Kinder-Ernährung Kampf den Zuckerbomben

Deutschland verfettet – doch die Ernährungsindustrie bewirbt entgegen aller Selbstverpflichtungserklärungen weiterhin vor Zucker und Fett strotzende Produkte. Gerade für Kinder, wie eine aktuelle Studie von Foodwatch belegt. Dass die medizinischen Fachgesellschaften jetzt eine staatliche Regulierung des Irrsinns fordern, ist überfällig.

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Foodwatch prangert Kindermarketing für Lebensmittel an
Foodwatch: Kindermarketing für Lebensmittel Quelle: Foodwatch
Mondelez Quelle: Foodwatch
ferrero Quelle: Foodwatch
Intersnack Quelle: Foodwatch
Coca-Cola Quelle: Foodwatch
Pepsico Quelle: Foodwatch
Danone Quelle: Foodwatch

Nein, ich bin keine Schokoladenhasserin. Und ja, auch meine Kinder dürfen Süßigkeiten und Chips, Pizza und Hamburger essen und sogar süße Plörre in Form von Limo und Cola trinken. In Maßen jedenfalls, nicht aber als Grundnahrungsmittel.

Das aggressive Marketing, das die Lebensmittelindustrie seit Jahrzehnten für ihre Zucker- und Kalorienbomben gerade bei ihren jüngsten, noch formbaren Kunden betreibt, vereitelt allerdings jede Bemühung, Kindern Spaß an gesunder Ernährung zu vermitteln.

Hinter welchen Bezeichnungen sich Zucker versteckt

Und obwohl sich ein Teil der Lebensmittelhersteller in Europa seit 2007 eine freiwillige Selbstbeschränkung auferlegt und zu einem verantwortungsvollen Marketing bei Kindern verpflichtet hatte (die „EU-Pledge“), scheint sich nicht das Geringste geändert zu haben, wie eine aktuelle Studie der Verbraucherorganisation Foodwatch jetzt belegt: Die Hersteller bewerben in Deutschland weiterhin fast ausschließlich ungesunde Produkte gezielt an Kinder gerichtet.

Von insgesamt 281 Produkten, die Foodwatch unter die Lupe nahm, waren 90 Prozent keine ausgewogenen Kinderlebensmittel nach den Anforderungen, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang 2015 sehr konkret formuliert hat. Gerade einmal 29 Produkte im Test dürften nach diesen WHO-Kriterien an Kinder vermarktet werden.

Wieviel Zucker steckt in...

Gesetzliche Regulierung wird gefordert

Das ist ein Ärgernis – nicht nur für Eltern, sondern auch für Mediziner, die sich mit den Folgen der permanenten Fehlernährung herumschlagen müssen. So sind in Deutschland derzeit 15 Prozent der Kinder übergewichtig. Das sind 50 Prozent mehr als in den Achtziger- und Neunzigerjahren. Sechs Prozent sind sogar adipös, also fett. Die Folgen sind fatal – den kleinen Moppelchen drohen Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Gelenkprobleme.

Schneller schlau: Adipositas

Nun schlagen die Deutsche Adipositas Gesellschaft, die Deutsche Diabetes Gesellschaft und die Deutsche Diabetes-Hilfe Alarm und verlangen eine gesetzliche Regulierung. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft und Sprecher der Deutschen Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK) sagt: „Die sogenannte Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie für die Kinderlebensmittelwerbung ist eine Mogelpackung und täuscht den Verbraucher. Die meisten ‚Kinderlebensmittel‘ sind keine Lebensmittel, sondern schlichtweg Süßigkeiten.“

Garlichs fordert: „Marketing für ‚Kinderlebensmittel‘ muss per Gesetz eingedämmt werden, sonst werden wir die Welle der Fehlernährung und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nicht stoppen.“

Endlich werden die Mediziner deutlich – und wollen das Marketingverbot für ungesunde Lebensmittel auch auf Jugendliche ausweiten. Die Unterstützung durch Heerscharen von Eltern ist ihnen gewiss. Denn denen geht das Kinder- und Jugendmarketing gehörig auf die Nerven. Zwar werfen sich die Kleinen irgendwann nicht mehr vor Wut heulend und schnaubend vor dem Supermarkt-Süßigkeiten-Regal zu Boden. Doch es folgen akute Zickenattacken und Endlosdebatten, wenn Eltern morgens die Limo vom Frühstückstisch räumen, das Schokomüsli rationieren oder die Zufuhr an Chips und Süßkram drosseln.

Die Nahrungsmittelindustrie hat es in acht Jahren nicht annähernd geschafft, ihr selbstgestecktes Ziel zu erreichen, ausschließlich gesunde Lebensmittel an Kinder zu vermarkten. Wie bei Tabak und Alkohol wird eine gesetzliche Regulierung der einzige wirksame Weg sein, diesen Irrsinn zu stoppen.

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