Klagen gegen Onlinehändler Diese Mittelständler proben den Aufstand gegen Amazon

Fahrradtaschen-Hersteller Ortlieb klagt gegen Amazon, da die Markenprodukte dort ohne Genehmigung des Herstellers angeboten werden Quelle: dpa

Streit um Markenrechte, unlauteres Abwerben von Händlern, die schiere Marktmacht: Je stärker der Internetgigant Amazon wächst, desto zahlreicher die Beschwerden. Jetzt hagelt es Klagen, weil Amazon Markenprodukte verkauft, obwohl die Hersteller das nicht wollen.

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Viele Hersteller fühlen sich von Amazon über den Tisch gezogen. Klagen gegen den Konzern häufen sich. Am 25. Juli steht ein richtungsweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs zum Markenstreit mit Ortlieb bevor. Ein Überblick über bereits gefällte und noch ausstehende Urteile zur Geschäftspraxis des Internetriesen.

Der Fall Ortlieb

Beim googeln nach Fahrrad- oder Gepäcktaschen des Herstellers Ortlieb spuckt die Suchmaschine verschiedene Anzeigen aus. Die Werbung wird aber nicht von Ortlieb selbst platziert, sondern von Amazon. Gegen dieses Vorgehen des Milliardenkonzerns klagt Ortlieb vor dem Bundesgerichtshof. Das Skurrile daran ist, dass Ortlieb selbst seine Produkte nicht auf Amazon anbietet, sondern die Ware nur über ausgewählte Partner vertreibt. Oftmals ist es aber für die Amazon-Nutzer nur schwer ersichtlich, wer tatsächlich hinter den angebotenen Produkten steckt.

Ortlieb klagt gegen den Onlinehändler aus den USA, da Originalprodukte sowie Konkurrenzartikel auf der Amazon-Ergebnisliste erscheinen. Das Anzeigen und Anbieten von Ortlieb-Taschen will der Produzent aber vermeiden. Der Freizeitausrüster mit rund 200 Mitarbeitern vertreibt seine Ware seit 2011 über eine sogenannte selektive Kanalstrategie: Dabei dürfen nur ausgewählte Partner die Fahrrad- und Gepäcktaschen verkaufen. Auch online können die Händler die Ware anbieten, jedoch kann Ortlieb untersagen, dass sie die Markenartikel auf Amazon anbieten. Alle Originalprodukte, die dort erhältlich sind, stammen von Drittanbietern, die sich die Taschen über den Graumarkt besorgt haben. In den Vorinstanzen siegte der Hersteller bereits mit seiner Klage. Der Bundesgerichtshof hat Anfang Juli 2019 über die Angelegenheit verhandelt, das Urteil steht noch aus.

Markenrechtsstreit mit goFit

Auch die goFit Gesundheit GmbH hat Klage gegen Amazon eingereicht. Das Unternehmen aus dem steirischen Kindberg vertreibt seine Fußreflexzonen-Massagematte nur über ausgewählte Kooperationspartner und über die eigene Webseite. Auf den Vertrieb über die Marktplätze wie Amazon verzichtete das Unternehmen. Durch die Klage wollte goFit verbieten, dass bei der Eingabe des Suchbegriffs auf der Amazon-Seite Ergebnisse wie „goFit“ oder „goFit Gesundheitsmatte“ als automatische Vervollständigung durch den Algorithmus vorgeschlagen werden. Der Bundesgerichtshof hat die Klage im Februar 2018 allerdings zurückgewiesen und Amazon Recht gegeben. Bei der Amazon-Produktsuche bestehe keine Verletzung des Firmenschlagwortes, argumentierte das Gericht. Das österreichische Unternehmen musste im Dezember vergangenen Jahres aufgrund von Umsatzeinbrüchen sowie Schulden im sechsstelligen Bereich Insolvenz anmelden.

Ausgelatscht: Birkenstock-Plagiate

Anfang 2018 wollte auch der Sandalen-Hersteller Birkenstock seine Zulieferungen an Amazon stoppen und hat dies mit der Vertragskündigung fixiert. Als Begründung führte der Hersteller Plagiate und Fälschungen an, die dort als Birkenstock-Originale angeboten werden. Jedoch blieb es beim konjunktiven „wollte“, denn Birkenstock-Produkte sind bis zum heutigen Zeitpunkt noch immer bei Amazon erhältlich. Der Grund: Der Online-Versender kauft Restposten bei anderen Händlern ein - und auch Drittanbieter preisen die Markenprodukte an, obwohl sie keine direkten Beziehungen zum Hersteller pflegen. Nur wer den Bestellprozess fast bis zum Kaufabschluss durchklickt, kann im Kleingedruckten lesen, dass die Produkte nicht von Birkenstock direkt geliefert werden, sondern von einem Drittanbieter.

Ebay gegen Amazon: Kampf der Plattformen

Nicht nur deutsche Unternehmen gehen gegen den Amazon-Konzern mit Sitz in Washington vor, sondern auch amerikanische. Ebay hat im Oktober vergangenen Jahres in den USA Klage gegen seinen Konkurrenten erhoben. Der Online-Flohmarkt wirft dem Versandhaus vor, seit 2015 systematisch Top-Händler abgeworben zu haben. Dabei haben Amazon-Mitarbeiter Ebay-Konten angelegt und so mit den Verkäufern Kontakt aufgenommen. Dies verstößt klar gegen die Geschäftsbedingungen von Ebay. In den Nachrichten ist lediglich der Austausch von Informationen über die angebotenen Produkte erlaubt, nicht aber das Abwerben von Anbietern auf andere Plattformen. Noch haben die US-Richter kein Urteil gesprochen.

Wettbewerbsaufseher klagen gegen Amazon

Unter den klagenden Parteien gegen den Megakonzern befinden sich auch Wettbewerbsaufsichten und Verbände. Das Deutsche Bundeskartellamt hat Ende November 2018 eine Untersuchung eingeleitet. Dabei werden die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen von Amazon gegenüber den Händlern auf dem deutschen digitalen Marktplatz überprüft.

Bundeskartellamts-Präsident Andreas Mundt etwa warnt: „Amazon ist selbst der größte Online-Händler und das Unternehmen betreibt den mit Abstand größten Online-Marktplatz in Deutschland.“ Mundt zufolge seien viele Händler und Hersteller beim Online-Vertrieb auf die Reichweite des Amazon-Marktplatzes angewiesen. „Die Doppelrolle als größter Händler und größter Markplatz birgt das Potenzial für Behinderungen von anderen Händlern auf der Plattform.“

Gleichzeitig untersucht die EU-Kommission die Erhebung und Nutzung von Transaktionsdaten durch Amazon. Die beiden Untersuchungen ergänzen sich. Während das Kartellamt den Fokus auf die Geschäftsbedingungen mit den Händlern legt, konzentriert sich die Europäische Kommission auf die Datenverarbeitung des Onlineriesen.

Der Österreichische Handelsverband hat im Dezember 2018 eine Beschwerde gegen Amazon bei der Bundeswettbewerbsbehörde eingereicht. Aus der Beschwerdeschrift geht hervor, dass auch hier Amazons Doppelrolle als Online-Händler und zugleich Online-Marktplatz für Ärger sorgt. Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, kritisiert: „Als führender Marktplatz kann Amazon theoretisch die Daten der gelisteten Händler einsehen, deren Preise unterbieten und langfristig das gesamte Geschäft an sich binden.“ Durch den Zugriff auf unzählige Kunden- und Händlerdaten könne sich Amazon einen wettbewerbsbeeinflussenden Vorteil verschaffen. Bei Produkten, welche für die Händler besonders gut laufen, könne Amazon sein Eigensortiment wie „Amazon Basics“ ausbauen und die Preise von herkömmlichen Verkäufern strategisch unterbieten. Dadurch schieden die Mitbewerber früher oder später aus dem Markt aus, so die Argumentation der österreichischen Wettbewerbswächter.

Kunden sind dem Versandhändler nicht schonungslos ausgeliefert

Amazon-Nutzer, die sich vor bösen Überraschungen bei der Lieferung schützen wollen, haben laut Carsten Föhlisch gute Chancen. Er ist Bereichsleiter Recht sowie Prokurist der Trusted Shops GmbH. Seit 1999 verleiht das Unternehmen Onlinehändlern Gütesiegel, damit die Kunden bei ihren Einkäufen im Netz sicher sind. Die Nutzer sollten auf den Produktseiten und vor dem Checkout jeweils überprüfen, wer die Ware anbietet. Die Plattform muss ebenfalls kennzeichnen, wer den Versand der Produkte übernimmt. Dies ist laut Föhlisch zwar eher zurückhaltend gestaltet, aber dennoch ausreichend im Sinne des Lauterkeitsrechts.

Ob es sich bei der angebotenen Ware um Plagiate oder Originalware handelt, ist online oft nur schwer ersichtlich. Jedoch können Kundenbewertungen hilfreich sein, um mehr über die Herkunft und die Qualität der Produkte zu erfahren. Sollte dennoch ein Plagiat geliefert werden, so ist dies ein Verstoß gegen den Kaufvertrag. Damit ist Amazon verpflichtet, den Kaufpreis zu erstatten. Wird hingegen Originalware wie jene von Ortlieb geliefert, die unter ein Vertriebsverbot bei Amazon fällt, dann ist dies für den Kunden nicht weiter schlimm. Bei der Geltendmachung von (Hersteller-)Garantieansprüchen könnte es zwar zu Problemen kommen. Konkrete Fälle seien ihm aber keine bekannt, berichtet Föhlisch.

Ob die Klagen und Beschwerden gegen Amazon etwas gegen die Marktmacht des Online-Händlers ausrichten, ist nicht absehbar. Dennoch mehren sich die Versuche der Einzelhändler, den Internetriesen juristisch in seine Schranken zu weisen. Die ausstehenden Urteile könnten richtungsweisend für die ganze Branche sein.

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