




Nach langer Überlegung haben meine Eltern eine Entscheidung gefällt: Dieses Modell sollte es sein und kein anderes. Welches Modell, welche Farbe, welches Zubehör stand nach Monaten endlich fest. Doch die Verkäuferin machte der Sache schnell einen Strich durch die Rechnung: „In dieser Farbe ist das erst wieder in zwei Monaten lieferbar.“ Zwei Monate Wartezeit – nicht für ein Auto, sondern eine Küchenmaschine.
Damit sind sie kein Einzelfall. Die lange unterschätzten Rühr- und Mixgeräte haben sich zu einem Trendprodukt entwickelt. Mit den verschiedensten Konzepten vom klassischen Design einer Kitchen Aid von Artisan über die moderne Gestaltung einer Bosch MaxxiMUM bis hin zum Quasi-Alleskönner Thermomix von Vorwerk buhlen die Anbieter um die Aufmerksamkeit der Kunden.
So sind deutsche Küchen
1,2 Millionen Küchen werden jährlich in Deutschland verkauft. Und die Hersteller verdienen gut an ihnen. Mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz machte die Branche laut der Arbeitsgemeinschaft Moderne Küche 2013 in Deutschland.
Den Großteil des Umsatzes macht die deutsche Küchenindustrie im Inland: 6,03 Milliarden Euro allein im Jahr 2013 (Vorjahr: 5,95 Mrd). Auch im Ausland kommen die deutschen Küchen gut an: Die Hersteller exportierten zuletzt Waren im Wert von rund 4,01 Milliarden Euro. Laut Branchenkennern entwickelt sich insbesondere China zu einem wichtigen Absatzmarkt, weil moderne Einbauküchen europäischer Prägung dort ein Statussymbol sein.
Laut den Konsumforschern der Gfk legte der Durchschnittspreis für Küchen bei Einrichtungshäusern und dem Küchenfachhandel (ohne Discounter) innerhalb von vier Jahren um mehr als 800 Euro zu. 2009 kostet die Durchschnittsküche 6.429 Euro. 2013 schon 7.243 Euro. Kochbegeisterte geben aber auch 30.000 Euro und mehr für eine Küche aus.
Die Küche läuft dem Auto als Statussymbol den Rang ab. Das hat zumindest eine Umfrage des Zukunftsinstituts im Auftrag von Siemens ergeben. 57 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass ihnen eine "tolle Küche" wichtig ist. Nur 29 Prozent nannten das Auto und noch weniger Hi-Fi-/Videoanlagen (acht Prozent) und Smartphones und Tablets (sieben Prozent).
Vom aktuellen Trend zum Kochen wollen viele profitieren, in der Gunst der Verbraucher liegen aber Küchenmaschinen derzeit weit vorne, weiß Werner Scholz vom Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). „Das gestiegene Interesse am Kochen zeigt auch alleine die Tatsache, dass jeden Tag über ein Dutzend Kochshows im deutschen Fernsehen laufen – was man da sieht, will man auch zu Hause nachkochen“.
Dabei geben die Kunden zunehmend mehr Geld für ihre Küchenmaschine aus. Zwar sind selbst bei Bosch Einstiegsmodelle für etwa 100 Euro zu haben, doch das große Geschäft machen die Hersteller mit den teuren Produkten. Der Klassiker Kitchen Aid kostet rund 650 Euro, der besonders in Deutschland beliebte Thermomix bis zu 1000 Euro. Der Cooking Chef aus dem Hause Kenwood schlägt mit bis zu 1200 Euro zu Buche.
Statussymbol Thermomix
Der Thermomix sticht aus der Masse heraus. Nicht nur, dass er neben mixen auch kochen und dampfgaren kann - er ist gar nicht im Laden zu kaufen. Hersteller Vorwerk bringt seine Küchenmaschine wie die Staubsauger nur über einen Direktvertrieb unters Volk. Die ungewöhnliche Strategie scheint sich auszuzahlen. „Alle 38 Sekunden wird irgendwo auf der Welt ein Thermomix verkauft“, sagte Vorwerk-Gesellschafter Walter Muyres.
Diesen Trend zu höherwertigen Produkten belegen auch die Zahlen des ZVEI. „Während der stückmäßige Absatz von Küchenmaschinen 2013 um zehn bis elf Prozent gestiegen ist, hat der Umsatz um 15 Prozent zugelegt“, sagt Scholz. „Hochwertige Materialien, die passenden Farben und das gesamte Design werden wichtiger. Einige Produkte sind klassisch weiß oder silbern, bei anderen gibt es eine breite Auswahl an genau aufeinander abgestimmten Farbtönen.“





Den Farbtönen sind auch meine Eltern zum Opfer gefallen. In den trendigen Lackierungen „Himbeereis“ oder „Fuchsia“, einem ausgeprägten Violett, war die Maschine noch verfügbar. Da es aber ein ganz bestimmter Rot-Ton sein musste, mussten sie warten.
Über die Jahre ist die Küche das liebste Statussymbol der Deutschen geworden. Mein Haus, mein Auto, mein Boot sind out, die Kochinsel ist in. In einer vom Küchengeräte-Hersteller Siemens beauftragen Umfrage gaben 57 Prozent der Befragten an, ihnen sei eine tolle Küche wichtiger als andere Güter. Das Auto, einst des Deutschen liebstes Kind, kam nur auf 29 Prozent. Hifi-Geräte und Smartphones folgen auf den Rängen drei und vier.
Kochen hat sich weiterentwickelt, vom notwendigen Übel der Zubereitung hin zum aufwändig zelebrierten Hobby. An diesem Imagewechsel haben auch die Kochshows ihren Anteil. Aber auch bei ihnen lässt sich ein Wandel beobachten: Während noch bis vor einigen Jahren fast ausschließlich Sterneköche ihre prämierten Kreationen präsentierten, steht heute eine einfachere Küche im Vordergrund. Statt einer „Reduktion von Kalbsjus“ oder einer „Emulsion von Sepiatinte“, zeigen die TV-Köche Gerichte, die der Zuschauer auch zu Hause nachkochen kann.