Kundenkarten Deutschland im Sammelwahn

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Kundenkarte als Allzweckwaffe


Auf diese Bonussysteme stehen die Deutschen
Görtz CardDie Kundenkarte des Schuhhändlers wurde 2012 Testsieger in einer Studie des Deutschen Instituts für Service-Qualität im Auftrag des Handelsblatts. 17 Kundenkarten wurden verglichen unter anderem danach, ob sie wirklich den versprochenen Mehrwert bieten und wie es um den Datenschutz bestellt ist. Bis 100 Euro Jahresumsatz gibt es zwei Prozent Rabatt (zwei Punkte pro Euro), der Anteil steigert sich bis fünf Prozent ab einem Jahresumsatz von 700 Euro. Quelle: dapd
dm KundenkarteDie Drogeriekette dm nimmt am Multi-Partner-System Payback teil. Pro Euro gibt es einen Punkt, jeder Punkt ist einen Cent wert. Die Kundenkarte von dm lässt sich bei allen anderen Payback-Partnern ebenfalls nutzen - dazu gleich mehr (siehe Payback Karte). Quelle: AP
Kosmetik - Beispiel Body ShopWelche Bonus- und Zahlfunktionskarten - also z.B. EC- oder Kredit-Karten - stecken in den Geldbörsen der Deutschen fragte das Marktforschungsinstitut Emnid im Auftrag des Multipartner-Bonusprogramms Payback im Jahr 2012. Mit drei Prozent der Nennungen etwa so oft vorhanden wie die Miles& More-Karte der Lufthansa sind Bonuskarten von Drogerien oder Kosmetikherstellern. Das mag auch an den teils komplexen Regeln fürs Punktesammeln und dem nur schwer erkennbaren Mehrwert liegen. Bei Body Shop etwa sind erst einmal 10 Euro Gebühr für die Aufnahme in den Love-Your-Body-Club fällig, bevor der Kunde überhaupt Punkte sammeln darf. In seinem Geburtstagsmonat bekommt er dafür ein Geschenk im selben Wert. Wer also im Januar zahlt und im Dezember Geburtstag hat, muss sich bis dahin mit dem eingeräumten Rabatt zufrieden geben - der beträgt aber immerhin 10 Prozent. Quelle: REUTERS
Miles & MoreDie Kundenkarte der Lufthansa fand sich bei drei Prozent der Befragten. Wie das System funktioniert und wo die Schwächen liegen, darüber hat die WirtschaftsWoche ausführlich berichtet: "Das Mogelgeschäft mit den Bonusmeilen". Quelle: dpa
Shell ClubsmartDiese Karte haben sechs Prozent der Befragten immer griffbereit - damit ist die Shell-Karte laut der Emind-Umfrage ähnlich populär wie die Ikea Family Card oder die Kundenkarte von Kaffeeröster Tchibo. Für die gesammelten Punkte gibt es Prämien wie Zeitschriftenabonnements, Uhren, Kleidung oder Stofftiere. Quelle: REUTERS
Tchibo PrivatCardSieben Prozent der Befragten gaben an, die Tchibo-Karte immer griffbereit zu haben. Die Karte kostet 8 Euro, dafür gibt es einen Gutschein im Wert von 10 Euro. Bei jedem Filial-Einkauf oder einer Bestellung im Internet bekommt der Kunde "TreueBohnen" - und zwar pro angefangene zehn Euro eine Bohne. Diese lassen sich dann gegen Prämien eintauschen. Für eine Tasse Kaffee mit der Kundekarte gibt es 1 "TreueBohne", um eine Tasse Kaffee zu bekommen sind fünf Bohnen nötig. Quelle: AP
Mode- und Schuhhäuser - Beispiel EspritVier Prozent der Befragten hatte eine Mode-Kundenkarte wie etwa die Esprit-Karte im Portemonnaie. Esprit schreibt Kunden e-points in Höhe von drei Prozent des Einkaufswerts gut. Ein e-point entspricht einem Cent. Wer für 1000 Euro einkauft, bekommt also einen Gutschein im Wert von 30 Euro. Ab einem Wert von 600 e-Punkten wird ausgezahlt. Quelle: REUTERS

Negativ betrachtet geben Kunden über die Bonuskarten unnötig viel über sich preis - und erhalten im Gegenzug dafür wenig handfeste Vorteile. Es lohnt sich also bei der Entscheidung für eine Kundenkarte genau zu schauen, was das Unternehmen bietet und was es dafür von einem selbst haben will. Bei Prämiensystemen lohnt der Vergleich zwischen dem angegebenen Wert der Prämie, und für welchen Preis es anderswo zu haben ist. Martin Wehrle, Buchautor von "König Arsch": "Der vermeintliche Punktevorteil erweist sich oft als Punktenachteil - Prämienartikel sind in der Regel 25 Prozent überteuert. Die Kundenkarte ist Augenpulver. Sie täuscht Einsparungen vor, dabei wird es durch die Zuzahlung am Ende teurer."

Für eine Mehrzahl der Deutschen überwiegt aber der Spaß am Sammeln und die Aussicht auf die potenzielle Ersparnis, die bei manchen Systemen auch gegeben ist. Nina Purtscher von Payback: "Wer zusätzlich zu den Punkten an der Kasse Coupons nutzt, kann mit Payback im Jahr an die 200 Euro sparen." Die Coupons gibt es mittlerweile nicht mehr nur in Papierform, sondern auch als eCoupon im Netz oder über eine App auf dem Smartphone. Kundenkarten sind nicht mehr nur im stationären Handel ein beliebtes Instrument zur Kundenbindung. Purtscher: "Kunden sind heute in allen Welten und in verschiedenen Kanälen unterwegs - sie kaufen im stationären Handel ein, genauso shoppen sie auch online oder bestellen mobil über Tablets und Smartphones. Alle Kanäle verknüpfen sich. Deshalb müssen Unternehmen künftig auch in allen Kanälen zu Hause sein."

Bonussysteme, die den Wünschen der Kunden nicht nachkommen, sind über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt. "Nicht richtig konzipierte Kartenprogramme können zu einer kostenintensiven, aber wirkungslosen Maßnahme werden", warnt Bert Klingsporn, Managing Director der Strategieberatung OgilvyBrains.

Anfang der 2000er Jahre haben eine Reihe von Städten versucht, die Umsätze der Einzelhändler in den Innenstädte anzukurbeln, indem sie regionale Kundenkarten ausgaben. Viele überschätzten den Aufwand und boten dafür zu wenig Mehrwert. Die Karten gingen ein, nicht nur in kleinen Gemeinden. Die M-Card etwa, ein Multipartnerprogramm Münchener Händler, Dienstleister und Kulturschaffender wird zum 30. Juni des Jahres eingestellt.

Kein Grund für das nordrhein-westfälische Neuss, es nicht trotzdem zu versuchen. Damit die Kunden künftig wieder lieber im traditionellen Fachgeschäft statt auf der grünen Wiese bummeln oder - noch schlimmer - Schuhe, Schmuck und Bücher im Internet bestellen, gibt es seit Jahresbeginn die Neuss Points. Jetzt heißt es also wieder sammeln, sammeln, sammeln.

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