Krise in der Fleischbranche Wer am Hackfleisch verdient

Die Inflation hat den Preis von Hackfleisch extrem in die Höhe getrieben. Quelle: imago images

Ein Kilo Hackfleisch kostet knapp acht Euro – 3,20 Euro mehr als in den Jahren zuvor. Obwohl Fleisch teurer ist, geben Landwirte auf und die Produzenten kämpfen. Eine Studie zeigt: So richtig profitiert nur der Handel.

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Um die 7,98 Euro kostete ein Kilogramm Hackfleisch im vergangenen Jahr. Für diejenigen, die nicht regelmäßig Bolognese kochen und den Preis nicht im Kopf haben: Im Zeitraum zwischen 2017 und 2021 lag der Preis pro Kilogramm recht stabil und im Durchschnitt bei 4,78 Euro. Durch die Inflation aber ist der Preis plötzlich stark angestiegen. 3,20 Euro kostet das Kilogramm nun mehr.

Das ist das Ergebnis einer Analyse von Thomas Roeb, Professor und Experte für Handel und Konsumgüter an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Roeb hat dafür Daten aus der Fleischbranche ausgewertet – und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: „Der Handel profitiert weit mehr als die anderen Teile der Wertschöpfungskette von den steigenden Preisen.“

Laut Roebs Analysen strichen die Lebensmitteleinzelhändler beim Verkauf von einem Kilogramm Hackfleisch rund 2,17 Euro ein. Das ist zwar weniger als die 3,28 Euro, die an die Landwirte gehen, die das Vieh großziehen und mästen. In dem Betrachtungszeitraum aber hat der Handel seinen Anteil am Verkaufspreis auf 27 Prozent gesteigert und damit fast verdreifacht, so Roeb.

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Die Fleischproduzenten – also die Betriebe, die Kühe und Schweine schlachten, zerlegen und verarbeiten – bekamen etwa zwei Euro. Rund 1,40 Euro davon blieb ihnen als Ertrag, die restlichen 60 Cent sind Kosten, zum Beispiel für Verpackungsmaterial oder um die Teile der Tiere zu verarbeiten, die nicht als Fleisch verkauft werden können.

„Hackfleisch ist ein Zugartikel“, sagt Roeb. „Supermärkte können Kunden damit in ihre Läden locken.“ Hackfleisch mache bis zu 20 Prozent des Menge an Frischfleisch aus, die in Deutschland in den Einkaufswägen landet.



Die Analyse wirft deshalb ein neues Licht auf die Beziehungen zwischen Handel, Schlachthöfen und Landwirten. Das Thema ist hochpolitisch. Die Viehhalter in Deutschland und auch die Schlachthöfe und Fleischproduzenten stecken in einer Krise von bisher unbekannten Ausmaßen.

Das Thema beschäftigt in dieser Woche auch die Agrarministerkonferenz. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir steht unter Druck, auf die Krise der Viehhalter eine Antworten zu finden. Die fünf Landesagrarminister aus Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt (CDU und CSU) haben den Grünen-Politiker Özdemir in einem Brief öffentlich kritisiert. „Mit großer Sorge stellen wir einen beschleunigten Rückgang der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Deutschland fest“, zitiert die Welt aus dem Brief. „Der Bundesregierung fehlt ein Gesamtkonzept zum Umbau der Tierhaltung in Abstimmung mit vorhandenen Initiativen und zusammen mit den Betroffenen in der Wertschöpfungskette“, schreiben die Landesminister.

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Insbesondere die Schweinebauer stecken in einer tiefen Krise. Seit Jahren schon geht die Zahl der Viehhalter zurück. Im vergangenen Jahr stürzten die Preise für ein Mastschwein dann noch weiter ab, nur noch 1,20 Euro pro Kilogramm bekamen die Landwirte zeitweise von den Schlachthöfen für ihre Tiere. Zehn Prozent der Landwirte gaben die Schweinehaltung deshalb allein im vergangenen Jahr auf.

Die Deutschen essen immer weniger Schweinefleisch

Mittlerweile haben sich die Preise wieder stabilisiert, die Schlachthöfe zahlen nun 2,33 Euro je Kilogramm für ein Schwein. Die gestiegenen Kosten und die unsicheren Zukunftsaussichten aber sind geblieben. Selbst die Schlachthöfe und Fleischproduzenten spüren mittlerweile die Auswirkung der Krise. Die Nachfrage nach ihren Produkten bricht in Teilen ein: Die Deutschen essen immer weniger Schweinefleisch, das Exportgeschäft nach Asien ist wegen der Afrikanischen Schweinepest eingebrochen. Bei Rindfleisch ist der Rückgang nicht so deutlich zu spüren, doch der Tierbestand sinkt trotzdem.

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Diese Entwicklungen spiegeln sich auch in den Hackfleisch-Preisen wider. Roebs Analyse zeigt, dass die Fleischproduzenten 2017 nur 0,15 Euro an Kosten für Materialien wie die Verpackung des Fleischs einrechnen mussten. Weitere 15 Cent entstanden durch die Anteile der Tiere, die Fleischproduzenten nicht oder nur sehr schwer vermarkten können. Schweineohren oder Pfoten etwa werden in Deutschland nicht gegessen. Früher schickten die Schlachthöfe solche Produkte nach Asien. Seit im September 2022 in Deutschland die ersten Fälle der Afrikanischen Schweinepest auftauchten, ist das verboten. Die Kosten für die nicht vermarktbaren Teile der Tiere sind gestiegen, bei einem Kilogramm Hackfleisch lagen sie 2022 bei 0,42 Euro.

Der Handel hingegen hat seine Margen stark gesteigert, sagt Roeb. Er schätzt den zusätzlichen Rohertrag des Handels an einem Kilogramm Hackfleisch auf 1,75 Euro. Damit hätte der Handel den Großteil des Preiszuwachs von 3,20 Euro eingestrichen. „Zwar sind sicherlich auch für den Handel die Kosten für Transport oder Energie gestiegen. Aber nicht annähernd in diesem Maße“, sagt Roeb. „Das geht auf die Kosten der Fleischproduzenten, der Landwirte, aber vor allem der Konsumenten.“

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Mit 99 Cent kommt ein Großteil des Handelsertrags aus dem Portemonnaie der Verbraucher, die nun mehr für das Hackfleisch zahlen. Die anderen Erträge aber könne der Handel nur machen, weil er den Lieferanten ihre gestiegenen Kosten nicht erstatte. 10 Cent davon gehe auf Kosten der Fleischproduzenten, 66 Cent streiche der Handel vom Anteil der Landwirte ab. Dadurch können die Landwirte und Fleischproduzenten ihre Kosten nicht mehr decken, warnt Roeb: „Damit schwächt der Handel die Überlebensfähigkeit seiner Lieferanten noch weiter.“

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