Küchenhersteller Alno liefert nach der Insolvenz wieder Küchen aus

Der Küchenhersteller liefert nach der Insolvenz als „Neue Alno“ die ersten Küchen aus. Es ist die letzte Chance für das Traditionsunternehmen.

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Alno liefert nach der Insolvenz wieder Küchen aus Quelle: dpa

Pfullendorf Monatelang war das Werk 1 wie ausgestorben. Jetzt rauschen und summen hier wieder dutzende Maschinen, es riecht nach frischem Holz. Mitarbeiter in T-Shirt oder Blaumann legen laminierte Spanplatten aufs Band, andere kontrollieren die Einstellungen der Maschine am Computer. Die „Neue Alno“ hat nach der Insolvenz des Pfullendorfer Küchenherstellers Alno AG vor wenigen Tagen ihre Produktion aufgenommen. Die ersten Schränke und Küchenzeilen gehen an einen Appartement-Komplex in Istanbul.

„Es ist ein herrliches Gefühl, dass hier wieder alles läuft“, sagt Mitarbeiter Matthias Fiebich, der hier Holzmechaniker gelernt hat und jetzt eine Zuschneidemaschine bedient. „Wir glauben alle, dass wir es schaffen.“ Er ist einer von 320, die hier wieder Arbeit haben. Zu besten Zeiten hatte Alno als Deutschlands größter Küchenhersteller mehr als 2000 Beschäftigte.

Das längst tot geglaubte Unternehmen wagt den Neustart: Die alte Alno AG hatte fast 20 Jahre lang Verluste gemeldet, bevor sie schließlich im Juli 2017 Insolvenz beantragte. Nach drei Monaten, im September, musste Insolvenzverwalter Martin Hörmann das Werk in Pfullendorf schließlich. Endgültig, so wie es schien, als sich kein Käufer für Alno finden ließ.

Erst im Dezember war der Investor Riverrock als neuer Kapitalgeber aufgetaucht. Mit 20 Millionen Euro Startkapital kann Alno nun als „Neue Alno“ schuldenfrei weiter machen. Der Konzern hatte einst Werke in Nordrhein-Westfalen (Wallmann) und Sachsen (Pino), betrieb Küchenhersteller in der Schweiz und Standorte auf der ganzen Welt. Doch Alno hatte sich deutlich übernommen.

Zuletzt hatte der Küchenbauer nach zahlreichen Managementwechseln und einem Streit unter den letzten Geldgebern und Chefs 300 Millionen Euro Schulden aufgehäuft. Am Standort Pfullendorf gehörte fast die Hälfte der rund 800 Beschäftigten der Verwaltung an. Ein Wasserkopf, wie die meisten es nennen. Wellmann ist mittlerweile geschlossen, Pino verkauft, die Schweizer Marken sind ebenfalls veräußert. Alno fängt wieder ganz klein an.

Vor der Insolvenz hatte die Kernmarke Alno in Pfullendorf noch 120 Millionen Umsatz erzielt. Für das laufende Jahr plant man weniger als die Hälfte. Und davon wiederum soll die Hälfe ins Ausland gehen Dieses Jahr werde man noch Verlust schreiben, aber nächstes Jahr soll zumindest Kostendeckung erreicht sein, sagte Geschäftsführer Andreas Sandmann am Dienstag.

„Das wichtigste ist jetzt, wieder Vertrauen zu schaffen“, so Sandmann. Immer noch hat die Marke Strahlkraft, doch kurz vor der Insolvenz wurden Küchen nur noch in Teilen geliefert, es fehlten Türen oder Griffe, weil dafür kein Geld mehr da war.

Obendrein holt Alno auch heute noch immer wieder die Vergangenheit ein. Vergangene Woche hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Razzia an sämtlichen früheren Standorten veranlasst. Auch in Pfullendorf gingen dutzende bewaffnete Polizisten aus und ein, nahmen Festplatten und Daten mit. Die früheren Manager stehen unter dem Verdacht der Insolvenzverschleppung.

Derweil reist Geschäftsführer Sandmann seit vielen Wochen regelmäßig durch Deutschland und die ganze Welt, um sich die Beschwerden der Kunden anzuhören, auf ihre Wünsche einzugehen und um zu versichern, dass nun neue Zeiten anbrechen. „Die meisten wollen wieder mit uns zusammenarbeiten“, sagt Sandmann. Allerdings wird wohl erst einmal vorsichtig bestellt.

Es gilt aber auch, die Produktionsabläufe wieder auf Stand zu bringen. Vier verschiedene Softwaresysteme hatte Alno gleichzeitig installiert. Nun bringen die Pfullendorfer Kunden- und Lieferdateien in ein einheitliches SAP System ein. Der Bestand an Zulieferteilen und Platten ist wieder aufgefüllt. Die ersten Küchen aus einem Probelauf stehen im Nebengebäude zum Verkauf.

Der Probelauf war dringend nötig. Die Maschinen standen so lange still, dass sie teilweise gar nicht mehr funktionierten. Bei der Klebemaschine etwa war der Leim festgetrocknet. Es mussten erst mehrere Leitungen ausgetauscht werden, bis alles wieder reibungslos lief.

Zugute kommt Alno, dass derzeit in Deutschland mehr Küchen nachgefragt werden, als geliefert werden können. Die durchschnittliche Lieferzeit beträgt zehn Wochen. In der Schweiz kann es sogar zehn Monate dauern. So kommt Alno jetzt mit dem Standard-Programm „Alno active“, das Standardküchen binnen fünf Tagen nach Bestellung zum Händler liefert.

Das höherpreisige Segment soll folgen. Einst war Firmengründer Albert Nothdurft mit der Serienfertigung von Standardküchen groß geworden. Nun, so scheint es, findet Alno wieder mit der Serienproduktion mittelpreisiger bis hochwertiger Küchen zu den Wurzeln zurück.

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