Krisen und Pleiten Die Zeiten werden wieder besser – für Insolvenzverwalter

«Wir schliessen. Alles muss raus» steht auf einem Schild an einer Ladentür. Quelle: dpa

In der Bau- und Immobilienwirtschaft, im Einzelhandel und in der Pflege häufen sich die Krisen- und Insolvenzfälle. Steigende Zinsen und höhere Kosten für Energie, Rohstoffe und Personal fordern ihren Tribut.

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Die Zeiten ungewöhnlich niedriger Insolvenzzahlen sind vorerst vorbei. So ist die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen im Januar 2023 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 20,2 Prozent gestiegen, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Außerdem sind nach vorläufigen Angaben die beantragten Unternehmensinsolvenzen im März 2023 um 13,2 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen. Was zunächst nach einem massiven Anstieg der Insolvenzzahlen klingt, ist in Wirklichkeit eher eine Normalisierung. 

Trotz Corona- und Energiekrise lag die Zahl der Firmenpleiten 2020, 2021 und 2022 auf historisch niedrigem Niveau. Grund dafür waren umfangreiche staatliche Hilfen im Zuge der Coronapandemie wie die teilweise Aussetzung der Insolvenzantragspflichten, die Ausweitung des Kurzarbeitergelds, finanzielle Hilfen sowie der Vollstreckungsstopp der Finanzbehörden und Krankenkassen. 

Nun zeichnet sich eine Trendwende ab. Höhere Produktionskosten, wachsende Personalausgaben, deutlicher Zinsanstieg: Wegen schwieriger Rahmenbedingungen sagen Experten auch weiterhin wieder mehr Firmenpleiten in Deutschland voraus. Der Kreditversicherer Allianz Trade erwartet in diesem Jahr beispielsweise eine Zunahme um 22 Prozent.

„Eine Pleitewelle ist das nicht“

„Das sind rund 17.800 Fälle“, teilte das Unternehmen jüngst in einer Insolvenzstudie mit. Die Zahlen würden 2023 damit weiterhin rund fünf Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau bleiben. „Dies dürfte erst nach einer weiteren Zunahme der Insolvenzen um sechs Prozent im Jahr 2024 wieder leicht überschritten werden“, betonte Milo Bogaerts, Chef von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sein Fazit: „Eine Pleitewelle ist das weiterhin nicht“.

Das bestätigt auch Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). „Der zuletzt deutliche Anstieg der Unternehmensinsolvenzen deutet im langjährigen Vergleich nur auf eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens hin“, bilanziert Niering. Bereits vor der Coronapandemie sei die Zahl der Unternehmensinsolvenzen „über ein Jahrzehnt kontinuierlich gesunken“ und habe in der Pandemie ein Rekordtief erreicht.

Das Unternehmen meldet Insolvenz für die Filialnetz-Tochter an. Zuletzt ging Gerry Weber 2019 in die Insolvenz. Wie viele Arbeitsplätze diesmal verloren gehen werden, ist noch offen.

Abgerechnet wird am Ende

Angesichts der wirtschaftlichen Eintrübung, massiver Kostensteigerungen für Energie, Rohstoffe und Personal sowie höherer Refinanzierungskosten steigt bereits seit einigen Monaten der Restrukturierungsbedarf. In bestimmten Branchen wie der Bau- und Immobilienwirtschaft, im Einzelhandel und in der Pflege häufen sich die Krisenfälle. So entfielen die meisten Unternehmensinsolvenzen zu Jahresbeginn auf das Baugewerbe mit 246 Fällen (+19,4 Prozent). Danach folgte der Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen) mit 204 Verfahren (+27,5 Prozent).

Dabei wird es kaum bleiben, zumal auf viele kleine und mittelgroße Unternehmen demnächst zusätzliche Belastungen zukommen dürften: Die Schlussabrechnung für die Corona-Hilfen naht. Fast drei Jahre nach dem Start der Überbrückungshilfe I stehe bei vielen Unternehmen „die Überprüfung und die mögliche Rückzahlung von gewährten Hilfen an“, erläutert Stefan Schwindl, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der MTG Wirtschaftskanzlei. Unternehmen, die Überbrückungshilfe erhalten haben, seien dazu verpflichtet, bis zum 30. Juni 2023 über ihren Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eine Schlussabrechnung einzureichen oder eine Fristverlängerung bis Jahresende zu beantragen. Andernfalls müssten die Hilfen möglicherweise in voller Höhe zurückgezahlt werden.

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Erhaltene finanzielle Hilfen müssen die Unternehmen auch dann zurückzahlen, wenn der Umsatzrückgang nicht durch die Auswirkungen der Coronapandemie begründet war. Zu belegen, dass der Umsatzrückgang Corona-bedingt war, ist jedoch alles andere als einfach. Eindeutig ist die Lage lediglich, wenn das Unternehmen in der Pandemie schließen musste, etwa als Einzelhändler im Lockdown. Viele Detailfragen sind dagegen weiter offen. „Hinzu kommt, dass sich die Förderbedingungen der Überbrückungshilfen kontinuierlich geändert haben, was bei der Schlussabrechnung ebenfalls berücksichtigt werden muss“, führt Elske Fehl-Weileder von der Kanzlei Schultze & Braun aus.

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