Kaufverhalten Warum wir kaufen, wenn es gut riecht

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„Mein Genie ist in meinen Nüstern“

Der Alltag der meisten Stadtbewohner war noch vor 250 Jahren von heute unvorstellbaren hygienischen Bedingungen geprägt. „Es stanken die Flüsse, es stanken die Plätze, es stanken die Kirchen“, schreibt Patrick Süskind in seinem Roman „Das Parfum“ über das damalige Paris. Kein Wunder, dass der Geruch für den niedrigsten der menschlichen Sinne gehalten wurde. „Es lohnt nicht, ihn zu kultivieren oder wohl gar zu verfeinern, um zu genießen“, heißt es bei Kant, „denn es gibt mehr Gegenstände des Ekels (vornehmlich in volkreichen Örtern), als der Annehmlichkeit, die er verschaffen kann.“ Erst Friedrich Nietzsche sorgte für die Rehabilitierung des Geruchs. „Mein Genie“, schrieb er, „ist in meinen Nüstern.“

Eben weil Düfte so tief in unser Unterbewusstsein vordringen, weil sie eine so geheimnisvolle Macht über unsere Stimmungen haben, steht Duftmarketing im Verdacht, Verbraucher perfide zu beeinflussen. Müller-Grünow weist das zurück: „Wir werden über Farben und Licht genauso manipuliert, der einzige Unterschied besteht darin, dass wir verlernt haben, bewusst zu riechen.“

Ein Produkt, bei dem die Deutschen allerdings besonders gern riechen, ist das Auto: Ein Neuwagen muss danach duften, dass er kurz zuvor vom Band gerollt ist. Der Verband der Automobilindustrie hat einen Standardtest entwickelt. Professionelle Nasen vergeben Noten von 1 bis 6 – und der einzige Geruch, der bei Premiumherstellern herausstechen darf, ist Leder.

Bei BMW sind sie schon weiter: Kunden können beim 7er-Modell aus vier Kategorien jeweils eine leichtere und eine komplexere Geruchsvariante wählen. Morgens kann der Wagen mithilfe der Blue Suite No. 2 nach Meeresbrandung riechen, mit Nuancen von Mandarinen und Grapefruit. Abends simuliert die Golden Suite No. 2 olfaktorisch das Abenddämmern einer flimmernden Wüste. „Nach einem anstrengenden Tag soll der Duft entspannen“, sagt Parfümeurin Annabelle Kanzow-Coffinet, die die Serie entworfen hat. Vor fünf Jahren hat die Französin mit dem Projekt bei BMW begonnen. Worauf sie besonders achtet? Dass die Düfte Männer wie Frauen ansprechen, in alle Jahreszeiten passen und die Ingredienzien luxuriös wirken.

Anders als Parfüms, die sich erst nach und nach entfalten, wenn die Herznote auf die Kopfnote folgt und schließlich die Basisnote durchdringt, haben die BMW-Düfte nur eine Phase, der volle Akkord ist sofort präsent – und kehrt in Intervallen wieder: Bei einem Dauereinsatz würden die Insassen nichts mehr riechen. Außerdem sind die Moleküle so leicht, dass sie nicht in der Kleidung hängen bleiben. Noch wissen die Münchner nicht, welcher Duft bei den Kunden am besten ankommt. Eines aber ist sicher. „Duft erhöht den Komfort“, sagt Kanzow-Coffinet.

Bei der Deutschen Bahn sind Marketingstrategen zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Noch in diesem Jahr sollen die Toiletten in den ICE-Zügen endlich Duftspender bekommen. Über die genaue Zusammensetzung der Düfte schweigt sich die Bahn einstweilen aus, doch so viel, immerhin, will sie erreichen: dass ein Eindruck von Frische, Sauberkeit und Hochwertigkeit entsteht.

Wer genau hinriecht, merkt ohnehin, dass es duftfreie Plätze nicht gibt, jeder Raum hat seine eigene Charakteristik. Und dass Farben tatsächlich riechen können, merkt man auch, wenn sie falsch riechen, etwa beim Telefonanbieter Vodafone. In dessen Laden in Köln riecht es nach grünem Tee, was irgendwie nicht zum roten Schriftzug passt.

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