Kontrollwahn Aldi soll Mitarbeiter gängeln

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Gepriesen sei, was billig macht

Aldi setzt nicht nur festinstallierte Kameras ein, um seine Mitarbeiter und Kunden zu überwachen, sondern auch mobile Minikameras. Konkurrent Lidl musste sich 2008 wegen Bespitzelung seiner Mitarbeiter mit versteckten Kameras vor Gericht behaupten. Quelle: dpa

Eine Kassiererin berichtet, man habe sie unter vorgeschobenen Gründen dazu gedrängt, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Sie vermutet, dass sie für das Unternehmen wohl zu teuer und zu unflexibel geworden sei, etwa weil sie als dreifache Mutter Anspruch auf Urlaub im Krankheitsfall ihrer Kinder hatte. Mit einem erfundenen Pfändungsbescheid, so die ehemalige Aldi-Mitarbeiterin, habe man sie massiv unter Druck gesetzt, stundenlang angebrüllt, bis sie schließlich ein Papier unterschrieb, von dem sie erst später erkannte, dass es ein Aufhebungsvertrag war.

Konstruierte Kündigungsgründe sollen kein Einzelfall sein. Auch ein Filialleiter in der Regionalgesellschaft Altenstadt berichtet davon. Ihm soll Ware in den Spind geschmuggelt worden sein, um ihn anschließend wegen Diebstahls kündigen zu können. Aldi Süd schweigt dazu. Steckt hinter solchen Aktionen Methode?

Aufhebungsvertrag als Mittel der Wahl

Der Verdacht liegt nahe. Führungskräfte werden bei Aldi gezielt zum Thema Kündigung geschult. Aus den Schulungsunterlagen zitiert der Spiegel: "Der Aufhebungsvertrag ist vorzuziehen, weil er nur unter strengen Voraussetzungen angefochten werden darf. Abmahnungen sind an der Tagesordnung. Regionalverkaufsleiter wie Buchautor Straub tragen die Vordrucke dazu ständig bei sich - "Abreißblock" würde er im Aldi-Jargon genannt, schreibt Straub, nur noch Name und Datum des Aufsässigen sind einzutragen, fertig ist die Abmahnung. Und die könne auch wegen Nichtigkeiten ausgesprochen werden, schreibt Ex-Manager Straub. Etwa, wegen leicht verkalkter Wasserhähne in Umkleidekabinen oder weil ein Mitarbeiter wiederholt beim Verlassen des Raumes vergessen hat, das Licht zu löschen. Kosten sparen lautet das oberste Gebot. "Es ist genau dieser Kampf um Stellen hinter dem Komma, der Aldi zu einem rücksichtslosen Arbeitgebern werden lässt", zitiert der Spiegel den Buchautoren.

Der Discounter macht sein Geschäft zu Lasten der Angestellten. Keine schriftlichen Belege für Arbeitszeiten, die rechtlich Probleme machen könnten, Teilzeitkräfte, die Vollzeit arbeiten, Praktikanten die Auszubildende ersetzen - die Liste ließe sich beliebig fortsetzten. Alles unter den Devise: Gepriesen sei, was billig macht.

Ins Dekolletee gezoomt

Vor diesem Hintergrund schockiert die Meldung, dass Aldi-Mitarbeiter in Hessen die Videoanlagen dazu missbraucht haben, Kundinnen ins Dekolletee zu zoomen und derartige Filmchen auch noch auf CDs gebrannt und an Kollegen weitergereicht haben, kaum noch. Diesen Vorwürfen geht Aldi natürlich sofort nach. Heimlich voyeuristische Aufnahmen von Kundinnen in kurzen Röcken zu machen, werde von Aldi keinesfalls geduldet und ziehe entsprechende disziplinarische sowie gegebenenfalls strafrechtliche Maßnahmen nach sich, informierte eine Sprecherin von Aldi Süd. Etwas anderes war auch nicht zu erwarten.

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