Neben avancierten Designkollektionen lässt Kath immer wieder „museumsreife“ Stücke anfertigen, von stilsicheren Knüpfern und Färbmeistern altmeisterlich kopiert nach traditionellen Vorlagen, veredelt mit einem „antiken Finishing-Verfahren“: Durch wechselnde Behandlung mit Feuer und Wasser wird der Flor heruntergebrannt und erhält so die Patina eines 100-jährigen Sammlerstücks. Inzwischen lässt Kath auch in Ostanatolien produzieren, wo einzelne Dörfer ihre Muster und Farben wie Erkennungszeichen pflegen. Nur den Iran, das Mutterland des Perserteppichs, meidet er: Die traditionsstolzen Iraner würden sich „an den Kopf fassen“, wenn sie seine Entwürfe sähen.
Kaths Hamburger Kollege Hossein Rezvani, Jahrgang 1976, der aus einer persischen Teppichhändlerfamilie stammt und fließend Farsi spricht, hat vor wenigen Jahren den Brückenschlag gewagt, alte Geschäftskontakte des Vaters aufgefrischt. Er schickte seine Entwürfe nach Isfahan, wo Teppiche, zum Teil auf Seidenketten, mit einer Knotenfeinheit von bis zu einer Million Knoten pro Quadratmeter geknüpft werden, in Familienbetrieben, nur von Frauen, im Hof oder im Garten. Das irritierende Resultat: Statt roter Muster lieferten die persischen Knüpferinnen blaue, „weil sie die schöner fanden“.
Strategie des Weglassens
Der Perser, sagt Rezvani, sei „schwer erziehbar“. Inzwischen funktioniert die Zusammenarbeit. Sogar die Dekors werden eingehalten: Rezvani reduziert bei seiner Kollektion „Persia reinvented“ die Muster auf ihre Grundstruktur. Arabesken, Eckornamente und Medaillons sind nur noch in Umrissen zu erkennen. Beim Täbris-Muster, das aus der gleichnamigen Stadt im Nordwesten des Iran stammt, hat er bis zu 90 Prozent des Mittelornaments weggenommen. Das Auge soll automatisch die fehlenden Teile ergänzen. „Die Kunden erkennen die Herkunft des Produkts im Design“, sagt Rezvani, und haben das beruhigende Gefühl: Hier wird eine alte, vertraute Geschichte fortgesponnen.
Diese Strategie des Weglassens und Wegbrechens der Muster hat im Teppichdesign Schule gemacht. „Kunden, die modern eingerichtet sind, holen sich damit ein historisches Zitat, und Kunden, die historisch eingerichtet sind, holen sich damit ein Stück Modernität“, sagt Jürgen Dahlmanns, neben Kath der einflussreichste deutsche Teppichdesigner. Natürlich hat auch seine Marke Rug Star Teppiche im Programm, denen die Auflösung der Muster einkomponiert ist, wie bei einem halb verblichenen Bild – die Oberflächenveredlung durch Waschen und Schrubben bringt sie zum Leuchten, verleiht ihnen den luxury-shabby-look.
Dahlmanns, der am Niederrhein aufgewachsen ist und in Berlin Architektur studierte, hat schon als junger Mann Teppiche gesammelt, vor allem klassische Tibeter, die in den Achtzigerjahren mit ihren einfachen, archaisch wirkenden Farbmustern den Perser aus den deutschen Wohnzimmern verdrängten. Gerade bei modernen, fließenden Wohnungsgrundrissen, die dazu tendieren, die Raumordnung aufzulösen, erfüllt der Teppich, wie Dahlmanns findet, eine wichtige Funktion: „Er schafft Raum im Raum, zoniert die Wohnung, differenziert zwischen Wegen und Aufenthaltsflächen – und erzeugt Intimität.“