Kaufhof und Karstadt fusionieren K-und-K wird Wirklichkeit – das sind die Details

Quelle: dpa

Nach monatelangen Verhandlungen besiegeln die Warenhausketten Galeria Kaufhof und Karstadt ihren Zusammenschluss. Für die rund 32.000 Mitarbeiter beginnt nun eine Zeit des Bangens – und erste Kritik wird laut.

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Es ist ein Beben im deutschen Handel – und dennoch ist im Epizentrum nichts davon zu spüren. Kaum 50 Meter trennen die Karstadt- von der Kaufhoffiliale am Düsseldorfer Wehrhahn. In beiden Häusern tummeln sich derzeit die Schnäppchenjäger. Bei Kaufhof locken 20 Prozent Preisnachlass beim Kauf von Passionata-Unterwäsche. Bei Karstadt gegenüber leuchtet in den Modeabteilungen allerorten das Prozente-Zeichen weiß auf rotem Grund. Im Dinea-Restaurant (Kaufhof) gibt’s Schweineschnitzel „Jäger-Art“ für 9,75 Euro, bei Karstadt Wiener Kalbsschnitzel für 10,99 Euro.

Demnächst dürften die Unterschiede wohl geringer als ohnehin schon werden: Nach unzähligen Anläufen haben sich die Eigentümer der beiden Warenhausunternehmen jetzt auf eine Fusion geeinigt.

Konkret wurden folgende Details beschlossen:

  • Der österreichische Karstadt-Eigentümer René Benko mit seinem Immobilienunternehmen Signa und die kanadische Kaufhof-Mutter Hudson's Bay Company (HBC) bringen ihre Warenhausableger in ein Gemeinschaftsunternehmen ein. Dazu gehören nicht nur Kaufhof und Karstadt, sondern auch das gesamte Einzelhandelsgeschäft von HBC Europe mit der Outletkette Saks Off 5TH, Galeria Inno in Belgien, Hudson‘s Bay in den Niederlanden sowie Karstadt Sports und der gesamte Lebensmittel- und Gastronomiebereich beider Unternehmen.
  • Offiziell ist dabei von einer „Fusion unter Gleichen“ die Rede. Doch wird Karstadt-Chef Stephan Fanderl die Leitung des Warenhaus-Konzerns übernehmen. Und auch die Mehrheit der Anteile am neuen Unternehmen liegt künftig bei der Signa-Holding des Karstadt-Eigentümers René Benko: Signa erhält 50,01 Prozent, HBC 49,99 Prozent.
  • Der Hauptsitz des neuen Unternehmens wird in Köln sein, wo bereits die Kaufhof-Zentrale angesiedelt ist. Was mit der Karstadt-Hauptverwaltung in Essen geschieht, blieb zunächst offen.
  • Nicht nur das operative Geschäft der beiden Warenhausketten wird zusammengelegt. Karstadt-Eigentümer Signa wird sich auch an 57 Kaufhof-Immobilien von HBC beteiligen. Der Kaufpreis hierfür beläuft sich auf rund 900 Millionen Euro. Insgesamt muss Signa mehr als eine Milliarde Euro aufbringen, damit der Deal zustande kommt.

„Jetzt beginnt eine Phase, die von harter Arbeit, großen betrieblichen Herausforderungen und fordernden Marktveränderungen geprägt ist“, kündigte der neue Chef des Gemeinschaftsunternehmens Stephan Fanderl an. „Durch dieses Gemeinschaftsunternehmen haben zwei Traditionsunternehmen eine ideale Lösung gefunden, um sich im stark umkämpften deutschen und europäischen Einzelhandelsmarkt erfolgreich zu positionieren.“

Doch es gibt nicht nur Befürworter des Deals. „In einem Gemeinschaftsunternehmen von Kaufhof und Karstadt sollen die Kosten sinken“, sagte Bernhard Franke, Verdi-Vertreter im Kaufhof-Aufsichtsrat der WirtschaftsWoche. Das allein bringe aber noch keine Kunden zurück ins Warenhaus. „Eine Fusion stillt vielleicht kurz die Blutung, aber heilt nicht die Wunde“, so Franke.

Tatsächlich setzen HBC und Signa vor allem auf so genannte Synergieeffekte. „Die Unternehmen brauchen nicht mehr zwei Zentralen, sie können Einkauf, Logistik und IT bündeln“, sagt Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms. „All das spart viel Geld ein.“ Daneben sieht er einen weiteren Punkt, der eine Rolle gespielt haben dürfte: HBC hat sich mit der Übernahme von Kaufhof vor drei Jahren schlicht verschätzt. „Die Kanadier sind vermutlich froh, dass sie jetzt mit einem blauen Auge aus ihrem Engagement herauskommen und die operative Verantwortung abgeben können“ , so Funder. In der Pressemitteilung ist davon indes nichts zu lesen.

Im Gegenteil: „Diese Partnerschaft ist eine kluge und strategisch sinnvolle Entscheidung“, lässt sich HBC-Chefin Helena Foulkes darin zitieren. „Sie schafft für beide Unternehmen die Voraussetzungen, das Geschäft zu stärken und die Herausforderungen im deutschen Einzelhandel zu meistern.“

Die Idee einer solchen Allianz reicht bereits Jahrzehnte zurück. Schon Warenhausgrande Wolfgang Urban und so gut wie alle seiner Nachfolger prüften einen Zusammenschluss. Doch sämtliche Liaisonbemühungen scheiterten bisher. Mal an den Bewertungsvorstellungen der Eigner, mal an der Finanzsituation, mal wollte Kaufhof nicht – mal lehnte Karstadt ab.

„Galeria Kaufhof war vor dem Verkauf an HBC hochprofitabel“

Nun schmieden HBC-Großaktionär Richard Baker und Benko das K-und-K-Bündnis. Auch sie brauchten dafür allerdings reichlich Vorlauf. So hat Benko mit seiner Immobiliengesellschaft Signa schon in der Vergangenheit nichts unversucht gelassen, die Rivalen zu einen. Schon 2011 weigerte sich der Chef des Düsseldorfer Handelskonzerns Metro, Kaufhof an Benko zu verkaufen. 2015 buhlte er bei Metro erneut um den Zuschlag für die Warenhaustochter – und verlor gegen Richard Baker, Großaktionär und Aufsichtsratschef von HBC.

Im vergangenen Herbst wagte Benko schließlich den nächsten Versuch. Drei Milliarden Euro bot er HBC für Kaufhof nebst Immobilien. Doch auch Baker ließ ihn abblitzen. HBC teilte zunächst mit, ein „unvollständiges, nicht-bindendes und unaufgefordertes“ Angebot erhalten zu haben, das nun pflichtgemäß geprüft werde. Im Februar 2018 wurde ein Verkauf an Benko von HBC schließlich offiziell abgelehnt. Man glaube an die eigene Fähigkeit, „die Ergebnisse unserer traditionsreichen Warenhausmarken zu steigern“, hieß es zur Begründung.

Doch einige verlustreiche Quartale später hatte sich die Stimmung gedreht. Baker selbst soll zu Benko nach Wien geflogen sein, um neue Gespräche anzustoßen, heißt es hinter den Kulissen. Schon bald tauchten Gerüchte auf, Signa und HBC würden erneut verhandeln. Doch offiziell drang weiter nichts nach außen. Man befände sich in Gesprächen, teilte HBC lediglich mit.

Jetzt liegt das Ergebnis vor und die Wettbewerbsbehörden müssen den Zusammenschluss prüfen. Kartellamtspräsident Andreas Mundt kündigte bereits an, die Fusionspläne auf jeden Fall genau unter die Lupe zu nehmen: „Wir stellen uns auf ein extrem umfangreiches und aufwendiges Verfahren ein.“ Es müssten sowohl die Folgen für die Kunden als auch für die Lieferanten geprüft werden.

Experten erwarten aber allenfalls geringe Auflagen, zu deutlich haben beide Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten an Marktmacht verloren. Heute erzielen Karstadt und Kaufhof je nach Rechnung zusammen zwischen vier und fünf Milliarden Euro Umsatz. Das sind nur knapp drei Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes in Deutschland. In den Siebzigerjahren hatten Warenhäuser noch einen Anteil von 14 Prozent. Doch dann begann der Abstieg des Alles-unter-einem-Dach-Formats. Erst beendeten Shoppingcenter und Fachhandelsketten die goldene Warenhausära. Ab der Jahrtausendwende sorgte zunächst langsam, dann immer stärker der Online-Handel für eine Kundendrift Richtung Netz. Eine Entwicklung, die bis heute anhält. Hinzu kamen hausgemachte Probleme.

Die Folge: Karstadt musste im Juni 2009 Insolvenz anmelden, wurde erst an Nicolas Berggruen, später an Benko verkauft. Doch erst in den vergangenen zwei Jahren ging es mit der Handelskette operativ wieder bergauf.

Galeria Kaufhof hat sich dagegen lange Zeit gut geschlagen und galt bis 2015 sogar als Ertragsperle im Metro-Reich. Die Warenhäuser seien vor dem Verkauf in „hervorragender Verfassung“ gewesen, sagte Metro-Chef Olaf Koch erst vor wenigen Wochen der WirtschaftsWoche. „Galeria Kaufhof war vor dem Verkauf an HBC hochprofitabel und auch online auf einem sehr guten Weg.“

Unter kanadischer Führung änderte sich das rasant. Eine verfehlten Sortiments- und Rabattpolitik sowie kräftige Mieterhöhungen sorgten dafür, dass Kaufhof in die Verlustzone geriet. Zuletzt verstärkte sich der negative Trend sogar.

Im ersten Quartal, das Anfang Februar begann, hat das Unternehmen vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Sonderfaktoren einen Verlust von knapp 30 Millionen Euro gemacht. Das Minus ist damit um fast 40 Prozent größer ausgefallen als im Jahr zuvor. Hauptursache für die Entwicklung ist ein deutlicher Umsatzrückgang von acht Prozent. Das zweite Quartal soll zwar etwas besser gelaufen sein, heißt es intern, ob der Negativtrend allerdings gestoppt wurde, ist fraglich.

Klar ist dagegen: Der Zusammenschluss ist kein Zeichen der Stärke. Die schiere Not treibt die bisherigen Kontrahenten zusammen.

Aufstieg und Niedergang der deutschen Warenhäuser
Georg Wertheim ist Deutschlands Warenhauspionier. Sein erstes Warenhaus eröffnete er 1876 in Stralsund. Für Furore sorgte er aber später mit seinem glanzvollen Neubau an der Leipziger Straße in Berlin, nur wenige Meter vom Potsdamer Platz entfernt.(Bild: Berlin Mitte, Blick auf den Leipziger Platz, Aufnahmedatum: ca. 1935) Quelle: imago images
Das neue Format setzte sich schnell durch - die ersten Filialketten entstanden. Rudolph Karstadt eröffnete am 14. Mai 1881 sein „Manufactur-, Confections- und Tuchgeschäft“ in Wismar, aus dem die spätere Karstadt AG hervorging. In Berlin dominierte Wertheim das Geschäft. Den Süden sicherte sich Hertie-Namensgeber Hermann Tietz und im Rheinland legte Leonhard Tietz die Grundlagen für die heutigen Kaufhof-Häuser. (Bild: Hermann Tietz mit Ehefrau) Quelle: PR
Warenhäuser machten Luxusgüter auch für das Bürgertum bezahlbar. "Die vornehme Dame steht schwesterlich neben der kleinen Choristin, und keine wird vor der anderen bevorzugt", vermerkte das "Berliner Tageblatt" 1907 bei der Eröffnung des KaDeWe.(Bild: Ein vom Kaufhaus des Westens herausgegebenes Foto zeigt die Zigarrenabteilung im KaDeWe in Berlin im Jahr 1928. Die Tabakwaren befinden sich bereits seit der Eröffnung im Erdgeschoss des Kaufhauses.) Quelle: AP
Bis zum Zweiten Weltkrieg wuchs das Geschäft rasant. 1929 eröffnete Karstadt in Berlin-Kreuzberg am Hermannplatz eines der damals größten Warenhäuser der Welt. Auf neun Stockwerken waren anfangs rund 4000 Mitarbeiter beschäftigt. (Bild: Karstadt in Berlin, Aufnahmedatum: zwischen 1933 und 1936) Quelle: Getty Images
Da die Familien Wertheim und Tietz Juden waren, regten sich bald antisemitische Stimmen. Warenhäuser wurden als „Bazare“ diffamiert, obwohl dort Festpreise galten. Unter den Nationalsozialisten verschärften sich die Anfeindungen. Georg Wertheim schenkte sein gesamtes Vermögen seiner nicht-jüdischen Ehefrau Ursula. 1937 schrieb er kurz vor seinem 80. Geburtstag in sein Tagebuch: „Austritt aus dem Geschäft. Firma als deutsch erklärt.“ Er selbst hatte da schon Hausverbot.(Bild: Blick auf das Warenhaus Wertheim, Aufnahmedatum: 1935)
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren in den deutschen Städten auch die meisten großen Kaufhäuser zerstört. Als mit dem Wirtschaftswunder ihr Wiederaufbau begann, ging es demonstrativ schlicht und funktional zu. Die von Egon Eiermann entworfene Horten-Kachel oder die weiße Hertie-Metallplatten, sorgten für ein gleichförmiges Erscheinungsbild. Doch dem Warenhauserfolg tat das keinen Abbruch. (Bild: Fotoausstellung zum Kriegsende auf dem Alexanderplatz, Aufnahmedatum: 2015) Quelle: imago images
Der Marktanteil der Warenhäuser stieg in den Wirtschaftswunderjahren auf bis zu 15 Prozent. Karstadt, Kaufhof, Hertie und Horten dominieren die Konsumlandschaft und die deutschen Einkaufsstraßen. (Bild: Galeria Kaufhof in Frankfurt am Main, Aufnahmedatum: 1960) Quelle: Getty Images
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