Nein, ich bin keine Schokoladenhasserin. Und ja, auch meine Kinder dürfen Süßigkeiten und Chips, Pizza und Hamburger essen und sogar süße Plörre in Form von Limo und Cola trinken. In Maßen jedenfalls, nicht aber als Grundnahrungsmittel.
Das aggressive Marketing, das die Lebensmittelindustrie seit Jahrzehnten für ihre Zucker- und Kalorienbomben gerade bei ihren jüngsten, noch formbaren Kunden betreibt, vereitelt allerdings jede Bemühung, Kindern Spaß an gesunder Ernährung zu vermitteln.
Hinter welchen Bezeichnungen sich Zucker versteckt
Zuviel Zucker ist ungesund - das weiß jedes Kind. Doch die süße Zutat versteckt sich hinter allerlei Bezeichnungen. Ein Blick auf häufige Deklarationen, um den Durchblick zu wahren:
Das ist der gewöhnliche Haushaltszucker, der aus einem Molekül Glucose und einem Molekül Fructose besteht. Gewonnen wird er aus Zuckerrübe, Zuckerrohr und Zuckerpalme. Übrigens: brauner Zucker ist nicht gesünder als weißer. Beide haben gleich viele Kalorien (400 kcal pro 100 Gramm) und sind gleich schädlich. Weißer Zucker wird einfach häufiger gereinigt. Brauner Zucker kann zwar noch minimale Mineralstoff-Spuren enthalten, das ist aber so wenig, dass es gesundheitlich keinerlei Vorteil bringt.
Hinter dem Begriff Laktose verbirgt sich der Milchzucker. Er setzt sich aus einem Molekül Glukose und einem Molekül Galaktose zusammen. Für Menschen mit einer Laktoseintoleranz ist der Zucker problematisch: Sie können ihn nicht verdauen, was zu Blähungen und Durchfall führt. In der Lebensmittelherstellung ist Laktose beliebt, weil sie billig ist und damit eine cremige Konsistenz erzeugt werden kann, was zum Beispiel bei Schokoriegeln erwünscht ist.
Generell lässt die Endung -ose auf Zucker schließen, etwa Dextrose oder Fruktose.
Es ist ein Nebenprodukt der Käseverarbeitung und besteht zu etwa 72 Prozent aus Milchzucker.
Er wird auch als Glucose-Sirup, Bonbonsirup, Isoglukose, Corn Sirup oder Maiszucker bezeichnet. Es handelt sich um einen Zuckersirup, der durch enzymatische Aufspaltung einer stärkehaltigen Lösung entsteht und aus Glukose und Fruktose (in veränderlichen Anteilen) besteht. Er kann besonders billig aus Mais, aber auch aus Kartoffeln und Weizen gewonnen werden. Diese Zuckersirup-Arten werden vor allem für Pralinen, Riegel oder Frühstücksflocken als Bindemittel eingesetzt, weil sie so klebrig sind. Kalorientechnisch steht der Sirup dem Haushaltszucker in nichts nach.
Er wird mit Säure oder einem Enzym (der sogenannten Invertase) aus Saccharose hergestellt, die dabei in ihre beiden Bausteine Glukose und Fruktose zerlegt wird. Dadurch schmeckt er etwas milder und fruchtähnlicher. Invertzuckersirup wurde früher auch "Kunsthonig" genannt. In der Lebensmittelindustrie wird er ähnlich wie Glukosesirup eingesetzt, weil er nicht so leicht kristallisiert.
Maltose, der Malzzucker, ist ein Abfallprodukt in der Stärkeherstellung aus zwei Glukosemolekülen. Er entsteht zum Beispiel beim Bierbrauen. Zucker verbirgt sich außerdem hinter allen Bezeichnungen, die mit "Malto" beginnen, etwa Maltodextrin oder Maltoextrakt.
Er gilt als Alternative zum Zucker, enthält aber fast so viele Kalorien wie normaler Zucker, da er zu etwa 80 Prozent aus Zucker besteht. Verbreitet sind zum Beispiel Agaven- oder Apfeldicksaft.
Und obwohl sich ein Teil der Lebensmittelhersteller in Europa seit 2007 eine freiwillige Selbstbeschränkung auferlegt und zu einem verantwortungsvollen Marketing bei Kindern verpflichtet hatte (die „EU-Pledge“), scheint sich nicht das Geringste geändert zu haben, wie eine aktuelle Studie der Verbraucherorganisation Foodwatch jetzt belegt: Die Hersteller bewerben in Deutschland weiterhin fast ausschließlich ungesunde Produkte gezielt an Kinder gerichtet.
Von insgesamt 281 Produkten, die Foodwatch unter die Lupe nahm, waren 90 Prozent keine ausgewogenen Kinderlebensmittel nach den Anforderungen, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang 2015 sehr konkret formuliert hat. Gerade einmal 29 Produkte im Test dürften nach diesen WHO-Kriterien an Kinder vermarktet werden.
Wieviel Zucker steckt in...
In dem Schokoriegel (18 Gramm) stecken rund sechs Gramm Zucker.
In einem Riegel (58 Gramm) stecken rund 39 Gramm Zucker.
20 Gramm der Schokocreme enthalten rund 12 Gramm Zucker.
200 Milliliter Apfelsaft enthalten 20 Gramm Zucker.
200 Milliliter Cola enthalten etwa 18 Gramm Zucker.
200 Milliliter Milch enthalten 10 Gramm Zucker.
Eine Portion (50 Gramm) dieses Kinderprodukts enthält 7,6 Gramm Zucker.
Zwiebelsuppe aus der Tüte von Maggi enthält laut Hersteller 24 Gramm Zucker auf 100 Gramm der trockenen Zubereitung. Fertig gekocht entspricht das bei einer Portion von 250 Millilitern 3,3 Gramm Zucker.
Gesetzliche Regulierung wird gefordert
Das ist ein Ärgernis – nicht nur für Eltern, sondern auch für Mediziner, die sich mit den Folgen der permanenten Fehlernährung herumschlagen müssen. So sind in Deutschland derzeit 15 Prozent der Kinder übergewichtig. Das sind 50 Prozent mehr als in den Achtziger- und Neunzigerjahren. Sechs Prozent sind sogar adipös, also fett. Die Folgen sind fatal – den kleinen Moppelchen drohen Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Gelenkprobleme.
Schneller schlau: Adipositas
Fettleibigkeit bei Kindern und Erwachsenen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Die Fachbezeichnung für die extreme Form des Übergewichts lautet Adipositas.
Laut Weltgesundheitsorganisation gelten Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 bis 30 als übergewichtig und mit einem BMI von mehr als 30 als adipös, also fettleibig.
Den BMI erhält man, indem man sein Gewicht durch die Körpergröße zum Quadrat teilt.
Bei Kindern und Jugendlichen ist eine BMI-Kategorisierung schwieriger, da es große individuelle Entwicklungsunterschiede gibt.
Betroffene leiden oft unter Bluthochdruck, hohen Cholesterinwerten, einem erhöhten Diabetesrisiko, Herzschwäche, einer Fettleber und Gelenkproblemen. Auch die Wahrscheinlichkeit, an bestimmten Krebsarten zu erkranken, steigt. Wenn Betroffene zudem gesellschaftlich ausgegrenzt werden, leidet die Psyche.
Es gibt spezielle Adipositas-Kliniken, wo sich Ärzte, Therapeuten und Psychologen um die Patienten kümmern. Die erste Maßnahme zur Gewichtsreduktion sind ein maßvolles Essverhalten und ausreichend Bewegung.
Eine Operation gilt erst als ratsam, wenn Ernährungsberatungen und andere Methoden keinen Erfolg bringen.
Nun schlagen die Deutsche Adipositas Gesellschaft, die Deutsche Diabetes Gesellschaft und die Deutsche Diabetes-Hilfe Alarm und verlangen eine gesetzliche Regulierung. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft und Sprecher der Deutschen Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK) sagt: „Die sogenannte Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie für die Kinderlebensmittelwerbung ist eine Mogelpackung und täuscht den Verbraucher. Die meisten ‚Kinderlebensmittel‘ sind keine Lebensmittel, sondern schlichtweg Süßigkeiten.“
Garlichs fordert: „Marketing für ‚Kinderlebensmittel‘ muss per Gesetz eingedämmt werden, sonst werden wir die Welle der Fehlernährung und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nicht stoppen.“
Endlich werden die Mediziner deutlich – und wollen das Marketingverbot für ungesunde Lebensmittel auch auf Jugendliche ausweiten. Die Unterstützung durch Heerscharen von Eltern ist ihnen gewiss. Denn denen geht das Kinder- und Jugendmarketing gehörig auf die Nerven. Zwar werfen sich die Kleinen irgendwann nicht mehr vor Wut heulend und schnaubend vor dem Supermarkt-Süßigkeiten-Regal zu Boden. Doch es folgen akute Zickenattacken und Endlosdebatten, wenn Eltern morgens die Limo vom Frühstückstisch räumen, das Schokomüsli rationieren oder die Zufuhr an Chips und Süßkram drosseln.
Die Nahrungsmittelindustrie hat es in acht Jahren nicht annähernd geschafft, ihr selbstgestecktes Ziel zu erreichen, ausschließlich gesunde Lebensmittel an Kinder zu vermarkten. Wie bei Tabak und Alkohol wird eine gesetzliche Regulierung der einzige wirksame Weg sein, diesen Irrsinn zu stoppen.