Keine Auffanggesellschaft Versinkt Schlecker in einer Klageflut?

Für die Schlecker-Mitarbeiter ist der Traum von der Transfergesellschaft geplatzt - sie stehen auf der Straße. Gegen ihre Kündigungen können sie klagen. Was das für die Investorensuche bedeutet.

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Der Plan einer Auffanglösung für 11.000 Schlecker-Beschäftigte ist gescheitert. Jetzt werden die ehemaligen Angestellten versuchen, Schlecker mit Kündigungsschutzklagen zur Kasse zu bitten. Quelle: dpa

Jetzt ist es soweit. Die Bemühungen des baden-württembergischen Wirtschaftsministers Nils Schmid, eine Transfergesellschaft für die 11.000 vor der Entlassung stehenden Schlecker-Mitarbeiter einzurichten, sind gescheitert. Erst weigerten sich Sachsen und Niedersachen, eine Bürgschaft für einen bewilligten Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu übernehmen. Damit zerstörten die beiden Länder die "große Lösung" unter Beteilung aller Bundesländer für eine Schlecker-Auffanggesellschaft. Dann machte auch Bayern einen Rückzieher und begrub damit die Hoffnung auf die "kleine Lösung" - eine Transfergesellschaft, die zumindest die ehemaligen Mitarbeiter in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen hätte aufnehmen sollen.

Jetzt hilft nur noch klagen

Für Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz bedeutet das: Kündigungen schreiben - und zwar stapelweise. Die Transfergesellschaft hätte die Schlecker-Mitarbeiterinnen für sechs Monate zu etwa zwei Dritteln ihres bisherigen Gehalts weiterbeschäftigt und gleichzeitig bei der Qualifikation für einen neuen Job unterstützt.

Damit hätten die Frauen zwar nach wie vor ihre Stelle bei Schlecker verloren, wären aber in der Transfergesellschaft untergekommen - sofern sie in den vergangenen Tagen ihr Einverständnis erklärt hatten. Jetzt bleibt den "Schlecker-Frauen" keine Wahl: Keine Transfergesellschaft - keine Weiterbeschäftigung für sechs Monate. Sie können nur noch gegen ihre Entlassung klagen.

Sozialwahl anzweifeln

Die 11.000 Beschäftigten erhalten ihre schriftliche Kündigung aus sogenannten "betriebsbedingten Gründen". Im Klartext heißt das, der Betrieb Schlecker ist pleite und kann die Angestellten so oder so nicht mehr entlohnen. Das ist für die Schleckerangestellten zwar bitter, aber rechtens. Die gekündigten Schlecker-Mitarbeiter dürfen jedoch anzweifeln, ob es gerechtfertigt war, gerade sie zu kündigen - und nicht etwa die Kollegin, die den gleichen Job gemacht hat.

Die Frauen müssen dafür die sogenannte "Sozialauswahl" in Frage stellen. Wenn sie das tun, ziehen sie mit einer Kündigungsschutzklage vor Gericht. Das Arbeitsgericht prüft dann, ob bei der Auswahl der gekündigten Person alle Kriterien entsprechend berücksichtigt wurden.

Das sind:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Alter
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehindertenrecht

Der Arbeitgeber muss denjenigen Mitarbeiter ermitteln, den eine Kündigung nach diesen Kriterien am wenigsten hart treffen würde. In der Praxis enden die meisten Kündigungsschutzklagen mit einem Vergleich - auch wenn das Ziel der Klage grundsätzlich die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ist. Meist einigen sich die Parteien darauf, das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zu beenden, der ehemaligen Arbeitnehmer erhält eine Abfindung. Darauf spekulieren wohl die meisten der Schlecker-Mitarbeiter.

Geiwitz warnt - Verdi droht

Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hat die Schlecker-Mitarbeiter unmittelbar nach Bekanntwerden des Scheitern der Transfergesellschaft aufgerufen, sich nicht mit Kündigungsschutzklagen zur Wehr zu setzen. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden solche Klagen nichts bringen, im Falle einer hohen Gesamtzahl jedoch massiv den verbleibenden Schlecker-Frauen schaden“, warnte er.

Denn für den Insolvenzverwalter bedeutet eine Flut von Kündigungsschutzklagen neue Kosten für Abfindungszahlungen, Anwälte und Gerichtsverfahren. Das schreckt potenzielle Investoren ab. Wäre die Transfergesellschaft geglückt, wären die Schlecker-Mitarbeiter mit klar kalkulierbaren Kosten "aufgeräumt" gewesen. Denn mit dem Wechsel in die Transfergesellschaft hätten die Mitarbeiter einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet und damit auch auf eine Klage verzichtet. Der Streitwert einer Kündigungsschutzklage beträgt höchstens den Lohn eines Vierteljahres. Jetzt kann Geiwitz nur hoffen, dass möglichst viele Mitarbeiter den Gang vor den Kadi scheuen.

Geht es nach der Gewerkschaft Verdi, wird das Gegenteil eintreten. Sie warnt die Drogeriekette Schlecker vor einer Klagewelle. „Wir werden die betroffenen Frauen und Männer rechtlich an die Hand nehmen“, sagte Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Es sei davon auszugehen, dass viele ihre Kündigung prüfen lassen werden. "Potenzielle Investoren werden mit unkalkulierbaren Risiken rechnen müssen.“

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