Eigentlich sollten es nur Milch, Eier, Schinken, Marmelade und ein paar Flaschen Wasser sein. Doch am Ende des Supermarktbesuchs ist der Einkaufswagen gut gefüllt. Entsprechend hoch fällt auch der Betrag aus, den die Kassiererin am Ende der Warteschlange verlangt. „Das macht dann 42 Euro und 63 Cent.“.
Auf dem Kassenbon finden sich neben dem, was es für einen herzhaften Pfannkuchen braucht, Obst, Kekse, Multivitaminsaft, ein Sechserpack Bier, Aufbackbaguettes und -brötchen, Aufstrich von der Wursttheke, abgepackter Käse, eine Tafel Schokolade, Chips und Zigaretten.
Dass die meisten Supermarktbesucher am Ende mehr in ihrem Einkaufsbeutel haben als geplant, ist kein Zufall. „Es gibt eine ganze Reihe von Mechanismen, die die Kaufbereitschaft von Kunden erhöhen“, sagt Hans-Georg Häusel, Experte für Neuromarketing und Autor des Buchs „Kauf mich!“. Mit kleinen Kniffen werden die Kunden zum Kaufen verführt.
Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands
Bartells-Langness
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,09 Milliarden Euro (Schätzung)
Globus
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,23 Milliarden Euro
Rossmann
Umsatz mit Lebensmitteln in Deutschland: 5,18 Milliarden Euro
dm
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 6,33 Milliarden Euro
Lekkerland
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 8,98 Milliarden Euro
Metro (Real, Cash & Carry)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 10,27 Milliarden Euro (Schätzung)
Aldi (Nord und Süd)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 22,79 Milliarden Euro (Schätzung)
Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,05 Milliarden Euro (Schätzung)
Rewe-Gruppe
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,57 Milliarden Euro (Schätzung)
Edeka (inkl. Netto)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 48,27 Milliarden Euro
Quelle: TradeDimensions / Statista
Das ist schon im Eingangsbereich zu spüren. Ob im Edeka oder im Rewe – überall liegt die Temperatur bei circa 19 Grad. „Die Temperatur ist für den Kunden angenehm und er schwitzt nicht“, sagt Häusel. „Schwitzen ist mit körperlichem Stress verbunden und wer Stress empfindet, kauft weniger ein.“
Um Stress zu vermeiden, folgt auch der Aufbau von Supermärkten einem immer gleichen Muster: Der erste Blick fällt stets auf die Obst- und Gemüseauslage, auf frische Tomaten, saftiggrüne Limetten, wohlgeformte Kürbisse, ein Meer aus Farben. „Sehen wir frisches Obst, sondert unser Hirn das Freudehormon Dopamin aus, das auch zum Kaufen anregt“, erklärt Häusel.
Allerdings kann die Obst- und Gemüseauslage auch nach hinten losgehen. Findet sich etwa in einer schlechtgeführten Discounter-Filiale angeditschtes Obst, um das Fruchtfliegen kreisen, reagiert das Ekelmodul im Hirn. Der Käufer will so schnell wie möglich wieder raus aus dem Markt.
Wer vom Boom bei den Öko-Lebensmitteln profitiert
Umsatz 2013: 7,55 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 7,91 Milliarden Euro
Quelle: Arbeitskreis Biomarkt
Lebensmittelhandel einschließlich Drogeriemärkte
Anteil am Gesamtmarkt: 53 Prozent
Umsatz 2013: 4,06 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 4,21 Milliarden Euro
Naturkostfachgeschäfte
Anteil am Gesamtmarkt: 33 Prozent
Umsatz 2013: 2,40 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 2,62 Milliarden Euro
Sonstige
Bäckereien, Metzgereien, Obst/Gemüse-Fachgeschäfte, Wochenmärkte, Ab-Hof
Anteil am Gesamtmarkt: 14 Prozent
Umsatz 2013: 1,10 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 1,09 Milliarden Euro
Und Tempo ist schlecht für Supermarktinhaber. Je länger der Kunde im Supermarkt ist, desto mehr Produkte sieht er, was wiederum zu einer höheren Kaufwahrscheinlichkeit führt. Aus demselben Grund läuft im Supermarkt auch langsame Hintergrundmusik – sie beruhigt und entschleunigt.
Nachdem Kiwis, Äpfel und Limetten im Einkaufswagen gelandet sind, geht es vorbei an den süßen Brotaufstrichen. Marmelade ist neben der Nussnougatcreme und dem Honig platziert und in unmittelbarer Nähe dazu steht der Kaffee – das ist unserer Denkstruktur geschuldet.
Warum die Frischetheke immer hinten ist
„Genauso wie wir Waren im Alltag verwenden, wollen wir sie auch im Supermarktregal finden“, sagt Häusel. Wer Marmelade kauft, dem könnte einfallen, dass beim morgendlichen Frühstück nicht mehr viel Kaffeepulver da war, also ab in den Einkaufswagen damit. In der Psychologie heißen solche Muster „Mental Maps“, zu Deutsch: kognitive Karte. Es gibt sie etwa für das Frühstück, das Mittagessen, das Abendessen, für Drogeriebedarf.
Das trägt dazu bei, uns den Einkauf so einfach wie möglich zu machen – und Stress zu verhindern. Aus demselben Grund sind Supermärkte überall nahezu ähnlich aufgebaut. Egal, ob Kunden in Düsseldorf oder in Berlin einen Rewe aufsuchen, sie sollen sich sogleich orientieren können. „Das soll dem Kunden das Nachdenken ersparen“, sagt Häusler. Denn Nachdenken befördert ebenfalls Stress. „In dem Moment, in dem etwas kompliziert wird, wird das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet und die Kaufbereitschaft geht in den Keller.“
Der Weg zur Milch führt an das hinterste Ende des Supermarkts, vorbei am Getränkeregal, den Aufbackwaren, Nudeln, Süßigkeiten. Auch das ist Kalkül: Die Produkte in der Kühltheke – Milch, Käse, Joghurt – sind viel gefragt, viele Kunden gehen speziell ihretwegen zum Supermarkt. Würde der Kunde sie gleich vorne finden, wäre er schnell wieder weg. So landen Saft, Bier, Aufbackbrötchen und Schokolade im Einkaufswagen, Impulskäufe. Und Milch.
Ebenfalls hinten finden sich die Frischetheken, wo Käse und Wurstwaren fein drapiert und ausgeleuchtet sind. Sie sind – vor allem im Supermarkt – wahre Kundenmagneten. Auch das regt zu weiten Wegen an und weiteren Impulskäufen. Zumindest ist der Schinken eingepackt.
Auf dem Weg zur Kasse passieren Kunden die Kühltruhen. Kunden schlagen hier am liebsten kurz vor Ende ihres Einkaufs zu – so bleibt die Ware möglichst lange gekühlt.
An der Kasse angekommen finden sich Zigaretten und Naschkrempel. „Am Ende des Einkaufs soll eine kleine Belohnung stehen – für die Kinder Süßigkeiten, für die Erwachsenen Zigaretten.“
Was sich zudem in den letzten Jahren geändert hat: Die Kassenbänder sind immer kürzer geworden, um so die Wartezeit zu verkürzen. „Der letzte Eindruck hat großen Einfluss darauf, wie der gesamte Einkauf wahrgenommen wird“, sagt Häusel. Wenn da in Erinnerung bleibt, dass es an der Kasse ewig dauerte, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde wiederkommt.
Der Kunde ist all diesen Mitteln allerdings nicht schonungslos ausgeliefert. Häusel rät: „Gehen Sie niemals hungrig in den Supermarkt und schreiben Sie vorher einen Einkaufszettel, dann sind die größten Verführungen schon einmal ausgesperrt.“