Kompletter Insolvenzplan liegt vor So will sich Galeria Karstadt Kaufhof aus der Krise retten

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Mehr Premiummode für die Weltstadthäuser

Nach welchen Kriterien wurden die Schließungsfilialen ausgewählt?
Grundsätzlich wurden Schließungen laut Insolvenzplan immer dann in Erwägung gezogen, wenn eine Filiale nicht mindestens fünf Prozent Ebitda-Marge erreicht hat. Problematisch waren zudem Standorte, bei denen sich Kennziffern etwa hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung oder Kaufkraft verschlechtert haben. Auch Sonderfaktoren wie Doppelstandorte, an denen Kaufhof und Karstadt bislang direkt miteinander konkurrieren, spielten bei der Entscheidung laut Insolvenzplan eine Rolle.

Was wird sich in den verbleibenden Filialen ändern?
In die gut 120 Filialen soll in den kommenden Jahren wieder mehr investiert werden. „Ziel ist die Schaffung formatspezifischer Warenwelten“, heißt es dazu vage im Insolvenzplan. Die Auslagen der wichtigen Weltstadthäuser und „regionalen Magneten“ sollen künftig mit mehr Premiummarken aus dem Fashionbereich und neuen Gastronomiekonzepten glänzen, zudem ist dort eine neue Möblierung, samt frischer Boden-, Licht- und Deckengestaltung geplant.

Wo soll das Geld dafür herkommen?
Das „Galeria 2.0“ getaufte Sanierungskonzept sieht einen Ergebniseffekt von bis zu 467 Millionen Euro bis zum Geschäftsjahr 2022/23 auf Ebitda-Level vor. „Durch die verbesserte wirtschaftliche Situation werden zukünftig Investitionen aus eigener Kraft ermöglicht, so das über fünf Jahre circa 650 Millionen Euro in die Neuausrichtung investiert werden können.“ Von diesem Betrag sollen „mehr als Dreiviertel in die Modernisierung der im Standortportfolio verbleibenden Filialen“ fließen. Der Rest werde in die technologische und digitale Infrastruktur investiert.

von Henryk Hielscher, Harald Schumacher

Was soll sich im Online-Geschäft tun?
Laut Insolvenzplan hat das fusionierte Unternehmen im Geschäftsjahr 2018/19 mit den Warenhäusern einen Gesamtumsatz von rund vier Milliarden Euro erzielt. Nur 184 Millionen Euro davon, also nur 4,3 Prozent, entfielen auf das Online-Geschäft, das daher auch „die negativen wirtschaftlichen Effekte nicht kompensieren“ konnte. In Zukunft soll der Online-Anteil „erheblich weiter ausgebaut werden“. Das Leitbild eines „vernetzten Marktplatzes der Zukunft“ wird entworfen, zunächst soll aber die „aktuell bestehende Lücke zum Marktstand“ geschlossen werden. Schon dabei gibt es von Suchmaschinen-Marketing bis zur Nutzerfreundlichkeit und Preisgestaltung genug zu tun.

Welche Zahlungen können die Gläubiger erwarten?
Stimmen sie dem Insolvenzplan zu, wonach es vor der Gläubigerversammlung aussieht, erhalten all jene Gläubiger ohne spezielle Sicherheiten 100 Millionen Euro zurück. Das entspricht einer Quote von 4,55 Prozent der mutmaßlichen Forderungen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro. Die erste Zahlung soll spätestens fünf Monate nach der für Ende September geplanten Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgen. Eine zweite Zahlung ist dann bis Ende 2021 fällig.

Können die Gläubiger mit einem Nachschlag rechnen?
Zumindest versucht das Unternehmen in Abstimmung mit Sachwalter Kebekus „für sämtliche Niederlassungen für die Zeit der vollständigen und teilweisen Schließung Entschädigungsansprüche gegenüber der öffentlichen Hand“ durchzusetzen. Ob es gelingt, für die Zeit der behördlich angeordneten Corona-Schließungen Geld vom Staat einzufordern, ist allerdings fraglich. Sollten entsprechende Klagen irgendwann Erfolg haben, würden 30 Prozent des Betrags an Karstadt-Kaufhof fließen und 70 Prozent an die Gläubiger via Besserungsschein verteilt werden.

Gibt es Alternativen zum Insolvenzplan?
Aus Sicht der Geschäftsführung und der Sanierungsexperten Arndt Geiwitz und Patrick Wahren sowie des Sachwalters Kebekus ist der Plan die einzige Möglichkeit, um das Unternehmen zu erhalten und zumindest einen überschaubaren Teil der Gläubigeransprüche zu begleichen. Stimmen die Gläubiger gegen den Plan, „ist davon auszugehen, dass der Geschäftsbetrieb unmittelbar einzustellen ist“.

In diesem Szenario wird „keine verteilungsfähige Masse erwartet“. Im Klartext: lehnen die Gläubiger den Plan ab, gehen sie leer aus. Auch ein Verkauf sei keine Option. „Bis heute hat sich kein potenzieller Investor bei der Schuldnerin oder dem Sachwalter bezüglich einer möglichen Übernahme des Unternehmens oder Teilen davon gemeldet“, heißt es im Insolvenzplan. Ein M&A-Berater sei zu der Einschätzung gekommen, dass ein Verkaufsprozess nicht durchführbar sei, oder aber keine ausreichenden Erlöse einspielen würde. „Allenfalls sei mit einem moderaten Interesse von ausgewählten Distressed-Finanzinvestoren zu rechnen.“ Bei einem Verkauf könnten zudem Vermieter wie Signa einen Deal indirekt blockieren.

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