Kreuzfahrtschiffe Viel Rauch fürs Vergnügen

Kreuzfahrtschiffe bleiben ein Hauptfeind der Umweltschützer. Doch eigentlich zielen Organisationen wie der Naturschutzbund NABU auf einen Gegner, der viel schwerer zu stellen ist: die Containerschifffahrt.

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Nicht nur für Hafenstädte wie Hamburg sind die Diesel-Emissionen der Kreuzfahrtschiffe eine Belastung – auch an Deck ist die Luft schlecht. Quelle: dpa

Hamburg Die Leuchtstoffröhren sind wieder angeschraubt: Seit einigen Tagen leuchtet der Hamburger Hafen nachts in kühlem Blau. Die Lichtkunst verweist auf ein riesiges Werbespektakel der Kreuzfahrt-Branche: Zu den „Cruise Days“ am Wochenende soll eine halbe Million Menschen die Riesenschiffe bestaunen, die seit einigen Jahren Hamburg regelmäßig anfahren.

Genauso regelmäßig werden die Schiffe zum Ziel der Angriffe des Naturschutzbunds Nabu. Die Umweltaktivisten haben ein vermeintlich objektives Mittel gefunden, um die Luftverschmutzung durch die Passagierschiffe anzuprangern: ein Ranking der Schiffe, bei denen diejenigen oben stehen, die Umweltschutzmaßnahmen ergreifen. Doch eigentlich geht es den Umweltschützern um mehr. Sie wollen, dass die gesamte Schifffahrt umweltfreundlicher wird. Als Einfalltor dient die Kreuzfahrt – sie ist bei Endkunden populär, hier kann der Nabu Druck ausüben.

Das Kalkül: Öffentliche Empörung soll die Kreuzfahrtbranche dazu bringen, Umwelttechnik einzusetzen und so den Beweis zu liefern, dass umweltfreundlichere Schiffe generell möglich sind – auch in der wesentlich volumenstärkeren Containerschifffahrt. Aus der Kreuzfahrtbranche stammen nämlich nur rund drei Prozent der Schifffahrt-Emissionen.

Dietmar Oelinger vom Nabu Bundesverband schreibt sich bei einer Pressekonferenz bereits erste Erfolge auf die Fahnen. Es sei kein Zufall, dass ausgerechnet die auf dem deutschen Markt tätigen Anbieter Tui, Hapag-Lloyd und Aida im Ranking vorne lägen. Schließlich machten die deutschen Umweltverbände besonders viel Druck.

Inzwischen fahren Nabu-Mitarbeiter dafür auch in andere europäische Kreuzfahrthäfen. So präsentierten sie eine eigene Messung aus Reykjavik in Island. Hier habe der Nabu für zehn Minuten in der Rauchfahne Partikel-Belastungen gemessen, die dem Zehnfachen einer vielbefahrenen Straße entsprächen, sagt Oelinger.

In Deutschland sind die Belastungen vor allem in Hamburg relevant. Fast 40 Prozent der Stickoxidemissionen kommen in der Hafenstadt aus den Schiffschornsteinen. Damit sind die Belastungen vor allem in Hafennähe deutlich wichtiger als die umstrittenen Diesel-Autos.

Für den Luftreinhalteplan der Stadt ist das ein Problem, das auch Maßnahmen im Hafen erfordert. Es komme zu Belastungen, die 20-mal höher lägen als an dichtbefahrenen Stuttgarter Straßen, warnt der Nabu.

Auch in Wohnungen seien hohe Werte gemessen worden. Und: Solche Belastungen fänden sich naturgemäß auch an Deck der Schiffe. Falls der Nabu mit der Botschaft durchdringt, droht den Kreuzfahrt-Anbietern Zurückhaltung der Touristen.


Kurzfristig bleibt alles beim Alten

Das Problem entsteht auch daraus, dass Schiffe dem Treibstoff Schweröl beimischen. So entsteht besonders giftiger Rauch. Auf hoher See verwirbeln die Abgase schnell, die meisten großen Seehäfen liegen außerhalb von Wohngebieten – aber eben nicht alle. Vor allem in Hamburg wird das zum Problem, da der Hafen fast hundert Kilometer elbaufwärts liegt.

Es sind einige technische Lösungen verfügbar: Als einfachste Maßnahme sieht eine EU-Regulierung vor, den Schwerölanteil schrittweise zu senken. Derzeit sind noch 3,5 Prozent erlaubt, demnächst nur noch ein halbes Prozent. Sogenannte „Srubber“ können zudem die Abgase entschwefeln.

Zudem lassen sich Katalysatoren einzubauen und Landstromanlagen machen es möglich, den Motor im Hafen auszuschalten und das Schiff an die allgemeine Stromversorgung anzuschließen. An einem der drei Hamburger Kreuzfahrtterminals existiert solche eine Anlage. „Wenn man nicht bereit ist, über das Hafengeld die Nutzung dieser Anlage durchzusetzen, macht man sich praktisch lächerlich“, wettert Oelinger.

Mittelfristige Lösung ist jedoch die Umstellung auf Flüssiggas (NLG) als Treibstoff. 15 LNG-Kreuzfahrtschiffe seinen bereits von der Kreuzfahrtbranche bei den Werften bestellt, zählt Oelinger.

Trotz der Messungen des Nabu beruht das Ranking der Naturschützer im Wesentlichen auf veröffentlichten Angaben der Schiffsbetreiber zur Ausrüstung. Daher gibt es effektiv nur vier Ränge. Vorn liegen Tui und Hapag-Loyd, die auf Schiffen Stickoxidkatalysatoren verwenden. Aida, das im vergangenen Jahr mit drei Schiffen das Ranking anführte, stuft der Nabu hingegen zurück. Die Umweltschützer werfen dem Betreiber vor, das groß angekündigte System zur Abgasnachbehandlung, das die Schadstoffe um bis zu 99 Prozent ausfiltern soll, im realen Betrieb nicht einzuschalten. Das hätten Messungen von Nabu und Fernsehsendern ergeben.

Aida-Manager Hansjörg Kunze weist die Kritik zurück. In den meisten Häfen sowie auf der Elbe sei der Einsatz der Reinigungsanlagen schlichtweg nicht erlaubt, da die Anlagen verschmutztes Wasser ausscheiden. Auf offener See würden die Reinigungsvorrichtungen jedoch eingeschaltet. Sechs von zwölf Aida-Schiffen seien so ausgestattet. „Das sind sehr hohe Investitionen“, sagt Kunze, gesteht aber ein, dass die Technik noch lückenhaft sei. Zudem sei Aida Vorreiter bei Schiffen, die beim Liegen im Hafen Strom aus Flüssiggas erzeugten. „Da werden Schiffe kritisiert, die den nächsten Schritt schon gemacht haben“, ärgert sich Kunze. Am morgigen Mittwoch werde zudem mit großer Feier bei der Meyer-Werft das erste Aida-Schiff, Aida Nova, kielgelegt. Das Schiff werde deutlich weniger Emissionen ausstoßen - wie bei der Umstellung von einem Diesel- auf ein Erdgas-Auto, vergleicht Kunze.
Der Nabu gesteht allerdings ein, beim Schiff „Europa 2“ von Hapag-Lloyd noch nicht berücksichtigt zu haben, dass es neuerdings an Landstromanlagen angeschlossen werde.

Auf die direkten Anfragen des Nabu hätten die Betreiber nicht reagiert und ihren Branchenverband vorgeschickt, räumt der Nabu ein. Gesichert sind die Erkenntnisse aus dem Ranking daher nicht. Gleich 29 der 34 aufgeführten Schiffe landen auf dem letzten Platz – ohne Katalysator, Schwefelgasreinigung oder Landstromanschluss. Für Kreuzfahrtkunden kann das Ranking daher nur eine grobe Orientierung geben.
Aida reagiert schon vorab. Der Anbieter hebt noch einmal die umstrittene Abgasreinigung hervor. 2018 und 2021 kämen zudem zwei von der Mayer-Werft in Papenburg gebaute Schiffe hinzu, die erstmals LNG als Treibstoff verwenden – ein echter Fortschritt.
Bei den „Cruise Days“ am Wochenende bleibt jedoch erst mal alles beim Alten. „Die Belastung wird hammermäßig“, wütet Nabu-Mitarbeiter Oelinger. Allerdings: Bei den Containerschiffen, die täglich in Hamburg ein- und ausfahren, bleibt noch mehr zu tun.

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