Kion kauft Dematic Wandel zum Logistikanbieter

Der Staplerhersteller Kion hat den Kauf des US-Spezialisten Dematic abgewickelt. Die Summe liegt bei 2,1 Milliarden Dollar. Kunden, wie etwa dem Online-Riese Amazon, wollen sie künftig Lösungen aus einer Hand anbieten.

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„Der Kauf von Dematic verschafft uns hier einen deutlichen Vorteil“, sagte Kion-Chef Gordon Riske dem Handelsblatt. Quelle: dpa

Düsseldorf Ob nun Turnschuhe, Kühlschränke oder Industriekomponenten – es gibt wenige Branchen, die so rasant wachsen wie die Logistik, wo sich alles um die Lagerung und den Transport von Gütern aller Art dreht. Das hat viel mit der steigenden Bedeutung des Online-Handels zu tun: Wenn Waren per Internet bei Amazon & Co bestellt werden, dienen riesige Lagerhallen als Drehscheibe zwischen Fabrikhalle und Kunden. Aber auch in der Industrie werden im Zuge der digitalen Vernetzung immer mehr Teile zwischen den verschiedenen Anlagen mit fahrerlosen Transportsystemen bewegt – sensor- uns softwaregesteuert, ohne dass Menschen noch großartig eingreifen müssen. Die Ansprüche steigen, die Komplexität auch.

Wenn der Wiesbadener Staplerbauer Kion an diesem Mittwoch nun den Kauf des US-Logistikspezialisten Dematic abschließt, folgt er genau dieser Logik. „Viele große Kunden wollen alles aus einer Hand, wenn sie überall auf der Welt neue Logistikzentren aufbauen“, sagte Kion-Chef Gordon Riske dem Handelsblatt. „Der Kauf von Dematic verschafft uns hier einen deutlichen Vorteil.“

Den lässt sich Kion einiges kosten: 2,1 Milliarden Euro überweist der Staplerbauer an den Finanzinvestor AEA Investors und den Pensionsfonds Ontario Teachers‘ Pension Plan. Das ist ein ordentlicher Aufschlag für ein Unternehmen, das zuletzt auf einen Umsatz von 1,8 Milliarden Dollar kam, von denen ein bereinigter operativer Gewinn von 168 Millionen übrig blieb.

Doch Riske rechnet anders: Der Umsatz bei Dematic sei in den vergangenen Jahren stets zweistellig gewachsen, „und das wird auch die nächste Zeit anhalten.“ Integrierte Lager- und Fördersysteme, autonome Transportanlagen über IT- und Software miteinander verwoben, um die Lieferketten zu optimieren – die großen Handels- und E-Commerce-Konzerne haben ein großes Interesse an solchen effizienten und kostengünstigen Lösungen in ihren Lagerhallen, in denen kaum noch Menschen arbeiten. Schließlich sind die Margen im Handel nicht gerade üppig.

Für Kion erschließt sich mit dem Zukauf eine neue Dimension. „Es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber damit sind wir bestens für die Chancen durch Industrie 4.0, E-Commerce und Digitalisierung positioniert“, sagte Riske. Zwar läuft das Kerngeschäft – der Bau und der Service von Staplerfahrzeugen, unverändert gut. Im gerade veröffentlichten 3. Quartal wies der Konzern ein Umsatzplus von knapp vier Prozent aus – dank der guten Geschäfte in Europa und China. Doch das Geschäft ist konjunkturabhängig und die stürmischen Wachstumsphasen sind vorbei.

Als Nummer zwei der Welt hält sich die ehemalige Linde-Tochter, die inzwischen zu 40 Prozent dem chinesischen Unternehmen Weichai Power gehört, mit ihren sieben Marken wie Still, Linde oder Baoli hartnäckig hinter Marktführer Toyota. Das Geschäft mit Staplern und deren Service ist jedoch eher kleinteilig: Die zehn größten Kion-Kunden stehen gerade mal für sechs Prozent des Umsatzes, bei Dematic sorgen die Top 15 für die Hälfte der Geschäfte.

Zudem hat Kion mit seinen Kernmärkten Europa und Asien traditionell Schwächen im Nordamerika-Geschäft. Der Kauf von Dematic balanciert das Ungleichgewicht aus: Die US-Tochter mit deutschen Wurzeln macht rund zwei Drittel ihrer Geschäfte in Nordamerika.

Überschneidungen gibt es daher weder von der Produktseite noch von den Regionen. Riske rechnet dennoch mit Synergieeffekten, die sich aber mit weniger als 100 Millionen Euro pro Jahr in Grenzen halten werden. Sie sollen vor allem durch bessere Einkaufskonditionen entstehen.

Mit dem Kauf von Dematic kommt Kion nun künftig auf einen Umsatz von rund 6,7 Milliarden Euro. Es ist das Komplett-Angebot rund um ein komplexes Geschäft, das für neues Wachstum sorgen soll. Denn diese Komplexität aus dem Zusammenspiel verschiedener Abläufe in der Logistik-Kette muss erst einmal bewältigt werden. „Wenn Sie fünf verschiedene Systeme integrieren müssen, stellt sich irgendwann die Frage: Wer ist schuld, wenn es nicht funktioniert?“, sagte Riske. Das sei Vorteil der neuen Kion, nun solche integrierte Lösungen anzubieten. Branchenexperten teilen diesen Optimismus: „Der Preis ist zwar anspruchsvoll, Dematic passt aber strategisch sehr gut zu Kion“, sagte LBBW-Analyst Stefan Maichl. „Das Umsatzpotenzial ist höher als aus dem traditionellen Geschäft.“

Das ehrgeizige Ziel, irgendwann mal Toyota zu überholen, hat Riske zwar nicht aus den Augen verloren, es ist für ihn aber auch nicht mehr so wichtig: „Der Kauf von Dematic ist ein Meilenstein für uns“, sagte er. „Kion ist jetzt ein anderes Unternehmen.“

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