Klassiker von WiWo Trigema-Chef Grupp: „In Deutschland habe ich alles unter Kontrolle“

Trigema-Inhaber Wolfgang Grupp Quelle: dpa

Der Modehändler C&A holt die Textilherstellung wieder nach Deutschland zurück. In der Branche stößt das auf Skepsis. Ein Gespräch mit Wolfgang Grupp über Vorzüge und Herausforderungen des Standorts Deutschland.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Nicht erst seit der Corona-Pandemie besinnen sich wieder mehr Unternehmer auf Deutschland. Der Moderiese C&A gab bekannt als einer der ersten, Teile der Produktion von Asien nach Deutschland zurückzuholen. Im Januar 2022 führte die WirtschaftsWoche ein Gespräch mit Wolfgang Grupp, Chef des mittelständischen Textilherstellers Trigema, über C&As Einstieg in die Textilproduktion und darüber, welche Vorteile der Standort Deutschland im Vergleich zu Billiglohnländern hat.

WirtschaftsWoche: Herr Grupp, Ihr Unternehmen Trigema produziert seine Textilien schon immer in Deutschland. Was halten Sie davon, dass nun mit C&A ein großer Konkurrent ihrem Beispiel folgt?
Wolfgang Grupp: Ich sehe dem gelassen entgegen. Ich bin ein Textilhersteller und C&A ist ein Einzelhändler. Das ist eine völlig andere Sparte. Kleidung zu verkaufen ist wesentlich einfacher, als sie zu produzieren. Es wundert mich, dass C&A jetzt plötzlich meint, Textilien produzieren zu können. So einfach ist das nämlich nicht. Sie müssen Stoff kaufen, zuschneiden, nähen und so weiter. Das ist viel Aufwand und große Investitionen sind nötig. Ein Auto zu produzieren ist auch tausendmal schwieriger, als das Auto zu verkaufen.

C&A will in Deutschland eine nachhaltige Jeans produzieren und die Produktion teilweise automatisieren. Kann das gelingen?
Jeans werden aus einem wesentlich festeren Stoff hergestellt als beispielsweise T-Shirts. Da ist eine Automatisierung sicher leichter möglich als bei Strickwaren, die wir herstellen. Die nachhaltige Produktion ist machbar. Dass C&A in Deutschland produzieren will, ist sicher interessant. Ob sie es erfolgreich machen können, wird sich zeigen.

Welche Vorteile hat der Standort Deutschland bei der Textilproduktion gegenüber Asien?
Deutschland hat viele Vorteile. Man ist viel flexibler, wenn man in Deutschland produziert. Wir können innerhalb von 24 Stunden Kleidungsstücke in einer neuen Farbe produzieren. Ich kann den Kunden ihre Produkte innerhalb von zwei bis vier Wochen liefern. Wenn ich im Ausland produziere, brauche ich Monate, bis ich alles arrangiert habe. Wenn nun plötzlich ein neuer Bedarf entsteht wie bei Pandemiebeginn im März 2020 mit den Masken, können Sie schnell reagieren, wenn Sie die Produktion vor Ort haben. Wir haben beispielsweise innerhalb von zehn Tagen die ersten Masken geliefert. Das kann ich mit einer ausländischen Produktion nicht. Deshalb ist eine Herstellung vor Ort wichtig, damit man sich schnell den Bedürfnissen des Marktes anpassen kann.

Die Produktion in Deutschland hat aber nicht nur Vorteile. Sie ist zum Beispiel deutlich teurer als im Ausland.
Dafür hat man alles unter Kontrolle und kann alles bestimmen. Dann muss aber auch alles von Anfang bis Ende hier produziert werden. Den Stoff weiter von anderen einkaufen und dann woanders nähen lassen, macht keinen Unterschied zu einer Produktion im Ausland. Wenn Sie den Stoff zudem woanders machen lassen, wissen Sie nicht genau, was damit passiert. Durch das Lieferkettengesetz sind sie verpflichtet, alles zu überwachen. Das ist bei einer ausgelagerten Produktion sehr mühselig. Deutschland hat also viele Vorteile, wir müssen sie nur nutzen. In der Vergangenheit haben viele Unternehmen die Produktion ausgelagert und damit die Vorteile abgegeben.

Welche Hürden gibt es, wenn Unternehmen die Produktion wieder nach Deutschland zurückverlegen?
Produktion nach Deutschland zu verlegen, das kann man immer machen. Wir müssen dafür in Deutschland aber qualifizierte Produktionsarbeitsplätze haben. Also keine Billigware produzieren, sondern innovative Produkte. Keine Billig-Jeans, sondern eine innovative Jeans. Wir können nicht die anderen für uns die Arbeit machen lassen, sondern müssen selbst hochqualifizierte Arbeitsplätze schaffen.

Gibt es in Deutschland noch genügend Fachkräfte für diese Arbeitsplätze in der Textilproduktion?
Das Problem ist, dass in Deutschland viele Abitur machen und studieren. Wenn die Tochter einer Näherin Abitur macht, geht sie mir nicht mehr an die Nähmaschine. Auch wir bekommen nur schwierig Näherinnen und Näher. Deshalb werden Stellen in Deutschland auch mit ausländischen Fachkräften besetzt.

Immobilien Hat die Einzimmerwohnung ausgedient?

Die Chancen für Kapitalanleger sind so groß wie nie, sagt Immobilienexperte Florian Bauer. Und erklärt, warum eine Dreizimmerwohnung in Hannover vielversprechender ist als eine Einzimmerwohnung in München.

Bitcoin „80.000 Dollar im Blick“: Wie geht es für den Bitcoin-Kurs nach dem Rekordhoch weiter?

Die Rally geht weiter. Am Montag hat Bitcoin erneut sein bisheriges Allzeithoch gerissen und notierte auf bisher unbekannten Höhen. Wie es weiter geht – und ob Anleger noch in Kryptowährungen investieren sollten.

Hörmann So trickreich umschifft der Garagenkonzern die Russland-Sanktionen

Die Familie Hörmann ist Europas Marktführer bei Garagentoren. Nach Kriegsbeginn hat sie ihr Geschäft in Russland und Belarus ausgeweitet. Jetzt ermittelt der Staatsanwalt.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Erwarten Sie, dass angesichts der Corona-Pandemie und fragiler Lieferketten mehr Mitbewerber Teile ihre Produktion wieder nach Deutschland verlagern?
Das wird sicherlich mehr diskutiert und ausprobiert werden. Ob es gelingt, ist eine andere Frage. Wenn sie einmal eine Produktion ausgelagert haben, ist es nicht einfach alles zurückzuholen. Die Fachkräfte warten nicht, bis man wieder zurückkommt, sondern suchen sich neue Jobs. Auch Ausbildungsplätze fallen weg. Alles, was mal ausgelagert ist, braucht lange, bis es wieder zurückkommt.

Haben Sie jemals daran gedacht, die Produktion ins Ausland zu verlagern?
Ich habe noch nie daran gedacht, auch nur einen Schritt ins Ausland zu machen. Ich produziere jetzt 52 Jahre in Deutschland und habe keinen Grund, ins Ausland zu gehen. Wer ins Ausland geht, ist entweder zu teuer, hat die falschen Kunden oder verkauft nur billig. In einem Hochlohnland darf ich keine Massenartikel produzieren, sondern nur innovative Produkte. Bei einem Auftrag für 50.000 Polohemden sage ich klipp und klar, das ist kein Auftrag für uns. Ich kann den Preis nicht machen, den der Kunde erwartet.

Lesen Sie auch, warum C&A die Textilproduktion nach Deutschland holt

Dieser Artikel wurde erstmals am 31.01.2022 veröffentlicht.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%