Kinderarbeit für Schokolade "Ich kann nicht mal meinen Namen schreiben"

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Der Weg zu Kakao ohne Gewissensbisse

„Ein Kind muss beschützt werden und gehört in die Schule“, sagt Affian. Alle Daten seiner Gespräche mit Eltern und Kindern sowie über die Besuche von Häusern und Plantagen werden von ihm penibel in einer Smartphone-App erfasst. Wenn es wie bei Moahé Fälle von Kinderarbeit gibt, arbeitet er zusammen mit ICI eine Lösung aus, etwa um die Kinder wieder in die Schule zu bringen.

Für Affian ist das eine Herzensangelegenheit. Er hat als Kind auf der Plantage seines Vaters gearbeitet, als seinem Bruder die Machete ausrutschte und ihn mit voller Wucht am Unterarm erwischte. „Danach konnte ich nicht mehr in die Schule gehen. Ich konnte nicht mal mehr einen Kugelschreiber halten“, sagt Affian. „Das soll keinem anderen Kind mehr passieren.“

Um sicherzustellen, dass keine Kinder auf den Plantagen schuften, arbeitet ICI Hand in Hand mit den Abnehmern der Bauern, den Kooperativen. Der Kakao aus Konan Yaokro etwa geht über eine Kooperative im nahen N'Douci an den US-Rohstoffhändler Cargill, der den Kakao dann an Nestlé verkauft. Der Schweizer Lebensmittelkonzern kauft über das System mit ICI inzwischen nach eigenen Angaben jährlich rund 47 000 Tonnen Kakaobohnen. Das entspricht etwa 11 Prozent des weltweit pro Jahr von Nestlé gekauften Kakaos.

„In unserer Lieferkette darf es keine Kinderarbeit geben“, sagt der zuständige Nestlé-Manager, Yann Wyss. Nun gehe es darum, das 2012 mit ICI in der Elfenbeinküste begonnene System so auszuweiten, dass in einigen Jahren aller angekaufter Kakao ohne Kinderarbeit hergestellt sein würde. Zunächst solle das System auch im benachbarten Ghana zur Anwendung kommen. „Das Problem gibt es in unserer Lieferkette und wir nehmen es sehr ernst“, sagt Wyss. Nestlé machte mit KitKat und anderen Süßwaren 2016 einen Umsatz von 8,7 Milliarden Schweizer Franken (derzeit 8,12 Milliarden Euro). Für den Kampf gegen Kinderarbeit und den Bau von Schulen gab der Konzern in dem Jahr indes nur 5,5 Millionen Schweizer Franken aus.

Dass der Kinderarbeit in Westafrika so schwer beizukommen ist, liegt aber auch an strukturellen Faktoren. Die meisten Kakaobauern bebauen nur ein paar Hektar. Damit haben sie oft nicht genug Einkommen, Arbeitskräfte einzustellen, weswegen Familie und Kinder herangezogen werden.

So erging es auch Sylvain Yao Kouakou. Nach dem Tod seiner Eltern kam der 16-Jährige zu seinem Onkel nach Konan Yaokro. „Seither musste ich ihm in den Kakaoplantagen helfen“, erzählt er. „Ich habe mit der Machete das Unkraut weggeschlagen und wenn der Kakao reif war, habe ich ihn in schweren Säcken nach Hause geschleppt.“

Sylvain, der noch bis vor Kurzem schwere Arbeiten mit einer Machete in der Kakaoplantage seines Onkels verrichtet hat. Quelle: dpa

Das Durchsetzen der Regeln gegen Kinderarbeit war in Konan Yaokro zunächst schwierig. „Die Eltern haben gesagt, sie brauchen die Hilfe ihrer Kinder, sie schaffen es nicht allein“, sagt Affian. Doch die Akzeptanz stieg, sobald die Bewohner sahen, dass ICI auch Hilfe anbot. ICI hat im Land eigenen Angaben zufolge bereits rund 1400 Klassenzimmer renoviert oder neugebaut.

Die Organisation kann zudem bei der Bezahlung der Schulgebühren helfen. Um zu verhindern, dass Kleinkinder mit auf die Felder genommen werden, hat ICI in einigen Dörfern auch einen Kindergarten eingerichtet.

Die Elfenbeinküste mit 24 Millionen Einwohnern gehört einem UN-Index zufolge zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Die Lebenserwartung liegt der Weltbank zufolge bei 53 Jahren, in Deutschland sind es 81 Jahre. Die Kakaobauern sind den Kräften des Weltmarktes ausgeliefert: Ein Tonne Kakaobohnen kostete 2014 in New York noch etwa 3200 US-Dollar, inzwischen sind es nur noch 1900 US-Dollar. Die Regierung federt die Schwankungen etwas ab. Im Vorjahr bekamen Bauern einen Fixpreis von umgerechnet knapp 1700 Euro pro Tonne, jetzt nur noch 1100 Euro.

Die niedrigen Kakaopreise „lassen die Kleinbauern verarmen“, kritisiert das Internationale Forum für Arbeitsrecht (ILRF). „Der Aufwand lohnt sich heute kaum mehr“, stimmt Kakaobauer Attalé André Yao zu. Der 32-Jährige muss seine vier Kinder ernähren und auch Schulgebühren für die Nachkommen seiner Schwestern zahlen. Wir haben nicht mehr genug Geld, ausreichend Dünger oder Insektenschutzmittel zu kaufen, damit geht unser Ertrag weiter nach unten.“

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