Knüpfkunst Bodenreform für alte Perserteppiche

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Ein historisches Zitat oder ein Stück Modernität

So wollen die Deutschen wohnen
Grün macht glücklich: Laut einer Studie britischer Forscher von der University of Exeter sind Menschen, die einen eigenen Garten haben oder zumindest in einem Stadtteil mit vielen Grünflächen leben, zufriedener als Mieter aus Betonwüsten. Dafür haben die Forscher 600 Menschen befragen, die von einem weniger grünen Stadtteil in ein grüneres Viertel zogen, sowie 470 Menschen, die von einem grünen in einen zugebauten Stadtteil gezogen sind. Das Resultat: Wer in eine Gegend mit vielen Parks gezogen ist, war zufriedener, wer in die Betonwüste zog, wurde dagegen unzufriedener. Was den Deutschen innerhalb der eigenen vier Wände wichtig ist, zeigen die folgenden Bilder. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Licht und Luft: Das Immobilienportal Immonet hat seine Nutzer gefragt, was in ihrer neuen Wohnung unbedingt vorhanden sein soll. 2911 Wohnungssuchende haben darüber abgestimmt. Quelle: dpa
Schimmel, schwarze Fugen und klamme Handtücher im Bad - davon können offensichtlich viele Mieter ein Lied singen. Feucht-warmes Klima ist nicht nur ein idealer Nährboden für Schimmelpilze, auch Schädlinge wie Silberfische fühlen sich in dieser Umgebung wohl. 46 Prozent der Immonet-Nutzer wünschen sich in ihrer neuen Wohnung daher ein Bad mit Fenster. Nur so kann die Nasszelle optimal belüftet werden. Quelle: AP
Selbst zu kochen ist zwar etwas aufwendiger, dafür aber wesentlich günstiger, als jeden Tag den Pizza-Service anzurufen. Auf eine Einbauküche legen daher 40 Prozent der Befragten wert. Für Mieter, die nicht allzu lange in der Wohnung bleiben möchten, ist die Neuanschaffung aufwendig und teuer. Und bei einem Umzug lässt sich die Küche nicht nur schlecht transportieren, sie passt auch meist nicht in die neue Wohnung. Quelle: dpa
Wie der Boden aussieht, spielt für viele Wohnungssuchende eher eine untergeordnete Rolle. Nur acht Prozent der Befragten gaben an, dass in ihrer Wohnung unbedingt Parkett-Boden verlegt sein muss. Die übrigen Nutzer legen darauf wenig Wert und finden sich mit Fliesen, Laminat oder Teppich ab. Denn Parkett-Boden sieht zwar schön aus, aber der edle Holzboden ist auch empfindlich. Scharfe Reinigungsmittel, Stilettos oder die Krallen von Hundepfoten verträgt er nicht. Quelle: Presse
Viel Platz über ihrem Kopf wünschen sich sechs Prozent der Befragten. Für sie sind hohe Decken das wichtigste Kriterium. Diese sind zwar schick und Altbauwohnungen liegen voll im Trend, aber hohe Räume sind auch Energiefresser. Sie im Winter warm zu halten, kann richtig ins Geld gehen. Quelle: AP
Fazit: Die Immonet-Nutzer legen vor allem auf praktische Dinge Wert, wie das Fenster im Bad. Exklusive Ausstattung wie Parkett-Boden oder hohe Decken sind hingegen weniger gefragt. Das könnte mit den stetig steigenden Mieten zusammenhängen: Je höher die Preise desto geringer werden die Ansprüche. Quelle: Presse

Neben avancierten Designkollektionen lässt Kath immer wieder „museumsreife“ Stücke anfertigen, von stilsicheren Knüpfern und Färbmeistern altmeisterlich kopiert nach traditionellen Vorlagen, veredelt mit einem „antiken Finishing-Verfahren“: Durch wechselnde Behandlung mit Feuer und Wasser wird der Flor heruntergebrannt und erhält so die Patina eines 100-jährigen Sammlerstücks. Inzwischen lässt Kath auch in Ostanatolien produzieren, wo einzelne Dörfer ihre Muster und Farben wie Erkennungszeichen pflegen. Nur den Iran, das Mutterland des Perserteppichs, meidet er: Die traditionsstolzen Iraner würden sich „an den Kopf fassen“, wenn sie seine Entwürfe sähen.

Kaths Hamburger Kollege Hossein Rezvani, Jahrgang 1976, der aus einer persischen Teppichhändlerfamilie stammt und fließend Farsi spricht, hat vor wenigen Jahren den Brückenschlag gewagt, alte Geschäftskontakte des Vaters aufgefrischt. Er schickte seine Entwürfe nach Isfahan, wo Teppiche, zum Teil auf Seidenketten, mit einer Knotenfeinheit von bis zu einer Million Knoten pro Quadratmeter geknüpft werden, in Familienbetrieben, nur von Frauen, im Hof oder im Garten. Das irritierende Resultat: Statt roter Muster lieferten die persischen Knüpferinnen blaue, „weil sie die schöner fanden“.

Strategie des Weglassens

Der Perser, sagt Rezvani, sei „schwer erziehbar“. Inzwischen funktioniert die Zusammenarbeit. Sogar die Dekors werden eingehalten: Rezvani reduziert bei seiner Kollektion „Persia reinvented“ die Muster auf ihre Grundstruktur. Arabesken, Eckornamente und Medaillons sind nur noch in Umrissen zu erkennen. Beim Täbris-Muster, das aus der gleichnamigen Stadt im Nordwesten des Iran stammt, hat er bis zu 90 Prozent des Mittelornaments weggenommen. Das Auge soll automatisch die fehlenden Teile ergänzen. „Die Kunden erkennen die Herkunft des Produkts im Design“, sagt Rezvani, und haben das beruhigende Gefühl: Hier wird eine alte, vertraute Geschichte fortgesponnen.

Diese Strategie des Weglassens und Wegbrechens der Muster hat im Teppichdesign Schule gemacht. „Kunden, die modern eingerichtet sind, holen sich damit ein historisches Zitat, und Kunden, die historisch eingerichtet sind, holen sich damit ein Stück Modernität“, sagt Jürgen Dahlmanns, neben Kath der einflussreichste deutsche Teppichdesigner. Natürlich hat auch seine Marke Rug Star Teppiche im Programm, denen die Auflösung der Muster einkomponiert ist, wie bei einem halb verblichenen Bild – die Oberflächenveredlung durch Waschen und Schrubben bringt sie zum Leuchten, verleiht ihnen den luxury-shabby-look.

Dahlmanns, der am Niederrhein aufgewachsen ist und in Berlin Architektur studierte, hat schon als junger Mann Teppiche gesammelt, vor allem klassische Tibeter, die in den Achtzigerjahren mit ihren einfachen, archaisch wirkenden Farbmustern den Perser aus den deutschen Wohnzimmern verdrängten. Gerade bei modernen, fließenden Wohnungsgrundrissen, die dazu tendieren, die Raumordnung aufzulösen, erfüllt der Teppich, wie Dahlmanns findet, eine wichtige Funktion: „Er schafft Raum im Raum, zoniert die Wohnung, differenziert zwischen Wegen und Aufenthaltsflächen – und erzeugt Intimität.“

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