Korruptionsvorwürfe Die dubiosen Tricks bei Media Markt

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Die eingeschränkte Wahl des Kunden

Das Sortiment von bis zu 100.000 Artikeln pro Filiale von Flachbildfernsehern über Waschmaschinen bis zu Druckerpapier lockt Kundschaft an. Geworben wird mit dem Kultslogan

Tatsächlich konzentrierten sich die Wettbewerbsbehörden stets auf die Industrie – zumindest bis heute.

Neongrün strahlt die Werbung, die Farbe markiert das Revier von mobilcom-debitel. Das Unternehmen verkauft Handyverträge von Telekom, Vodafone und E-Plus. Mitarbeiter tänzeln um zwei Stehpulte, auf denen Flyer für die „Top-Aktion“ werben: Das Smartphone Samsung Galaxy für „1 Euro“ – in Verbindung mit einem Vertrag im Telekom-Netz.

Die in den Märkten zur Schau gestellte Handyvielfalt täuscht darüber hinweg, dass der Kunde nicht wirklich die Wahl hat. Als Mobilfunkanbieter ohne eigenes Netz entscheidet die in Hamburg ansässige Freenet AG darüber, welche Tarife von mobilcom-debitel im Media Markt zum symbolischen Euro im Paket mit einem Handy angeboten werden. Die drei Mobilfunker Telekom, Vodafone und E-Plus verkaufen nur über Freenet in Media-Saturn-Märkten. Dieses Exklusivrecht hatte bereits Freenet-Vorgänger Debitel vor dem Start der ersten Mobilfunknetze Anfang der Neunzigerjahre mit MediaMarkt und Saturn ausgehandelt.

Totale Abhängigkeit

Wie überlebenswichtig MSH für Debitel und später Freenet war, zeigte sich im Juni 2006, als plötzlich der Verlust dieses exklusiven Vertriebskanals drohte. Ingolstadt hatte den Vertrag zum Ende des Jahres gekündigt, um mit Telekom & Co. direkt ins Geschäft zu kommen.

Für den Debitel-Eigner Permira, einen Londoner Finanzinvestor, wäre die Vertragskündigung ein Desaster gewesen – und der Plan, Debitel mit einer Wachstumsstory für einen Börsengang oder einen Verkauf hübsch zu machen, Makulatur. Mehr als ein Drittel, in manchen Jahren sogar 40 Prozent des Debitel-Umsatzes stammte aus den Verkäufen im Media Markt und bei Saturn. „Ohne den Vertrag wäre Debitel höchstens noch die Hälfte wert gewesen“, sagt ein Debitel-Manager. „Das konnte Permira nicht zulassen.“

Der Super-Bonus

Die MSH-Verhandlungsführer erkannten Permiras Notlage und rangen Debitel eine ungewöhnliche und nach Ansicht von Kartellrechtlern bedenkliche Erfolgsbeteiligung ab. Beim Showdown für eine Vertragsverlängerung um weitere drei Jahre boten Debitel/Permira zuerst eine höhere jährliche Fix-Zahlung in dreistelliger Millionenhöhe an. Doch das reichte nicht. Erst nachdem eine verdeckte Erfolgsbeteiligung vereinbart wurde, die beide Seiten als geheime Zusatzklausel in das Vertragswerk aufnahmen und die einen weiteren Bonus in Millionenhöhe bei einem späteren Verkauf von Debitel in Aussicht stellte, wurde die Zusammenarbeit fortgesetzt.

In der Geheimklausel sicherte Permira MSH zu, dass sie mit einem zweistelligen Prozentsatz an der bis zum Verkaufstag von Debitel erzielten Steigerung des operativen Gewinns und damit an der Wertsteigerung teilhat – ein Super-Bonus. Über diese Konstruktion bekam MSH quasi den Status eines stillen Gesellschafters und hatte nun ein starkes Interesse, den operativen Gewinn und den Unternehmenswert von Debitel durch hohe Verkäufe von Smartphones und Mobilfunkverträgen zu steigern.

Interne Statistiken zeigen, wie sich die Sondervereinbarung auf die Absätze auswirkte. Während die Verkäufe beim direkten Konkurrenten O2, der als einziger Mobilfunker mit eigenen Verkaufsständen bei Media Markt und Saturn vertreten ist, langsam zurückgingen, legte Debitel stetig zu. Besonders weit lagen die Verkaufszahlen im vierten Quartal 2007 auseinander. Während Debitel „voll auf die Tube drückte“, wie Insider formulieren, brach O2 ein.

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