August hat sich Berggruen mit der Essener Valovis-Bank geeinigt: Die Bank hatte Highstreet ein Darlehen über 850 Millionen Euro gewährt und dafür im Gegenzug 53 Waren-, Sport- und Parkhäuser als Sicherheit erhalten. Man habe sich unter anderem darauf verständigt, dass Berggruen dieses Darlehen bis 2014 ablösen könne, heißt es. Am 2. September stimmen die Highstreet-Gläubiger den geforderten Mietsenkungen zu.
Am 30. September hebt das Essener Amtsgericht das Insolvenzverfahren auf. Damit erhält Berggruen zum 1. Oktober die Schlüsselgewalt für die Karstadt Warenhaus GmbH. 40.000 Gläubiger verzichten auf zwei Milliarden Euro. Die Belegschaft verzichtet auf 150 Millionen Euro.
23. November: Der frühere Woolworth-Manager Andrew Jennings wird zum neuen Karstadt-Chef bestellt. Er beginnt Anfang Januar 2011.
Jennings legt am 6. Juli das Konzept „Karstadt 2015“ vor: Modernisierung der Warenhäuser, stärkeres Online-Geschäft und Expansion der Sporthäuser sind der Kern.
Am 16. Juli kündigt Karstadt die Streichung von 2000 Stellen an.
Karstadt kündigt am 13. April 2013 eine „Tarifpause“ für die Beschäftigten an. Am 9. Juni bestätigt das Unternehmen, dass der Vertrag von Karstadt-Chef Jennings zum Jahresende ausläuft.
Im Februar kommt Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt nach Essen und übernimmt den Geschäftsführerposten. Am 7. Juli legt Sjösted nach nur fünf Monaten alle Ämter nieder. Als Grund dafür nennt sie, dass die „Voraussetzungen“ für den von ihr angestrebten Weg nicht mehr gegeben seien.
Der Österreicher René Benko kauft Karstadt im August für nur einen Euro. Der bisherige Eigentümer Nicolas Berggruen zieht sich komplett zurück. Die Sanierungsaufgaben bleiben gewaltig.
Karstadt taumelt doch jetzt schon gefährlich nahe am Abgrund. Versetzen Sie dem Unternehmen mit solch kostspieligen Forderungen nicht den Todesstoß?
Wenn Sie bei Karstadt einem Manager sagen "Wir haben ein Problem", dann wird er als erstes vorschlagen, die Personalkosten zu senken. Das ist ein Manager-Reflex. Momentan werden 2400 Arbeitsplätze gestrichen. Dass solche Einschnitte an der Substanz eines Unternehmens zehren, das auf Service setzt, liegt auf der Hand. Wir wollen daher in den Verhandlungen mit dem Management mindestens für die kommenden zwei Jahre einen Bestandsschutz für die verbleibenden 81 Karstadt-Häuser durchsetzen. Für diesen Zeitraum müssen alle Filialen die Chance bekommen, sich am Markt zu behaupten. Gleichzeitig sollen die Ideen der Beschäftigten stärker berücksichtigt werden, etwa bei der künftigen Ausrichtung des Sortiments.
Das wird kaum ausreichen, um Karstadt wieder in die Gewinnzone zu bringen. Wo kann das Unternehmen noch sparen?
Im Vergleich zum Wettbewerb leidet Karstadt unter zu hohen Mieten. Das nimmt den Häusern die Luft zum Atmen. Hier muss der neue Eigentümer, die österreichische Immobiliengruppe Signa, ran und alle rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen. Wesentlich ist, dass alle Unternehmen wieder Geld über die Ladenkasse verdienen. Das braucht ein nachhaltiges Zukunftskonzept, aber vor allem braucht es Personal auf die Verkaufsflächen. Und genau deshalb kritisieren wir den Kurs der letzten Wochen. Auch gute Regelungen zum sozialverträglichen Abbau bedeuten, dass Beratungs- und Servicequalität auf der Fläche verloren geht.